Training in der Höhe – Wenn die Luft dünner wird

Was bringt Triathleten ein HöhentrainingslagerWas genau ist Höhentraining, wie fuktioniert es und was gilt es zu beachten. Und die wichtigste Frage dabei ist, wirkt sich Training in der Höhe bei jedem Sportler mit einem positiven Effekt aus? All das beantwortet Sportwissenschaftler Dennis Sandig.

 

Wer kennt es nicht: Kaum ist der typische Flachlandbewohner in den Alpen angekommen, geht ihm auch schon bei geringster Anstrengung die Puste aus. Das liegt nicht an einem plötzlichen Formverlust, sondern ist allein der Höhe geschuldet, denn hier ist so einiges anders als auf Meereshöhe. Diese Effekte sind in vielen Ausdauersportarten als „Höhentraining“ bekannt und werden mittlerweile nicht allein nur im Leistungssport genutzt, um die Leistungsfähigkeit oder die Stoffwechselfunktion zu verbessern.

Reiseziele in der Höhe und auch Höhentrainingssysteme, die beispielsweise in Fitnessstudios verfügbar sind, richten sich auch an Freizeitsportler, die abnehmen wollen oder auch ihre Ausdauer steigern möchten. Aber was genau bringt uns Triathleten zu so etwas, und wie wird ein Höhentrainingsaufenthalt überhaupt zum Erfolg?

Ab in die Berge

Seit annähernd 50 Jahren wird das Höhentraining in vielen verschiedenen Ausdauersportarten als Stimulus eingesetzt. Dabei sind auf der ganzen Welt Orte bekannt, in denen durch die Höhenexposition legale Leistungssteigerungen erzielt werden können. Nach wie vor allerdings sind viele Aspekte des Höhentrainings unklar und auch kritisch in der Diskussion. So konnten in den letzten Olympiazyklen insbesondere die deutschen Schwimmer – gemessen an den Ergebnissen bei wichtigen Wettkämpfen und Meisterschaften – nicht immer von den durchgeführten Höhentrainingslagern profitieren. Hinzu kommt, dass auch Trainingsempfehlungen von Experten nicht einheitlich ausfallen. In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion werden auf Basis diverser Studienergebnisse sogar einige Annahmen zum Höhentraining komplett hinterfragt.

Höhentraining – aber wie?

Zum Höhentraining gibt es viele unterschiedliche Konzepte, wie genau ein Training oder der Höhenaufenthalt am besten wirken. Einmal kann der Athlet in der Höhe schlafen und auch in der Höhe trainieren. Dann gibt es die Möglichkeit, dass der Athlet nur in der Höhe schläft beziehungsweise übernachtet und auf normaler Höhe trainiert. Bislang eher weniger verbreitet, ist die Möglichkeit, allein in der Höhe zu trainieren und im „Flachland“ zu schlafen. In der Fachsprache spricht man von „Live High – Train High“, „Live High – Train Low“ und „Live Low – Train High“. Daneben kennt man auch die „intermittierende“ Höhenexposition, wenn beispielsweise Höhenzelte oder andere Höhensimulatoren verwendet werden.

Warum gibt es diese verschiedenen Konzepte?

Vergleicht man eine Trainingseinheit in der Ebene mit einer Einheit in der Höhe, so wirken diese unterschiedlich. Während in der Ebene ein Lauftraining mit einer Laufgeschwindigkeit von 5:00 min/km ein lockerer GA1-Dauerlauf für Profis ist, kann dieselbe Laufgeschwindigkeit unter Höhenbedingungen bereits wie ein GA2-Training wirken. Das bedeutet, dass eine Belastung im Rahmen von „Train High“ intensiver ist als eine identische Belastung in der Ebene. Hinzu kommt, dass die Trainingsschwerpunkte in der Höhe eher im Bereich der verbesserten Grundlagenausdauer liegen müssen und intensives Training eher negativ auf die erwünschten Anpassungen wirken kann. Diese Aspekte versuchen einige Sportler zu umgehen, indem sie das Training in die Ebene legen und in der Höhe schlafen. „Live High – Train Low“ kann also als Konzept mit anderen Intensitäten umgesetzt werden als das Training in der Höhe.

Was passiert im Körper?

Prozentual ist in der Höhe genauso viel Sauerstoff vorhanden wie in der Ebene. Die Zusammensetzung der Luft ist also dieselbe. Allerdings ist der Luftdruck in der Höhe viel geringer als auf Normalnull. Damit verändert sich der Teildruck, den die einzelnen Gase im Raum einnehmen. Der Experte spricht an dieser Stelle von einem verringerten Partialdruck für Sauerstoff oder Stickstoff und Kohlendioxid. In der Höhe ist also nicht „weniger Sauerstoff“ vorhanden, sondern aufgrund des Luftdruckes nimmt insgesamt der Teildruck aller Gase in der Atemluft ab. Der daraus resultierende Effekt ist, dass im Blut weniger Sauerstoff transportiert wird, sodass im Körper die Bildung von roten Blutkörpern angeregt wird. Durch die höhere Anzahl steigt auch die Menge des Farbstoffes Hämoglobin. Dieser bindet den Sauerstoff an die roten Blutkörperchen, sodass eine erhöhte Masse dazu führt, dass mehr Sauerstoff im Blut transportiert werden kann. Bei später folgenden Wettkämpfen unter normalen Höhenbedingungen und normalem Luftdruck kann dadurch effektiv mehr Sauerstoff transportiert werden. Neben der Hämoglobinmasse steht deshalb immer auch die maximale Sauerstoffaufnahme im Fokus, wenn es um Effekte durch den Höhenaufenthalt geht. Dabei schließt sich wieder der Kreis zu den eingangs erwähnten Unterschieden in der Ausführung des Höhentrainings: Ist das Training in der Höhe wichtig für den Effekt, oder reicht der Aufenthalt, also das Schlafen und Wohnen in der Höhe, aus?

Trainersicht und Trainerfragen

Wenn Ihnen diese Erklärungen jetzt zu sehr in die Tiefe gingen und Sie sich fragen, ob die biologischen Erklärungen nun unbedingt verstanden werden müssen, haben Sie nicht ganz unrecht. Für Trainer und Athleten steht vielmehr im Vordergrund, ob die Leistung gesteigert werden kann und nicht, welche physiologischen Anpassungen zugrunde liegen. Für das Erstellen eines Trainingsprogramms ist es dennoch wichtig, zu verstehen, was im Körper vorgeht. Beispielsweise kann die durch die Höhe gesteigerte Intensität eine Wirkung erzeugen, die unabhängig von roten Blutkörperchen zu einer Leistungssteigerung führt. Einfach weil „härter“ trainiert wurde. Ob diese Form dann auch stabil gehalten werden kann, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Hinzu kommt, dass es wie so oft eben viele verschiedene Faktoren gibt, die den Erfolg beeinflussen. Neben genetischen Faktoren und dem Trainingszustand haben auch die Ernährung inklusive der Eisenaufnahme und die Regeneration einen Einfluss auf die Ergebnisse eines Höhentrainings. So gibt es auch Menschen, die grundlegend nicht auf ein Höhentraining reagieren. Auch wenn schon einmal gute Erfahrungen mit spürbaren Effekten im Anschluss an den Höhenaufenthalt gemacht wurden, kann es sein, dass bei weiteren Versuchen keine Effekte mehr spürbar sind.

Aufpassen

Neben der Tatsache, dass ein Mensch aus genetischen Gründen nicht auf einen Höhentrainingsreiz reagiert, ist eben auch die richtige Durchführung eine wichtige Voraussetzung. Wird ein Trainingslager in zu großer Höhe durchgeführt, drohen sogar gesundheitliche Gefahren von Kopfschmerzen bis zu handfesten Höhensyndromen. Das Training darf in der Höhe nicht zu intensiv sein und sollte eher auf die Umfänge konzentriert werden. Für Sie als Athlet sollte deshalb gelten, dass Sie beim Beenden des Trainings das Gefühl haben, dass Sie eigentlich noch mehr hätten machen können.

Wie hoch?

Das Durchführen eines Höhentrainings – unabhängig vom Konzept – sollte sich auf Höhen zwischen 1.800 und 2.800 Meter konzentrieren, wobei die Dauer zwischen zwei und vier Wochen liegen sollte. Das absolute Minimum für einen angepeilten Effekt liegt bei zehn Tagen Aufenthalt in der Höhe. Im leistungssportlichen Einsatz haben sich zudem Höhenketten als wichtige Grundlage für den Erfolg eines Höhentrainings herauskristallisiert. Dabei werden in der Jahresplanung mehrere Höhenaufenthalte eingeplant. Für Trainer ist dabei wichtig, die Planung strukturiert anzugehen und die Periodisierung des Trainings als Gesamtsystem zu verstehen, bei dem alle Faktoren vom Zielwettkampf ausgehend berücksichtigt werden: Intensität, Umfänge und die Höhenaufenthalte gilt es, in einem Jahresplan optimal aufeinander abzustimmen. Einfach planlos in die Höhe zu fahren und zu hoffen, dass das etwas bringen wird, ist blauäugig und wird nicht von Erfolg gekrönt werden. Das geht soweit, dass manche Empfehlungen dahin gehen, dass die Höhenaufenthalte nicht allein für ein Jahr geplant werden sollen, sondern bereits in der Karriereplanung eines Athleten in langfristigen Mehrjahreskonzepten eingeplant werden sollten.

Ernährung und Höhe

Die verschiedenen Bedingungen des Höhentrainings erfordern auch das Abstimmen der Ernährung für den Zeitraum des Aufenthaltes in der Höhe. Von Einschränkungen der Energieaufnahme mit dem Ziel, Gewicht zu reduzieren, ist beim Höhentraining absolut abzuraten. Dieser zusätzliche Stress und das Entleeren der Kohlenhydratspeicher wirken dem Höhentrainingseffekt entgegen. Ihr Höhentrainingslager ist also nicht die beste Zeit, um am Wettkampfgewicht zu arbeiten. Neben der Energiezufuhr ist aber auch die Eisenaufnahme ein weiterer sehr wichtiger Aspekt in der Höhe. Das australische Sportinstitut empfiehlt deshalb, Koffein in der Höhe zu meiden, um die Eisenaufnahme nicht zu behindern. Die Gabe von 100 mg Eisen zusammen mit einer Vitamin-C-Quelle (Obst) wird als Voraussetzung für optimale Anpassungen gesehen. Ohne ausreichend Eisen leidet die durch die Höhe angestrebte Bildung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin.

Schlüsselpunkte

Das Höhentraining kann in vielen verschiedenen Variationen, Geländen und Belastungsformen durchgeführt werden. Je nach Dauer, Voraussetzungen beim Athleten und Einbau in die Gesamtplanung kann diese Trainingsform zu besonderer Leistungssteigerung zwischen ein und sechs Wochen im Anschluss an ein Höhentraining führen. Allerdings muss man festhalten, dass Leistungssteigerungen nicht automatisch mit einer gesteigerten Sauerstoffaufnahme oder einer höheren Masse des roten Blutfarbstoffes einhergehen. Die besten Effekte scheinen dann aufzutreten, wenn die Athleten während der Zeit des Höhentrainings viel und gut schlafen, ausreichend essen, unterhalb der Leistungsgrenzen trainieren und insgesamt ohne Stress im Trainingslager sind. Wichtig ist, zu wissen, dass Anpassungen schneller als erwartet auftreten können und dass bei einigen Athleten bis zum Erreichen der Höchstform mehr Zeit vergeht als bei anderen.

 

Dennis Sandig ist Sportwissenschaftler und hat nach seinem Studium an der Universität des Saarlandes und der Universität Würzburg gearbeitet. Als Fachautor hat der bei der Deutschen Triathlon Union angestellte Referent für Bildung Diskussions- und Forschungsbeiträge veröffentlicht und referiert unter anderem in der Traineraus- und -weiterbildung.

 

Fotos: livigno.eu