Spätestens im Dezember teilen sich die Triathleten in mehrere Gruppen auf: Ein paar wenige, meist die, die mit dem Sport Geld verdienen, fliegen in die Sonne und überwintern im Warmen. Andere verlegen das Lauftraining ins Fitnessstudio, stellen das Rad in den Keller, steigen auf die Rolle und erst wieder ab, wenn die Krokusse blühen. Die restlichen ziehen sich warm an. Und trainieren mindestens für zwei Disziplinen weiter draußen. Sie sehen, kalte Temperaturen müssen Triathleten nicht ausbremsen. Wer sein Wintertraining draußen absolviert, sollte ein paar Dinge berücksichtigen, damit die Kälte keine Schäden anrichtet.
„Ich fahre zwar lieber im Sommer, doch Ausfahrten im Winter haben auch was für sich“, sagt Sebastian Grospitz, Personal-Rad-Coach und ehemaliger Landesverbandstrainer Straße der bayrischen U19-Fahrer. Dann kramt er einen Spruch hervor, den schon Generationen von Trainern vor ihm benutzt haben, an dem aber was dran ist: „Sieger werden im Winter gemacht. Wer zum Beispiel im April nach Mallorca will, sollte in den Monaten vorher ausreichend Kilometer sammeln und auch draußen fahren.“
WINDCHILL-EFFEKT
Ein paar Dinge gibt es allerdings zu bedenken, wenn man bei Kälte die Laufschuhe schnüren oder sich in den Sattel schwingen will. Da wäre zum einen der Windchill-Effekt, der Plustemperaturen in Frost verwandelt. Zum anderen sind vor allem Hände, Arme, Füße und Gesicht beim Rennradfahren wenig in Bewegung und der Kälte ausgesetzt. Und dann ist da noch die Tatsache, dass bei winterlichem Training verdammt kalte Luft in die Lungen strömt. Französische und belgische Wissenschaftler bestätigen nach Untersuchungen an Radprofis: „Unter kalten Umgebungsbedingungen ist es ratsam, Aufwärm-, Flüssigkeits- und Kleidungsstrategien zu entwickeln.“
Und wie könnten die aussehen? Kluges Wintertraining auf dem Rad geht eigentlich schon bei der Tourenplanung los. Grospitz empfiehlt beispielsweise, vor der Ausfahrt penibler als sonst den Wetterbericht zu prüfen und die Route zu wählen: „Gerade im Winter sollte man nicht einfach ins Ungewisse losfahren, sondern Strecken aussuchen, die man gut einschätzen kann. Auch die Windrichtung und -geschwindigkeit sollte man vorher herausfinden sowie Route und Kleidung gegebenenfalls daran anpassen.“ Der Windchill-Effekt ist nicht zu unterschätzen: Bei Fahrgeschwindigkeiten von 30 Kilometern pro Stunde fühlen sich null Grad an wie minus fünf. Kommt Gegenwind hinzu, wird es noch eisiger. Das Temperaturempfinden sei jedoch subjektiv, sagt Grospitz: „Während manche schon bei zehn Grad frieren, finden andere fünf Grad nicht so schlimm. Und zwei Grad fühlen sich bei Nieselregen natürlich ganz anders an als bei Sonnenschein. Vor 20 Jahren haben wir unsere Füße bei Wind und Kälte in Alufolie oder Plastiktüten eingepackt. Heute gibt es zum Glück Merinosocken und Überschuhe.“ Und noch einen Tipp hält der Radtrainer bereit: Wer in den Bergen fährt, dürfe nicht vergessen, dass die Temperaturen oben niedriger sind. Pro 1.000 Höhenmeter wird es je nach Luftdruck zwischen sechs und zehn Grad kälter.
Thermoregulation Wer friert, beginnt früher oder später, zu zittern. Das merkt jeder, der ein wenig fröstelnd mit dem Sport beginnt und nach wenigen Minuten ins Schwitzen gerät. Wenn die Ist-Temperatur zu stark vom Soll abweicht und eine Unterkühlung droht, veranlasst das Gehirn den Körper die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Eine typische Notfallmaßnahme ist das unkontrollierbare Muskelzittern, um innerlich Wärme zu produzieren und so die Körperkerntemperatur zwischen 36,5 und 37,5 Grad Celsius zu halten. Schließlich entsteht Wärme, wenn Muskeln arbeiten. Darüber hinaus verringert der Körper bei kälteren Außentemperaturen die Durchblutung in Armen und Beinen, um weniger Wärme zu verlieren und die Organe zu schützen. Wer allerdings so friert, dass er beim Radfahren oder Laufen zittert, sollte das Training möglichst abbrechen und sich irgendwo drinnen aufwärmen.
TRAININGSDAUER
Wenngleich man anfangs oft fröstelt, wenn man im Winter aufs Rad steigt und loslaufen will, ist ein spezielles Aufwärmen für Hobbyathleten laut Grospitz auch bei Kälte nicht nötig. „Die meisten fahren im Winter ohnehin nur im GA1-Bereich und keine Intervalle.“ Steht beim Laufen Tempotraining auf dem Plan, ist das natürlich wie im Sommer mit einer Aufwärmphase vorzubereiten. Die Frage, wie lange eine winterliche Radausfahrt dauern darf, kann der Trainer nicht pauschal beantworten: „Das kommt auf die Fitness, das Ziel und die Leidensfähigkeit an. Meine Junioren aus dem Bayernkader fuhren auch im Winter ihre vier, fünf Stunden, wenn es das Wetter zuließ. Aber die mussten das auch und waren es gewohnt.“ Alle, die nicht müssen, sollten sich fragen: Ist es wirklich nötig, im Januar bei Regen vier Stunden draußen zu fahren oder reicht weniger? „Es kommt auf das Ziel an, aber mehr als zwei Stunden auf dem Rad müssen es bei den meisten im Winter nicht sein“, sagt Grospitz. Lauftraining dagegen ist theoretisch immer draußen möglich. Dabei könnte einem lediglich der Untergrund einen Strich durch die Rechnung machen, wenn Schnee und Glatteis das Training erschweren. Ansonsten spricht aber nichts dagegen, im Winter auch längere Strecken in Laufschuhen zurückzulegen. Das schafft eine gute Ausdauergrundlage auch für die anderen Disziplinen und ist manchmal unerlässlich, etwa bei der Vorbereitung auf einen Frühjahrsmarathon.
ENERGIEBEDARF
Was man aber nicht vergessen darf: Outdoor-Training bei kühlen Temperaturen ist eine zusätzliche Belastung für den Organismus. „Bei Kälte benötigt der Körper viel Energie, um die optimale Temperatur in seinem Innern zu halten“, erklärt Dr. Milan Dinic, Sportmediziner und Kardiologe aus München. „Frieren beschleunigt den Abbau von Glykogen, das in der Leber und in den Muskeln zur Energieversorgung bereitgestellt wird.“ Entsprechend hoch ist beim Wintertraining der Kalorienverbrauch. „Studien haben bewiesen, dass sich beim anhaltenden Frieren die Fettverbrennung verdoppelt und die Oxidation von Kohlenhydraten sogar um das Siebenfache steigt“, so Dinic. Das heißt für Wintersportler: lieber einen Energieriegel mehr in die Trikottasche packen. Auch den Wasserhaushalt beeinflusst das winterliche Wetter. „Bei kühlen Temperaturen muss man öfters Wasser lassen“, erklärt Dinic. „Weil man zudem aufgrund der eher trockenen Winterluft über die Atmung mehr Flüssigkeit verliert als im Sommer, ist es auch bei Kälte wichtig, unterwegs regelmäßig zu trinken“, erklärt Dinic. Also nicht ohne Radflasche losfahren!
DURCHBLUTUNG
Zwar wirkt die Muskelarbeit der Beine beim Fahren wie ein inneres Heizkraftwerk. Dennoch reagiert der Körper unterwegs so, wie er immer auf Kälte reagiert: Um die Wärme in der Körpermitte zu halten und lebenswichtige Organe wie Herz und Lunge zu schützen, reduziert er die Blutzufuhr an der Hautoberfläche und in den Extremitäten, vor allem auf dem Rad. „Das Resultat sind eiskalte, gefühllose Hände und Füße und damit das Risiko einer schlechteren Radbeherrschung“, erklärt Dinic. „Insbesondere das Bremsen und Schalten wird mit kalten Händen schwieriger und die Unfallgefahr steigt.“ Das Ziel ist also, Hände und Füße bei Winterfahrten möglichst lange warm zu halten. Das sichert Studien zufolge auch die Durchblutung der Nasenschleimhäute, was wiederum die Infektabwehr verbessert.
Leichenfinger: das Raynaud-Syndrom Bis zu 20 Prozent der Erwachsenen – Frauen viermal häufiger als Männer – leiden unter dem Raynaud-Syndrom. Es handelt sich dabei um eine Durchblutungsstörung vor allem in den Fingern, die bei Kälte plötzlich blass und taub werden und erst nach einer Weile wieder die gewohnte Farbe annehmen. Die Krankheit, die der französische Arzt Maurice Raynaud erstmals beschrieb, heißt umgangssprachlich „Weißfingerkrankheit“ oder einfach „Leichenfinger“. Zugrunde liegt vermutlich eine Fehlregulation der Nervenfunktion, die bewirkt, dass sich die Gefäße als Reaktion auf einen Kältereiz krampfartig zusammenziehen. Bereits bei Temperaturen knapp unter zehn Grad oder schnellen Temperaturwechseln können die Anfälle auftreten. Viel tun kann man nicht – Betroffene sollten nicht rauchen, feuchte Kälte meiden und mit regelmäßigem Fingertraining ihre Durchblutung verbessern. Beim Rennradfahren sollten sie ganz besonders darauf achten, die Hände warm zu halten. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Angiologie
Der Puls sei beim Trainieren in der Kälte übrigens oft niedriger als bei gleicher Belastung im Sommer, ergänzt Sportmediziner Dinic: „Das liegt daran, dass die Energie, die durch die Bewegung entsteht, den Körper aufheizt und er dadurch weniger Aufwand in die Wärmeregulation zu stecken braucht. So muss das Herz weniger pumpen.“ Der Arzt rät nicht allen, den ganzen Winter über auch harte Einheiten draußen zu absolvieren. „Menschen mit empfindlichen Bronchien sollten sich bei Kälte vor intensiven Belastungen im Freien hüten. Die kalte Luft, die jeder ab einer bestimmten Trainingsintensität automatisch durch den Mund einatmet, reizt die Bronchien. Sportler mit einem besonders sensiblen Bronchialsystem reagieren dann mit einer akuten Bronchitis oder sogar mit Asthma.“ Triathleten, die schon wissen, dass sie kälteinduziertes Asthma haben, sollten „lieber nichts riskieren“ und besser auf der Rolle oder dem Laufband trainieren. „Tiefe Mundatmung sollten bei extremer Kälte alle vermeiden, um die Bronchien zu schonen.“
Kein Sport bei Infekten: Bei Erkältungen oder anderen Infekten herrscht Sportverbot. Ganz besonders, wenn die Einnahme von Antibiotika erforderlich ist. Wer trainiert, obwohl er kränkelt, riskiert erstens, dass sich die Infektion verschlimmert – egal, ob die Einheit draußen oder drinnen stattfindet. Zweitens kann es passieren, dass sich der Krankheitserreger an den Herzklappen festsetzt und eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung verursacht. Wirksam ist ein Training im angeschlagenen Zustand ohnehin nicht. Also lieber ausruhen und ein paar Tage später frisch wieder einsteigen!