Zum Thema ‚Bike Fitting‘ hatte ich schon viel gehört. Viele Vereinskollegen und Trainingspartner haben sich schon professionelle Hilfe beim Einstellen ihres Rennrades oder Zeitfahrmaschine geholt. Auch ich haderte in letzter Zeit öfters mit meiner Radperformance.
Aussagen wie „Ich habe mehr Druck auf dem Pedal“ oder „seitdem fühle ich mich viel besser auf dem Rad“ machte mich neugierig. Und so landete ich bei Dennis Sandig und Sebastian Mühlenhoff vom Trainingsinstitut iQ athletik in Frankfurt. Die Position ist das eine – die Stabilität das andere. Auch ich musste merken, dass zur Einstellung eines Rads mehr gehört, als nur die Sitzposition selbst. Die Stabilität des eigenen Körpers schafft die Grundlage für die Radposition und ist wichtiger als ich es gedacht hätte. Doch der Reihe nach: Zunächst musste ich einen Fragebogen mit Standardfragen wie Gewicht, Körpergröße und Alter, aber auch Fragen zu Verletzungen oder Beschwerden beantworten. Es folgte ein lockeres Gespräch mit Dennis über meine Beschwerden, die durch meine vorwie-gend sitzende Haltung verursacht sind. Jeder, der viel im Büro sitzt, wird wissen, wovon ich hier spreche. Ich sitze in der Uni, im Büro, zuhause am Schreibtisch. Prozentual gesehen ist das der blanke Horror für unseren Körper.
Beweglichkeit und Stabilität
sind das A und O
Doch bei einem Fragebogen und dem Gespräch sollte es nicht bleiben. Dennis testete meine Funktionen hinsichtlich Stabilität und Beweglichkeit auf Herz und Nieren. Er sagt mir, was ich tun soll, ohne es vorzumachen. Nicht nur eine Probe meines Körpers, sondern auch für mein Gehirn. Gesehene Übungen nachmachen funktioniert so nämlich nicht, sondern ich muss auch mitdenken – überlegen, koordinieren und ausführen. Ich versuche also das ganze Umzusetzen – selten gut und oft schlecht. Dieser Test bietet die Möglichkeit den Sportwissenschaftlern von iQ athletik zu sehen, welche Radposition überhaupt für mich geeignet ist. Denn nicht jede Einstellung ist mit einem eingerosteten Körper – wie meinem – möglich und erst recht nicht gut für die Gesundheit.
„Oh Gott, Dennis, das kann ich nicht!“
Ein Beispiel: Legen Sie sich auf den Bauch, die Hände neben Ihre Ohren und versuchen Sie, sich gleichzeitig mit Oberkörper und Po in eine Liege-stützposition zu drücken. Gleichzeitig! Können Sie’s? Ich nicht! Ich bin Realist und wusste somit auch schon vorher, dass ich nicht sonderlich fit bin und eher zu Stabi-Muffeln gehöre. Das Ergebnis des Tests ist aber auch für mich ernüchternd. Egal, ich weiß woran ich arbeiten kann. Und das Gute daran ist: Ich weiß jetzt nicht nur, dass etwas zu tun ist, sondern auch was. Stabi, Stabi, Stabi und mobiler werden – und das auf Grundlage meiner Ergebnisse. iQ athletik stellt mir hierfür einige Übungen zusammen, die aufgrund des Tests für mich nützlich sind. Denn Stabilität und Mobilität mindern nicht nur das generelle Verletzungsrisiko, sondern auch die Möglichkeiten im Hinblick auf eine aggressiver ausgerichtete Radposition. Denn besonders aerodynamische Positionen sind für mich aufgrund meines Testergebnisses derzeit nicht realistisch und machen übrigens für viele auch gar keinen Sinn: „Fährst Du beim Ironman einen 25er-Schnitt, brauchen wir gar nicht über eine solche Haltung reden“, erläutert iQ athletik-Rad-Experte Sebastian, „da ist es viel sinnvoller, auf Gelenke und das Verletzungsrisiko zu achten und auf eine möglichst hohe Biomechanik zu setzen.“ Stimmt, wir sind ja nicht alle Sebastian Kienle. Denn er kann den Kraftverlust durch Aerodynamik kompensieren.
Das Finden meiner optimalen Position
Und nachdem wir so viel über die richtige Position gesprochen haben, wird es für mein Rennrad mit Auflieger und mich konkreter. Bereits bei meiner Ankunft hatte Sebastian festgestellt, dass mein Sattel schief war. Wieso ist mir das nie aufgefallen? Und auch eine Platte am Radschuh war verschoben.
Shame on me – auch das war mir nie aufgefallen. Aber wer schaut sich schon seine Schuhe regelmäßig von unten an? Nachdem diese Kleinigkeiten relativ schnell behoben waren,durfte ich endlich auf mein „Baby“. Gekennzeichnete Punkte an Knöchel, Knie und Hüfte machen es Sebastian möglich per Videoanalyse Fehlstellungen auszumachen. Eine Kamera frontal und eine aus seitlicher Perspektive zeichnen auf, wie meine Bewegungsabläufe sind. Wird meine X-Bein-Stellung – die übrigens typisch für Frauen ist – unterstützt? Bewege ich meine Hüfte? Kriege ich optimalen Druck auf das Pedal oder ist der Winkel beim Treten nicht optimal? Fragen über Fragen, wie Sebastian natürlich zu beantworten weiß.
Sattel hoch, Auflieger zurück
Das Ergebnis sieht man auf dem Video deutlich: Mein Kniewinkel ist zu eng, sodass ich mehr nach hinten schiebe als nach unten trete. Dabei geht eine Menge Energie verloren. Die logische Konsequenz: Sattel ein Stück hoch. Es könnte zwar noch mehr sein, aber das verkrafte ich stabilitätstechnisch (noch) nicht. Übrigens ist der Sattel auch eine der Komponenten, die vor einem Wettkampf noch kurzfristig für Entlastung sorgen können: „Sportler, die gerade im Bereich der Lendenwirbelsäule Probleme haben und den Sattel um ein Grad nach unten neigen, können dadurch einen positiven Effekt erzielen“, erklärt Sebastian. Zweiter Punkt der deutlich auf dem Video zu sehen ist: Der Winkel zwischen Oberkörper und Ellbogen ist in der Aero-Position sehr weit. Das macht die Belastung für meinen Schulterbereich enorm hoch. Zweiter Verbesserungsschritt: Auflieger einen Tick zurück. Nun ist auch Sebastian mit meiner Position zufrieden, denn nun bringe ich optimal meine Kraft auf die Pedale und in der „Heck-Ansicht“ ist meine Hüfte stabil. Die Einstellung eines Rennrads mit Auflieger ist übrigens gar nicht so einfach. Die Geometrie sowohl auf die Aero-Position als auch auf die „normale“ Rennradposition bedeutet auch Kompromisse zu schließen. Bei einem reinen Triathlonrad ist das natürlich anders.
Mein Fitting-Fazit
Ein Bike Fitting lohnt sich für all diejenigen, die langfristig an ihrer Position arbeiten wollen und neben dem Training nach Möglichkeiten suchen, um möglicherweise ein paar Sekunden oder sogar Minuten rauszuschlagen. Aber nicht nur für die Zeit-, sondern auch gesundheitsbewussten Triathleten oder Radfahrer lohnt sich eine Analyse: Denn Sportler sind durch eine falsche Position auf dem Rad nicht nur verletzungsanfälliger, sondern können langfristig sogar ihrer Haltung schaden.
Wer allerdings glaubt, kurz vor einer Langdistanz noch ein Bike Fitting machen zu müssen, der wird enttäuscht: ein Fitting macht nur Sinn, wenn es langfristig geplant wird. Denn jede neue Einstellung braucht circa zwei bis drei Wochen Gewöhnungszeit. Sinnvoll wäre es also gerade bei Langdistanzlern ein solches Fitting in der Vorbereitungsperiode anzugehen.
Mir wird jetzt nichts anderes übrig bleiben, als Dennis‘ Übungen konsequent und regelmäßig durchzuziehen. Denn nur mit einer vernünftigen Stabilität und Mobilität lässt sich das optimale aus der Radposition rausholen. Umso fitter ich bin, desto aggressiver kann mein Rad eingestellt werden. Eins ist also klar: ich komme wieder – möglichst fit. Und hoffentlich beherrsche ich bis dahin auch die gleichzeitig-Po-und-Oberkörper-in-den-Liegestütz-bringen-Übung. Ich werde zumindest daran arbeiten.
Text: Ann-Kathrin Ernst
Fotos: Klaus Arendt