Editorial: Das dicke Moppelchen …

IRONMAN World Championship
ST GEORGE, UTAH - MAY 07: Kristian Blummenfelt of Norway celebrates after crossing the finish line to win the 2021 IRONMAN World Championships on May 07, 2022 in St George, Utah. (Photo by Sean M. Haffey/Getty Images for IRONMAN)

Der souveräne Sieg des Norwegers Kristian Blummenfelt bei den diesjährigen Ironman World Championship in St. George veranlasste einen Facebook-Nutzer dazu, unsere Kurzmeldung mit den Worten „schade, dass Frodeno nicht dabei war, der hätte das dicke Mopppelchen in die Schranken gewiesen“ zu kommentieren.

Persönliche Anmerkungen zu politischen, gesellschaftlichen, sportlichen oder privaten Ereignissen mögen nicht immer den uneingeschränkten Zuspruch der Community erhalten, jedoch ist eine Kultur kontrovers geführter Gespräche – sofern sie nicht beleidigend, erniedrigend, diskriminierend oder menschenverachtend sind – ein wichtiger Teil der Interaktion. Ein respektvoll geführter Diskurs auf Augenhöhe öffnet gleichzeitig meist auch (zunächst) verschlossene Blickwinkel auf die Thematik. Leider sind sich viele „Kommentierer“ der Wirkung ihres Beitrags gar nicht bewusst. Sich mit der Aussage „das dicke Moppelchen“ auf dem Niveau einer Casting-Show zu bewegen, in der sehr schlanke Frauen als zu dick bezeichnet werden und somit ein falsches Bild von ihrem Körper vermittelt bekommen, sollte jene nicht unkommentiert bleiben.

Auch wenn zum Erreichen der Ziele das optimale Trainings- und Wettkampfgewicht bei sehr vielen Ausdauersportlern hoch im Kurs steht, ist zu bedenken, dass das „Gewicht machen“ ab einem gewissen Zeitpunkt auch krankhafte Züge annehmen kann. Ist es Ihnen wert, aufgrund einer „heruntergehungerten“ oder „überzogenen“ Wunschfigur und der damit einhergehenden möglichen Mangelernährung orthopädische und/oder organische Schäden in Kauf zu nehmen, anfälliger für Verletzungen zu sein oder schleichend in eine Anorexie zu schlittern? Dies zu erkennen, ist bei aller Begeisterung für unseren Sport nicht immer einfach und besonders herausfordernd, wenn man die „gut trainierte Konkurrenz“ sieht. Gerade labile und unsichere Menschen mit einem gestörten Verhältnis zu ihrer Figur fühlen sich – mit solchen „Moppelchen-Kommentaren“ im Hinterkopf – dann erst recht wie eine „fette Otter“, obwohl sie es überhaupt nicht sind. Es gibt einfach Menschen, die aufgrund ihrer Genetik nie einen flachen Bauch, geschweige denn ein Sixpack bekommen können. Schließen Sie Ihren Frieden mit Ihrer Figur, seien Sie stolz auf sich, auf Ihre Leistung! Unter Umständen wären Sie mit Ihrer vermeintlichen Idealfigur bei Weitem nicht so leistungsfähig und am Ende auch viel langsamer!

Apropos Kristian Blummenfelt. Der Norweger ist im Triathlonsport aktuell das Maß aller Dinge: Olympiasieger 2021. ITU-WTCS-Sieger 2021. Ironman-70.3-Weltmeister 2021. Ironman-Weltmeister 2022. Erster Sub-7-Finisher 2022. Leistungen, die in dieser Souveränität noch kein Triathlet vor ihm geschafft hat. Und all das innerhalb von einem Jahr. Mehr geht einfach nicht. Übrigens, Kristian Blummenfelt ist 28 Jahre jung, 1,77 Meter groß, 76 Kilogramm schwer und – bei einem BMI von 24 – normalgewichtig.

tritime-Ausgabe 4-2022

Bei diesem Kommentar handelt es sich um das Editorial der aktuellen tritime-Ausgabe. Interessiert? Dann schauen Sie sich doch einmal die Vorschau an.

Kommentar: Klaus Arendt
Foto: Sean M. Haffey | Getty Images for IRONMAN