Karsten Pfeifer – Step by Step zurück ins Leben

Karsten Pfeiffer mit seinem neuen AdaptivbikeSeit knapp eineinhalb Jahren berichtet der ehemalige Triathlet Karsten Pfeifer über seine Querschnittslähmung und über sein Leben im Rollstuhl. Hier ein neuer Bericht über kleine Fortschritte und den zweiten Spendenlauf in Sigmaringen. 

 

Im Mai 2016 kollidierte Karsten Pfeifer während eines Mitteldistanztriathlons bei Graz auf dem Rad unverschuldet mit einem Auto, das ihm die Vorfahrt nahm. Die tritime berichtete von dem Unfall und begleitet Karsten seither auf seinem Weg.
Der 44-Jährige ist ab dem ersten Brustwirbel komplett querschnittgelähmt, das heißt er kann von der Brust abwärts keinen Muskel bewegen und hat in diesem Bereich keinerlei Empfindungen. Im März wurde er aus dem Krankenhaus entlassen. Heute berichtet Karsten von seinem ersten Sommer zuhause.

Adaptivbike ohne Fahrer

Pünktlich zum Sommerbeginn im Juni wurde mein Adaptivbike geliefert. Das ist ein Antriebsrad mit Handkurbel, das vorne an den Rahmen eines Rollstuhls gespannt werden kann. Aber statt mich an den ersten Ausfahrten zu erfreuen, fand ich mich in kurzer wöchentlicher Abfolge über den Sommer hinweg immer wieder auf dem Bauch liegend ans Bett gefesselt. Schuld waren die wiederkehrenden Harnwegsinfekte und Hautverletzungen am Kreuzbein beziehungsweise am Gesäß. Die ständigen Unterbrechungen waren für mich mental schwierig. Schon während des zehnmonatigen Krankenhausaufenthalts musste ich viel liegen. Das ich in dieser Phase nicht komplett im Selbstmitleid versank verdanke ich hauptsächlich meiner Lebensgefährtin Silvia, die auch mit dieser Situation zuversichtlich umging.

Highlight: Erste Kurzreise

Silvia war auch der wesentliche Treiber trotz dieser Unwägbarkeiten, die erste Kurzreise in Angriff zu nehmen. Wir fuhren von München mit dem Zug nach Kiel und von dort mit einem Mietwagen an die Nordsee und Ostsee. Auf dieser ersten Reise durften wir Kuriositäten erleben, wie verschlossenen Behindertentoiletten im Zug, einem völlig ungeeigneten „behindertenfreundlichen“ Hotelzimmer oder der falsch positionierten Hebebühne beim Umsteigen am Hamburger Hauptbahnhof. Unschön war ein Zwischenfall gleich am ersten Morgen im Badezimmer unseres Hotelzimmers, bei dem meine sechs Monate alte Narbe am Kreuzbein aufriss. Die damit verbundene Lektion werde ich nie vergessen. Alles in allem verlief die Reise gut und hat mir gezeigt, auf was ich bei künftigen Reisen im Vorfeld noch genauer achten muss.

Kurswechsel – neues Therapieprogramm

Da mir auch die Ärzte nicht nachhaltig weiterhelfen konnten um meine Baustellen (Darm, Blase, Haut) in den Griff zu bekommen, schlug ich eine andere Richtung ein. Wir testeten ein anderes Sitzkissen und ich begab mich in die Hände einer KPNI ( klinische Psycho-Neuro-Immunologie ) spezialisierten Ärztin, mit der ich unter anderem meine Ernährung umstellte. Das Kissen verbesserte dramatisch meine Hautsituation, die paleo-orientierte Ernährung sowie weitere Maßnahmen wirkten sich sehr positiv auf meine Verdauung aus. Das versetzt mich seit August endlich in die Lage, konstant in Bewegung zu bleiben und das Therapieprogramm durchzuführen. Einzig die undichte Blase, wegen der ich demnächst noch mal ins Krankenhaus muss, macht mir weiter Schwierigkeiten.

Triathlet Karsten Pfeifer in seinem Rollstuhl

Innovative Therapieideen

Mein Therapieprogramm absolviere ich dreimal wöchentlich. Es besteht aus Physiotherapie, medizinischem Krafttraining und Massage. Sobald meine Blasenbaustelle behoben ist, wird noch Wassertherapie dazukommen. Diese Maßnahmen zielen vor allem auf das Fitmachen im Rollstuhl ab. War das Anfangs mein primäres Ziel, denke ich mittlerweile wesentlich weiter. So habe ich zum Beispiel einen Übungstipp einer ebenfalls querschnittgelähmten Spitzensportlerin aufgegriffen, mit dem ich versuche, den Bauchraum zu stimulieren. Bei ihr hat es irgendwann tatsächlich dazu geführt, ihre Bauchmuskeln wieder teilweise aktivieren zu können. Und das entgegen aller ärztlicher Prognosen. Manchmal muss man Dinge einfach ausprobieren, um zu sehen, ob sie bei einem selbst anschlagen.

Fahrtwind um die Nase

Endlich wieder Fahrtwind im Gesicht. Das war der erste Gedanke während meiner Jungfernfahrt mit dem Adaptivbike. Da mir noch Kraft fehlt, um das 20 Kilo schwere Anhängsel auf Dauer anzutreiben, muss ich immer wieder die Kraftunterstützung zuschalten oder kurze Rollpausen einlegen. Schließlich wartet am Ende einer jeden Fahrt ja noch der Transfer zurück in meinen Alltagsrollstuhl. Der erwähnte Fahrtwind ist eher ein kleines Lüftchen, denn auf mehr als 25km/h bekomme ich das Gespann kurzzeitig noch nicht beschleunigt. Auf alle Fälle macht es Spaß, den Bewegungsradius zu vergrößern und die Gegend zu erkunden.

ALZ Sigmaringen veranstaltet zweiten Spendenlauf

Am 15. Oktober findet in Sigmaringen neben dem Halbmarathon der zweite Spendenlauf, organisiert von meinem Freund Torsten Deuter vom ALZ Sigmaringen statt. Dieses Jahr werde ich selbst vor Ort sein und plane, die fünf Kilometer lange Strecke mit dem Rollstuhl bei trockenen Bedingungen zu bewältigen. Torsten und ich freuen uns auf möglichst viele Teilnehmer und Zuschauer an der Strecke.

Never Stop Burning

Dieser Gedanke leitete mich bereits vor meinem Unfall. Ich war stets bestrebt, mich zu verbessern und habe dabei viele Steine umgedreht. In der jetzigen Situation ist das nicht anders. Nur die Visionen haben sich zwangsläufig verändert. Bis vor kurzem war mein Fokus stark auf das hier und jetzt gerichtet. Das hat sich durch zwei Gegebenheiten schlagartig geändert. Was das war? Darüber werde ich als nächstes berichten.

Euer Karsten

 

Text: Kasten Pfeifer
Foto: privat