DIE SZENEMACHER

Hannes Blaschke (Foto: ueberall.eu)
Hannes Blaschke (Foto: ueberall.eu)

Als Triathlet und erster Deutscher unter den Top 10 beim Ironman Hawaii prägte Hannes Blaschke (HB) in den vergangenen knapp 40 Jahren wie kein anderer Unternehmer und keine andere Persönlichkeit die deutsche Triathlonszene. Die authentische Frohnatur aus dem Allgäu ist jedem Triathleten ein Begriff, hierzulande und auch über die Landesgrenzen hinaus.

Von Trainingslager bis Wettkampf, von Hawaii bis Allgäu: Als Urgestein gilt er längst als Sprachrohr, Mitgestalter und Macher. Aber die Szene ist groß, und mittlerweile gibt es weitere Fädenzieher – weniger laut, eher im Hintergrund. So wie Christoph Fürleger (CF), der 2012 als Geschäftsführer und Mitinhaber in Hannes’ Unternehmen einstieg. Seitdem zeichnet auch er für Triathlon-Alltägliches verantwortlich. Ein Gespräch über den Triathlon im Wandel.

WIE ALLES BEGANN

Gänsehaut, Anspannung, Vorfreude – und die Gewissheit, es geschafft zu haben: Es ist wohl diese Gefühlsmixtur, die seit jeher Teilnehmer der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii erleben, wenn der ersehnte Race-Day auf der Triathlon-Insel im Pazifik endlich angebrochen ist und der Startschuss fällt. Emotionen, die für Hannes Blaschke so einmalig sind, dass er sich 1987 dazu entschließt, sie für alle Triathleten in Form eines Gruppen-Reisekonzepts erlebbar zu machen. Fast 40 Jahre später kann der umtriebige Sportenthusiast nicht nur auf sein Lebenswerk, sondern auch auf die Mitgestaltung eines Teils des Fundaments der deutschen Triathlon-Szene zurückblicken: vom Allgäu nach Hawaii!

Hannes, wie präsent ist Dir der 26. Oktober 1985?

HB: Jeder, der eine oder mehrere Langdistanzen gemacht hat, kann sich an jedes einzelne Rennen erinnern. Solch gewaltige Einschläge physischer und mentaler Natur sind einfach massiv. Besagten Oktobertag 1985 habe ich in ein Schächtelchen gepackt und mit einem rosa Schleifchen versehen. Inhalt jederzeit abrufbar! Leidenschaft, Rennverlauf, Schmerz, Freude, Euphorie – alles noch da.

Ist dies der Tag, der Dein Leben – rückblickend betrachtet – verändert hat?

HB: Wer glaubt, dass man nach einer Top-Ten-Platzierung in Hawaii als anderer Mensch aufwacht, der irrt. Die Gräten tun allen gleich weh. Die Freude, dass Dein „Gameplan“ aufgegangen ist, dass man Anerkennung und Wohlwollen in der Sportszene und auch darüber hinaus erntet, initiiert allerdings einen positiven Dominoeffekt. Für diesen Effekt werden die Weichen im Leben jedoch viel früher gestellt. So betrachtet, war der Tag vielleicht aber auch der Kick für den ersten Dominostein.

„Auf Hawaii hat alles auf sehr schräge und witzige Art begonnen – definitiv ohne Marktanalyse, dafür mit purer Emotion.“

Hannes Blaschke

Hinsichtlich seines Ziels „Ich werde Olympiasieger“ hatte Jan Frodeno nie einen Plan B. Hast Du jemals am Erfolg Deiner Vision gezweifelt? Hattest Du ein Fall-back in petto?

HB: Ein Plan B entwickelt sich zwangsläufig aus dem Verlauf heraus. Wir alle wissen doch, dass es erstens anders kommt und zweitens als Du denkst. Ich habe den Erfolg im Triathlon nie zum Lebensmittelpunkt erkoren, weder mental noch wirtschaftlich. Deshalb war ich vielleicht nie ein wirklich guter Profi. Für mich war der Sport immer die berühmte „schönste Nebensache der Welt“. Allerdings: Für meine Persönlichkeitsentwicklung von früher Kindheit an war der Sport aus heutiger Sicht die wichtigste Sache in meinem Leben.

Triathleten verbinden mit Dir und Deinem Unternehmen zuallererst Reisen zum Ironman Hawaii, erst danach folgen die Trainingscamps und weitere Angebote. Empfindest Du dies als Fluch oder Segen?

HB: Hawaii steckt im Firmennamen, und ja, auf Hawaii hat alles auf sehr schräge und witzige Art begonnen – definitiv ohne Marktanalyse, dafür mit purer Emotion. Ich denke, die meisten wissen, dass wir inzwischen ein breites Spektrum anbieten. Und wenn nicht: Es gibt Schlimmeres, als mit dem Nachnamen „Hawaii“ statt mit „Blaschke“ in den Köpfen der Leute zu stecken.

Wie kein anderer stehst Du für Euren Slogan „We care 4 you“. Was bedeutet diese kurze Aussage für Dich und Dein Team?

HB: Service ist und war immer der Punkt, an dem wir uns von anderen unterscheiden konnten. Flüge und Hotels buchen: Das konnten und können auch andere beziehungsweise inzwischen auch viele mit Handy. Gastfreundschaft, von Herzen gelebte Hilfe, Menschen verbinden und ihnen dabei helfen, ihren Traum zu leben: Was gibt es Schöneres? Wichtig ist uns dabei allerdings, dass es zwischen Geben und Nehmen keinen Unterschied gibt – Hauptsache es entsteht ein Flow. „We care 4 u“ haben wir seit Jahren durch „Creating Memories“ ergänzt. Denn: Was bleibt am Ende mehr als die Erinnerung?

HHT Trainingscamp Mallorca (Foto: ueberall.eu)
HHT Trainingscamp Mallorca (Foto: ueberall.eu)

Was treibt Dich jeden Tag von Neuem an? Wie motivierst Du Dich, wenn es einmal nicht so rund läuft?

HB: Seit dem Einstieg von Christoph Fürleger und dank des Rückhalts des ganzen Teams kann ich viel mehr Zeit im direkten Kontakt mit unseren Gästen und Athleten verbringen. Positives Feedback aus Camps oder Wettkampfreisen, Umarmungen an der Finishline des Allgäu-Triathlons, grandiose Feste bei der Grüntenstafette, eine Wahnsinns-Premiere mit über 2.200 Radsportlern beim Rad Race 120, das strahlende Lächeln eines Helfers – all das ist Motivation pur und erfüllt mich sowie uns alle im Team mit Glück und Stolz.

Was war seit Gründung Deines Unternehmens – aus beruflicher Sicht – Dein emotionalster Moment und welcher Dein herausforderndster?

HB: Puh … da ist es schwer, eine Rangliste zu erstellen. Sagen wir es so: Wenn Du in Hawaii oder auf Cozumel eine Gruppe am Flughafen abholst und im Bus ins Hotel bringst, herrscht oft Stille. Die Leute kennen sich nicht. Wenn Du die gleiche Gruppe zwei Wochen später im gleichen Bus zurückbringst an den Flughafen und auf der Fahrt Dein eigenes Wort nicht mehr verstehst, weil sich alle so viel zu sagen haben und sich beim Abschied in den Armen liegen, dann bin ich glücklich. „Mission accomplished!“ Herausfordernd war Corona und ist für mich persönlich die Führung eines Unternehmens mit mehr als fünf Personen. Aber dafür haben wir Christoph.

ENTWICKLUNG DES TRIATHLONSPORTS

Neues Material, neue Performance-Grenzen, neues Wissen und eine neue Generation: Der Triathlonsport befindet sich im Wandel. Durch Corona blieb kein Stein auf dem anderen. Gut so, sagen die einen, aufregend finden es die anderen. Aber was bedeutet das für Unternehmen, die in der Bubble nicht nur Spaß am Sport, sondern auch Existenzen sichern? Wie blicken sie auf neuen Wettbewerb, neue Rennen und neue Player? Fragen, die sich nicht zwangsläufig stellen.

2022 fanden nach zwei Jahren Pause in St. George und Kona zwei Ironman-Weltmeisterschaften statt, inklusive des auf zwei Tage ausgedehnten Rennens auf Hawaii. Ab 2023 werden in Nizza und auf Hawaii erstmalig auch räumlich getrennte Weltmeisterschaften ausgetragen. Wie siehst Du diese Strategie der Ironman Group?

HB: Aus sportlicher Sicht halte ich es für eine Katastrophe. Weniger aus Sicht der Profis, sondern aus Sicht der Age-Grouper. Die Quali-Plätze für Nizza gehen nicht recht weg – nicht einmal die Hawaii-Plätze für die Damen. Ein australischer Age-Grouper fliegt nach Kona zur WM, nicht aber nach Nizza. Das Frauenfeld in Kona wird im Vergleich zu vor Corona von 500 auf 2.500 verfünffacht. Und ja, sie werden beide Rennen voll bekommen. Aber wirklich mit den 2.500 besten Age-Groupern und Age-Grouperinnen der Welt? Die WTC ist dabei, den eigenen Markenkern, der immerhin beinhaltet, dass die Quali schwer zu holen ist, zu zerstören. Frauen- und Männerrennen zu trennen widerstrebt dem Zeitgeist und wird die Vibes auf Hawaii negativ beeinflussen.

Und aus unternehmerischer Sicht?

HB: Ebenfalls eine Katastrophe. Aber das will und kann ich der WTC nicht ankreiden. Es ist nicht deren Aufgabe, sich um unsere geschäftlichen Belange zu kümmern. Wohl aber hat die WTC eine gewisse Verantwortung für den Sport, den sie über das schnelle Geld stellen sollte, dem sie gerade hinterherrennt.

CF: Ich erkenne darin auch die Chance, dass wir uns als Unternehmen, aber auch als Team neu daran ausrichten und uns noch klarer darüber werden, was und wer wir sind. Ich würde sogar fast so weit gehen, zu sagen, dass mit jeder Entscheidung, die in den letzten Jahren seitens der Big Player im Veranstaltungsbereich getroffen wurde, umso deutlicher geworden ist, was uns antreibt. Nämlich Beständigkeit im touristischen Service und irgendwie auch Unaufgeregtheit, die man im Ausdauerbereich ebenso braucht. Wir verschließen uns den neuen Entwicklungen gegenüber nicht. Aber wir werden deswegen sicher nicht vergessen, woher wir kommen. Das sehe ich als große Stärke – und als Charakterzug des gesamten Sports, der ja nach wie vor zwischen Geburtsort Hawaii und Innovation auf allen Ebenen sämtliche Bälle und irgendwie auch Visionen jongliert.

Mit dem Challenge Roth, den Rennen der Challenge Family und den Veranstaltungen der PTO – inklusive des Collins Cup – und den kurzweiligen Rennen der Super League Triathlon gibt es für die Profis mittlerweile weitere Einkommensmöglichkeiten. Wird der Triathlonsport so langsam auch für den Profisport lukrativ?

HB: Ein paar wenige Athleten haben seit vielen Jahren gutes Geld verdient und können getrost dem triathletischen Lebensabend entgegenblicken. Die Kluft von Groß- zu Geringverdienern klafft aber leider immer noch. Hut ab vor der PTO, die hier mehr für den Profi-Mittelstand tut als die anderen. Die Hoffnung auf eine starke Profi-Gewerkschaft habe ich jedoch aufgegeben.

Und trotzdem steht der Ironman Hawaii immer noch ganz oben im Fokus der Öffentlichkeit. Wird sich das in Zukunft ändern?

HB: Hawaii bleibt Mythos – so wie Wimbledon eben Wimbledon bleibt. Kurskorrekturen werden kommen (müssen). Konkurrenz wird das Geschäft allerdings ebenso beleben. Bei der PTO kann man sich auf 100 Kilometern Weltklasse in zwei bis drei Stunden geben – fertig.

WETTKAMPFREISEN und TRAININGSCAMPS

Als Hawaii-Reisepartner der Ironman Group warst Du mit Deinem Team über 20 Jahre bei vielen europäischen Ironman-Veranstaltungen auf den Expos und bei den Award-Zeremonien vor Ort ein gern gesehener Gast. Ab diesem Jahr ist das nicht mehr der Fall. Was ist da passiert?

HB: Die WTC-Marketing-Abteilung steht auf „Global Partnerships“. Dass wir über viele Jahre mitgeholfen haben, die Marke Ironman in Europa zu etablieren, juckt bei einer Aktiengesellschaft niemanden. Und unseren Mitbewerber Nirvana aus UK, den neuen „Global Partner“, interessieren per Handschlag gemachte Abmachungen auch nicht. Also wurden wir rausgekickt. So wie damals, als ein gewisser Herr Denk das Ruder beim Ironman Frankfurt übernahm. Wir sind heute noch da, Herr Denk nicht mehr.

Was bedeutet das für Euer Geschäftsmodell, und was ändert sich für Eure potenziellen Kunden?

CF: Kern aller unserer Produkte ist, dass wir in unserem Team eine sehr große Leidenschaft für den Sport haben und für Athleten an jeder Stelle den Schritt mehr auch gehen. Für uns ändert sich daher erst mal nichts. Unsere Reise bleibt bestehen in der tollen Qualität, und wir werden über andere Kanäle auf unser Produkt aufmerksam machen.

HB: In 37 Jahren mussten wir uns des Öfteren neu erfinden. So beginnt auch diesmal etwas Neues. Im Klartext bedeutet das: Wir werden unsere Marketing-Strategie ändern und unser Portfolio an Reisen neu sortieren. Es bedeutet aber auch, dass für uns eine Tatsache dabei mehr denn je richtungsweisend sein wird: Triathlon ist mehr als Ironman. Und wir können auch mehr als Triathlon-Reisen, nämlich Events.

„Triathlon ist unsere Geburtsstätte, aber unser Zuhause ist die Welt des Sports!“

Christoph Fürleger

Du sagst es, die Triathlonwelt besteht – zum Glück – nicht nur aus Ironman-Rennen. Seit diesem Frühjahr seid Ihr auch Reisepartner der Professional Triathletes Organisation. Wie kam es dazu?

CF: Der Kontakt zu PTO-CEO Sam Renouf entstand tatsächlich aus der Szene heraus. Frank Wechsel vom TriMag hat uns mit Sam zusammengebracht. Für uns ist die Kooperation tatsächlich ein Schritt in Richtung Zukunft – und auch erneut die Möglichkeit, die Entwicklung des Sports aktiv mit all unserer touristischen Kompetenz mitzugestalten.

HB: Ja, eine Türe geht zu und eine andere auf. PTO will neben den großen Profirennen auch Age-Group-Rennen veranstalten. Allerdings ist das Interesse für Singapore bisher eher verhalten. Zu spät bekannt gegeben und falscher Zeitpunkt. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Aber da entsteht etwas Gutes.

Plant Ihr – neben den Ironman- und PTO-Rennen – in Zukunft auch Reisen zu weiteren interessanten Wettkampfdestinationen? Und wie sieht es mit anderen Sportarten aus, beispielsweise Marathon und Radfahren?

CF: Triathlon ist unsere Geburtsstätte, aber unser Zuhause ist die Welt des Sports. Wir sind mit unseren Laufcamps, Kooperationen mit Adidas Terrex im Trail-Bereich, im Radsport mit dem Rad Race 120 bereits jetzt sehr breit aufgestellt und werden die Bereiche auch weiter ausbauen.

Gruppetto Allgäu (Foto: ueberall.eu)
Gruppetto Allgäu (Foto: ueberall.eu)

Um bei Wettkämpfen erfolgreich abzuschneiden, ist ein gutes Training die Grundvoraussetzung. Aktuell bietet Ihr Camps auf Fuerteventura, Mallorca und im Allgäu an. Sind weitere Destinationen geplant?

CF: Wir wollen für jeden Sportler in unseren Hauptsportarten die passende Trainingsstätte haben. Wir sind bereits jetzt auf fast allen kanarischen Inseln, Mallorca, Kreta, Zypern und immer wichtiger auch ohne Fluganreise in Deutschland und Italien tätig. Wir wollen daher nur bedingt neue Ort dazunehmen, sondern vielmehr unsere Möglichkeiten noch besser für unsere Kunden darstellen.

Letzte Frage: Hannes, viele Deiner Gleichaltrigen denken mit Anfang 60 bereits an den wohlverdienten Ruhestand. Das mag ich mir bei Dir so gar nicht vorstellen …

HB: Ich habe mir an Weihnachten 2020 schwere Verbrennungen zugezogen. Der Heilungsprozess hat viel Energie gekostet – und mein Leben hat sich verändert. Der soziale und gesellschaftliche Aspekt meines Handelns steht mehr denn je im Mittelpunkt meines Tuns. Den Rest des Jobs lasse ich gerne hinter mir und mache Platz für Neues. Gitter beim Allgäu-Triathlon werde ich allerdings schleppen, bis ich sie nicht mehr heben kann!

Interview: Klaus Arendt
Fotos: ueberall.eu