Wintertraining: Cool bleiben

KÄLTEEMPFINDEN

Das Kälteempfinden ist übrigens nicht nur individuell verschieden, sondern bei Männern und Frauen unterschiedlich. Das liegt vor allem daran, dass Muskeln die Heizkraftwerke des Körpers sind. Sie produzieren Wärme, auch in Ruhe. Dadurch sind Männer, die im Schnitt ein Viertel mehr Muskelmasse haben als Frauen, im Vorteil. Dazu kommt, dass Frauenhaut etwa um 15 Prozent dünner ist als Männerhaut – Fahrerinnen sind schlicht schlechter isoliert als ihre männlichen Mitfahrer. Wissenschaftler haben in vielen Studien bewiesen, dass die Wohlfühltemperaturen von Männern und Frauen deshalb sehr verschieden sind. Frauen sollten beim Wintertraining also ganz besonders auf einen ausreichenden Kälteschutz achten.

Du Frostbeule! Frostbeulen sind schmerzhafte Kälteschäden an der Haut, die oft bei hoher Luftfeuchtigkeit und kalter Temperatur in Kombination mit zu dünner Kleidung entstehen. Die kissenartigen, bläulichen Schwellungen, die oft zuerst an Fingern oder Zehen entstehen, heißen in der Fachsprache „Perniones“. Wärmt man betroffene Hände und Füße wieder auf, brennen und jucken die Beulen und nehmen eine hellrote Farbe an. Verglichen mit Erfrierungen sind Perniones zwar eher ungefährlich und heilen binnen weniger Wochen meist von selbst ab. Ernst nehmen sollte man sie aber trotzdem, vor allem, wenn die Beschwerden häufig wiederkehren. Bei Erfrierungen bilden sich – anders als bei Frostbeulen – winzige Eiskristalle im Gewebe, und es kann zum Absterben von Gliedmaßen kommen.

Ist man warm eingepackt, hat das Outdoortraining im Winter aber eine Menge Vorteile: Es fördert einer kanadischen Studie zufolge die Fettverbrennung. Es kurbelt die Produktion von Vitamin D an, das der Körper nur mithilfe von Sonnenlicht selbst herstellen kann. Ein auch im Winter hoher Vitamin-D-Spiegel senkt das Osteoporoserisiko und wirkt zudem stimmungsaufhellend. Überhaupt verringert Draußen-Sport nachweislich das Risiko für Depressionen und hebt bei depressiven Verstimmungen, die in der dunklen Jahreszeit häufig auftreten, die Laune. Die Bewegung an der frischen Luft bringt den Kreislauf in Schwung und verbessert die Durchblutung. Das wiederum unterstützt die Arbeit des Immunsystems und verringert die Infektionsgefahr. Gründe, trotz frostiger Temperaturen durch die Gegend zu radeln oder laufen, gibt es also viele.

Wintertraining (Foto: PEARL iZUMi | Paul Lange)
Wintertraining (Foto: PEARL iZUMi | Paul Lange)

KÄLTETIPPS

Und was die größte Herausforderung – die Kälte – angeht, kann man sich von anderen Sportarten ein paar Tricks abschauen. „Bergsteiger tragen bei extremen Temperaturen einen dünnen Synthetikstrumpf und einen Plastiksocken für Expeditionen unter der eigentlichen Socke sowie einen dünnen Handschuh unter dem dickeren“, sagt Dr. Matthias Baumann, Expeditionsarzt und Verbandsarzt beim Bund Deutscher Radfahrer. Ein Trick, der in Laufschuhen wahrscheinlich keine Option ist, beim Radfahren aber für wohlig warme Füße sorgen kann. Zwar sei das Risiko für Erfrierungen bei Radfahrern verglichen mit Bergsteigern gering, sagt Baumann. „Bei extremen Temperaturen und langem Aufenthalt in der Kälte besteht die Gefahr aber durchaus auch auf dem Rad.“ Mal kurz bei einer Winterausfahrt die Fingerkuppen nicht zu spüren, sei noch nicht so tragisch. „Doch wenn der Zustand mehrere Stunden anhält, drohen Erfrierungen und dauerhafte Schäden“, sagt Baumann. „Wer schon seit einer Stunde taube Finger hat, sollte anhalten, am besten irgendwo drinnen, in einer Tankstelle oder in einem Café, die Hände aus den Handschuhen nehmen und sie vorsichtig durchkneten.“ Auch die Nasenspitze sei frostempfindlich, weshalb Baumann bei Minusgraden eine Gesichtsmaske aus dem Ski- oder Bergsport empfiehlt. „Bei extremer Kälte kann man sich alternativ einen Trick von den Freiwasserschwimmern abschauen und exponierte Stellen im Gesicht, also Nase und Wangenknochen, mit Fettcreme schützen.“

Der Verbandsarzt rät, den Körper nach der Rückkehr ins warme Zuhause nicht zu schnell wieder aufzutauen. „Ich empfehle ein langsames Aufwärmen in einem gut temperierten Raum. Zum Auftauen der Hände und Füße eignen sich Wasserbäder, wobei das Wasser nur lauwarm sein darf. „30 Grad Celsius sind ideal“, so der Arzt. Wer sich nach der Ausfahrt lieber von innen aufheizen möchte, kann sich nach der Rückkehr noch zehn Minuten auf die Rolle setzen und bei moderater Belastung ausrollen. Nach dem Laufen gilt: zügig duschen, trockene Kleidung anziehen und die Energiereserven wieder auffüllen! Manch einer möchte im Winter nicht aufs Radfahren verzichten, kann sich aber kaum aufraffen, bei Minustemperaturen aufs Rennrad zu steigen. Dafür hat Trainer Sebastian Grospitz eine Lösung. Er empfiehlt seinen Athleten, das Rennrad in der kalten Jahreszeit auch mal stehen zu lassen und stattdessen mit dem Crosser, Mountain- oder Gravelbike in den Wald zu fahren. „Der unebene Untergrund bringt Abwechslung ins Training und schult die Fahrtechnik. Zudem ist es im Wald geschützter und damit weniger kalt. Und weil das Tempo geringer ist als auf dem Rennrad, ist der Windchill-Effekt nicht so extrem.“ Sieger werden im Winter gemacht – aber nicht unbedingt nur auf dem Rennrad.

BEREIT FÜR DIE WINTERLICHE RAD-AUSFAHRT?

  • Eine gute Routenplanung ist im Winter Gold wert – niemand hat Lust, sich in der Dämmerung noch zu verfahren und bei Kälte länger als geplant unterwegs zu sein
  • Ein Blick in die Wetter-App ist in der kalten Jahreshälfte besonders wichtig: Wie kalt ist es? Aus welcher Richtung weht der Wind? Gibt es heute noch Niederschlag? Und wann wird es dunkel? Bei Sonnenschein UV-Schutz nicht vergessen!
  • Die Kleidung sollte möglichst hell sein. Überschuhe halten die Füße warm, eine Mütze unter dem Helm den Kopf. Ein dünnes Paar Handschuhe unter den dickeren wirkt Wunder. Es gilt das Zwiebelprinzip: je kälter, desto mehr Schichten!
  • In die Radflasche – am besten eine isolierte – kommt etwas Heißes, zum Beispiel gesüßter Tee. Manche schwören auf Stücke von frischem Ingwer, weil die Schärfe gefühlt von innen wärmt.
  • Um eine nasskalte Rückseite zu vermeiden und Mitfahrer vor Dreckfontänen zu schützen, gehören im Winter Schutzbleche ans Rad. Einfache Modelle zum Clippen sind am praktischsten. Ein Rücklicht verbessert die Sichtbarkeit.

UND WAS IST MIT DEM SCHWIMMTRAINING?

Triathlon besteht aus drei Disziplinen, na klar. Das komplette Schwimmtraining im Winter nach draußen zu verlegen, ist allerdings wenig sinnvoll: Die Seen sind hierzulande zu kalt, als dass man darin effektiv für die bevorstehende Wettkampfsaison trainieren könnte. Wer trotzdem ausprobieren möchte, wie es ist, in einem eiskalten See zu schwimmen, sollte das in Begleitung tun und natürlich einen Neo tragen. Fettcreme wirkt isolierend, für zusätzlichen Schutz kann eine Neoprenkappe sorgen. Socken und Handschuhe aus Neopren gibt es auch, allerdings sind diese im Wettkampf nicht erlaubt. Ein gründliches Aufwärmen an Land ist jetzt besonders wichtig – mindestens durch Armkreisen, vielleicht auch durch ein kurzes Zugseil-Programm! Dann ganz langsam ins Wasser gehen und dabei das Gesicht befeuchten. Das hilft etwas gegen die Schnappatmung, die reflexartig auftritt, wenn der Körper komplett in kaltes Wasser gleitet. Zunächst zur Probe nur eine kurze Strecke schwimmen. Fühlt sich das gut an, kann es weiter raus gehen. Es ist jedoch vor allem im Winter sinnvoll, stets nah am Ufer zu bleiben, sodass man bei Problemen schnell wieder festen Boden unter den Füßen hat. Länger als 20 Minuten sollte eine Wintereinheit im kalten Wasser nicht dauern, sonst droht Unterkühlung. Bei Schwindel oder Unbehagen sofort das Gewässer verlassen! Nach dem Outdoor-Schwimmen gründlich und zügig abtrocknen, trockene und warme Kleidung anziehen und den Körper langsam wieder aufwärmen.

Text: Sina Horsthemke
Foto: Meike Maurer | tritime-women.de