Nach der Saison ist vor der Saison! Auch wenn Triathlon-Wettkämpfe mittlerweile das ganze Jahr möglich sind, dürfte für den Großteil der deutschen Szene das Jahr gelaufen sein.
Jetzt heißt es analysieren und planen. Was lief gut in der Saison, wo gibt es Potenziale für Verbesserungen? Was sind meine Ziele für das nächste Jahr? Gibt es gesundheitliche Probleme? Gab es Überlastungsbeschwerden? Wie sieht meine private Lebensplanung aus?
In diesem Artikel soll im Wesentlichen auf die Regeneration eingegangen werden. Das Wort kommt aus dem Latein und bedeutet „Wiederherstellung“ beziehungsweise „Neuentstehung“. Im Gegensatz zu einem Auto, das mit zunehmender Kilometerleistung an Wert und Funktion verliert und in einer Werkstatt wieder auf Vordermann gebracht werden muss, wird der menschliche Organismus – den Prozess der Alterung mal ausgeschlossen – normalerweise immer leistungsfähiger. Viele Dinge werden auch selbst „repariert“. Doch dafür sind bestimmte Vorrausetzungen nötig. Und dazu zählen eben auch das soziale Umfeld und die private Lebensplanung. Kommt es hier zu zusätzlichem Stress, ist die Wiederherstellung eingeschränkt. Eine anstrengende Wettkampfsaison führt zur Ermüdung dreier Systeme: Es gibt eine zentrale Ermüdung, eine periphere und eine strukturelle.
Die zentrale Ermüdung
Die zentrale Ermüdung kann man noch einmal in eine zentrale Gehirnermüdung und eine psychische Ermüdung aufteilen. Eine richtige Grenze kann hier aber nicht gezogen werden, weil das Gehirn ja auch für unsere psychische Befindlichkeit zuständig ist. Gehirnforscher haben festgestellt, dass es nach intensiver Belastung zu Strukturveränderungen im Gehirn kommt. Die Folgen hiervon sind: Koordinationsstörung und damit auch verbunden eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit, verminderte motorische Lernfähigkeit und eine verminderte sportliche Leistungsfähigkeit verursacht durch eine reduzierte Gehirnaktivität. Unmittelbar damit verbunden sind psychische Veränderungen mit Antriebsstörung, Anhedonie (Unfähigkeit sich zu über normale Dinge zu freuen) und Stimmungsschwankungen. Manchmal kommen sogar noch Schlafstörungen hinzu. Interessanterweise sind dies die Hauptsymptome einer Depression. Und in der Tat: Halten die beschriebenen Beeinträchtigen länger als drei Monate an, spricht man zumindest man einer depressiven Episode.
Aber warum wird die zentrale Ermüdung an erster Stelle beschrieben? Ganz einfach: Sie kommt viel häufiger als die periphere und strukturelle Ermüdung vor. Vor allem aber wird sie schwerer erkannt. Aus diesem Grund ist es immens wichtig, nach der Saison vom Triathlonsport mal richtig abzuschalten. Macht andere Dinge, kümmert Euch um Eure sozialen Kontakte, ruft Kumpels an, bei denen Ihr Euch schon lange melden wolltet. Geht mal ins Kino, in die Disco, auf Partys. Kümmert Euch um Eure Familie, die schließlich das ganze Jahr wegen des Sports Einschränkungen hingenommen hat. Kurzum kümmert Euch um Dinge, die während der Saison zu kurz gekommen sind. Probiert doch einfach mal andere Sportarten aus: Geht zum Raften, Klettern. Macht mal eine Bergwanderung oder trefft Euch mit Euren Vereinsgenossen zum Fußball oder Hockey. Und da sind wir auch schon beim Stichwort „periphere Ermüdung“.
Die periphere Ermüdung
Unter einer peripheren Ermüdung versteht man eine verminderte Leistungsfähigkeit vor allem des Übergangs „Nerv auf Muskel“ (motorische Endplatte) und der Muskulatur. Ursächlich hierfür sind Veränderungen im Hormonsystem, im ph-Wert und in der Substratverarmung im Sinne einer verminderten Aufnahmefähigkeit an Kohlehydraten und Elektrolyten. Die Symptome sind ähnlich wie am Ende eines Rennens, nur dass sie länger andauern. Wichtig in der Regeneration ist hier der Verzicht auf Einheiten im GA2-Bereich. Lockeres Traben ist weiterhin erlaubt. Aber gerade auch ganz kurze Sprints und Antritte- auch im Wasser- sind nicht nur erlaubt sondern auch notwendig. Aber Achtung: Nicht zu früh. Denkt an die zentrale Ermüdung.
Die strukturelle Ermüdung
Unter einer strukturellen Ermüdung versteht man Veränderungen in Muskel, Sehnen, Bändern und Gelenken. Die Zwischensaison kann man hervorragend nutzen, um Verletzungen und Überlastungen auszukurieren. Nicht immer muss hier der Arzt oder Physiotherapeut aufgesucht werden. 2013 wurde in einer norwegischen Studie das Verletzungsmuster an Triathleten untersucht. Hauptsächlich betroffen sind Knie, Unterschenkel, unterer Rücken und Schultern. Wenn Beschwerden schon länger als 4 Wochen andauern macht es Sinn, zur weiteren Diagnostik einen Arzt aufzusuchen. Circa 75 Prozent der Beschwerden sind rein überlastungsbedingt. Hier konnten weitere Studien zeigen, dass es keinen Unterschied zwischen Triathleten auf der Langdistanz und der Kurzdistanz gibt. 62 Prozent betreffen den Laufbereich, 34 Prozent den Radbereich. Ursächlich für viele Beschwerden sind muskuläre Dysbalancen. So liegen die Hauptgründe in schwachen Rumpf-Rotatoren (u.a. schräge Bauchmuskeln) und diversen Verkürzungen. Hier ist hauptsächlich der Hüftbeuger betroffen. Da dieser eine Hüftbeugung und Rotation zur aktivierten Seite macht, kann dieser gut gedehnt werden, indem man die Hüfte überstreckt und eine Rotation zur Gegenseite durchführt. Warum nicht einen guten Physiotherapeuten aufsuchen, der mit dem Athleten versucht, muskuläre Dysbalancen aufzudecken? Gleichzeitig kann dieser zu entsprechenden Übungen anleiten.
Aktuell im Gespräch sind Verfilzungen von Muskelfaszien. Diese sollten eigentlich das ganze Jahr hindurch verhindert werden. Faszienrollen und diverse Übungen sind hier förderlich. Ihr seht: Nach der Saison ist vor der Saison. Es gibt einiges zu beachten. Das wichtigste aber: Bleibt locker! Seht alles nicht zu verkrampft. Habt Spaß an dem, was Ihr macht. Schaltet mal vom Triathlon ab, damit Ihr danach mit vollem Elan wieder angreifen könnt. Schließlich ist Triathlon die schönste Nebensache der Welt.
Text: Dr. Christoph Simsch
Foto: Delly Carr | triathlon.org
Dr. med. Christoph Simsch, niedergelassener Arzt in einer allgemeinmedizischen Praxis mit sportmedizinischem Schwerpunkt in Stimpfach bei Crailsheim/Baden-Württemberg ist Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin. Der aktive Triathlet Dr. Simsch, der auch zum Anti-Dopingbeauftragten des Baden-Württembergischen Triathlonverbandes berufen wurde, betreibt seit über 30 Jahren Leistungssport. Seinen ersten Triathlon finishte der Mediziner 1985. Der vielfache Langdistanz-Finisher mit einer Bestzeit von 9:03 Stunden nahm dreimal bei den Ironman-Weltmeisterschaften auf Hawaii teil. Dr. Simsch ist Mitinhaber von SMC, einem Institut zur mobilen Leistungsdiagnostik.