Spannungsnetzwerk Faszien

faszien_blackroll_1Unter Faszien versteht man im Allgemeinen das Bindegewebe unseres Körpers. Aber sie sind mehr als nur das sich unter der Haut befindliche und aus Wasser, Kollagen, Elastin und Zellen bestehende Bindegewebe.

 

Faszien bilden vielmehr ein Spannungsnetzwerk und ein System aus Gewebslagen unterschiedlicher Beschaffenheit und Dicke. Dabei werden die oberflächliche, die tiefe/myofasziale und die viszerale Faszienschicht unterschieden, die allerdings nicht getrennt voneinander betrachtet werden dürfen. Sie agieren vielmehr als Kommunikationsnetzwerk, das vielfältige Funktionen übernimmt.

Während die oberflächliche Schicht unserem Körper die Form gibt und eher aus lockerem Gewebe besteht, Fett und Wasser speichert und als autonomes Schutzschild der Immunabwehr fungiert, durchzieht und umgibt die myofasziale Schicht unsere Muskeln. Sie verbindet sich zu Sehnen und Fesseln und bildet die Gelenkkapseln. Diese Schicht ist fester, um Kräfte übertragen zu können. Darunter werden unsere Organe in dem viszeralen Fasziengebilde eingehüllt und geschützt. Um die Aufgaben dieser verschiedenen Schichten zu verstehen, gehe ich zunächst auf die Eigenschaften der Hauptbestandteile des Bindegewebes ein.

Wasser ist die Grundsubstanz unseres Körpers, es fungiert als Träger- und Austauschstoff und Füllmaterial. Allerdings variiert der Wassergehalt von Gewebe zu Gewebe. Knochen beispielsweise haben den niedrigsten Wassergehalt.

Kollagen ist äußerst zug- und reißfest, außerdem speichert es im gespannten Zustand Energie wie ein Gummiseil.

Elastin ist ebenfalls elastisch, jedoch braucht es wesentlich länger, um sich nach einer Dehnung in die Ausgangsposition zurückzubilden.

Alle übrigen Zellen in unserem Bindegewebe erfüllen wichtige Botenfunktionen an unser vegetatives Nervensystem. Dabei reden wir von Nervenzellen oder Mechanorezeptoren.

Diese Rezeptoren übernehmen an bestimmten Stellen des Bindegewebes unterschiedlichste Aufgaben. Im Sehnenübergang beispielsweise regulieren sie den Muskeltonus, andere wiederum sitzen in tiefen Faszienschichten, Bändern der Wirbelsäule und Gelenkkapseln, um über ein proprizeptives Feedback unsere Bewegungen zu steuern. Weitere sind verantwortlich für Schmerzen und haben einen Einfluss auf unsere vegetative Stimmung. Unabhängig davon, wo diese Rezeptoren im Bindegewebe „sitzen“, können sie mittels bestimmter Bewegungen beeinflusst werden, und das Spannungsnetzwerk in Balance halten! Diese vielfältigen Aufgaben zeigen, wie wichtig es ist, unser Bindegewebe durch ein fasziales Training zu pflegen.

Mehr Literatur zum Thema „Selbstmassage“ finden Sie beispielsweise hier:
Funktionelles Faszientraining mit der BLACKROLL

Bindegewebstraining
Ein erster sinnvoller Schritt für ein besseres Bindegewebe ist das Trinken von klarem Wasser, denn es durchspült unser Gewebe und transportiert Schlackestoffe ab, sodass sich die Matrix des Bindegewebes wie ein Schwamm wieder vollsaugen kann. Das Ergebnis ist eine schönere Haut, ein stabileres Immunsystem und eine höhere Vitalität. Allerdings wird hierdurch hauptsächlich die obere Faszienschicht positiv beeinflusst. Die für unsere Bewegungen zuständige tiefe, myofasziale Faszienschicht braucht zusätzliche Reize.

faszien_blackroll_5An dieser Stelle kommt die Blackroll oder Foamroll zum Einsatz. Durch das Abrollen und Techniken wie Shift, Friktion oder Contract-Release wird das Bindegewebe quasi wie ein Schwamm ausgedrückt. Danach kann es sich mit neuer Flüssigkeit regenerieren. Die Geschwindigkeit des Rollens und die Häufigkeit bestimmen dabei das Ergebnis. Rollen wir schneller, werden die Rezeptoren aktiviert und der Muskel wird auf die Belastung vorbereitet. Rollen wir sehr, sehr langsam und gehen auf die verspannten Stellen ein, wird der Tonus gesenkt und die Sensibilität beeinflusst. Nach 60–120 Sekunden sollte der Schmerz merklich nachlassen. Zusätzlich verbessert sich der Blutfluss, und die Ansteuerung der Muskulatur wird gesteigert.

Langfristig gesehen, können Sie mit diesem Training sogar den Kollagenaufbau und Abbau der Myofaszie beeinflussen. Rollen Sie jeden Tag, werden Kollagene aufgelöst und das Gewebe wird weicher und flexibler. Rollen Sie jeden zweiten bis dritten Tag, wird der aufbauende Prozess in den Zellen dominanter. Wird Kollagen aufgebaut, kann das Gewebe straffer und stärker werden, sodass es mehr Energie speichern kann. Allerdings handelt es sich hierbei um einen langfristigen Prozess, da die Umwandlung von Kollagen bis zu 500 Tagen dauern kann. Um also erste nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, sollten Sie ein bis zu 30-minütiges Bindegewebstraining über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr, mindestens ein bis dreimal pro Woche, durchführen.

Können Faszienschichten durch das Training mit der Rolle getrennt werden?
Verhärtungen, Verspannungen oder auch Knoten in der Muskulatur basieren auf Faszienschichten, die untereinander verklebt, verdreht oder vernarbt sind. Das Rollen macht auch an diesen Stellen das Gewebe eindeutig weicher. Der Einstieg in das Faszientraining mit der Rolle ist sanft und kann von fast jedem durchgeführt werden, es ist gut anzuwenden und benötigt ein wenig Zeit. Wissenschaftlich wurde jedoch noch nicht nachgewiesen, dass die Schichten mittels der „Rolle“ voneinander getrennt werden können. Hier sind andere manualtherapeutische Techniken dienlich. Dabei handelt sich um das Trennen des Gewebes mittels der Hand, auch Shearing genannt. Dabei wird mit festem Druck das Gewebe entlang der Schmerzstelle getrennt. Erfahrene Menschen können diese Technik auch mit der Rolle imitieren.

faszien_blackroll_2Im Mittelpunkt unseres Trainings steht die Myofaszie!
Um aber als Sportler das Bindegewebe belastungsstark für qualitative oder quantitative Belastungen zu machen, können Sie noch mehr tun. Die Myofaszie hat die Theorie von der Bewegung mittels kontrahierender Muskeln relativiert. Das feste Netz bewirkt vielmehr – ähnlich wie ein Kompressionsstrumpf um und in den Muskeln – eine optimale Kraftübertragung, damit Energie gespeichert und in Bewegung umgesetzt wird. Es sind also nicht mehr nur die Muskeln, sondern es ist auch unser Bindegewebe, welches eine entscheidende Rolle übernimmt, wenn es um kraftvolle oder ökonomische Bewegungen geht. Dabei werden die Kraftimpulse der Muskeln über die Faszienketten unseres Körpers weitergeleitet.

Unsere Sehnen und tiefe Myofaszien fungieren also als Kraftüberträger. Beim Laufen, Gehen, Springen, Werfen und vielen anderen Bewegungen im Alltag und Sport geht es um das Aktions-Reaktions-Prinzip. Mit einer Gegenbewegung wird eine kraftvolle Hauptbewegung (Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus) vorbereitet. Unsere Faszien laden Energie auf und entladen sich in der Bewegung. Umso kräftiger, beweglicher und geschmeidiger Ihre Faszien sind, desto besser können die Bewegungen ausgeführt und gesteuert werden. Trainieren Sie Ihre Faszien in speziellen Bewegungen, können Sie also nicht nur die Bewegungsqualität und Bewegungsquantität verbessern, sondern auch Verletzungen vorbeugen.

Auch Bindegewebe benötigt Regeneration
Ein Richtwert für die Regeneration von hochwertigem Bindegewebstraining sind 72 Stunden, weil dann wieder die kollagenaufbauenden Prozesse eingesetzt haben. Bereiten Sie Ihren Körper mit fließenden, dehnenden Bewegungen auf Hochleistungen vor und verbinden Sie zum Beispiel zweimal pro Woche Ihr Lauftraining mit dem Lauf-ABC und Ihr Krafttraining mit Sprüngen.

Sinnvolle Bewegungen
Betrachten Sie einmal die Primaten, wie sie von Baum zu Baum schwingen: Alle Gelenke ihres Körpers sind in Ihrem individuellen Ausmaß maximal beweglich, ihre Muskeln von schlanker und kraftvoller Natur. Durch das Schwingen und Springen ziehen sie immer wieder an ihrem sich anpassenden Fasziennetz und belasten es auf Zug und Druck.

Auch wenn der Mensch sein Fasziennetz über ursprüngliche, federnde und springende Bewegungen widerstandsfähiger und reißfester machen kann, werden Sie nicht von heute auf morgen zu schlanken, kraftvollen Muskeln und einem geschmeidigen Bindegewebe gelangen. Vielmehr kann durch das stetige Einfließen-Lassen von Sprüngen, Dehnungen, fließenden Bewegungen und federnden Abläufen unsere „Generation Schreibtisch“ wieder schwungvoller werden, so wie sie es in der Jugend war. Dabei ist wichtig, dass nicht die Quantität der Bewegungen zum gewünschten Erfolg führt, sondern die Qualität.

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Text: Meike Krebs-Gatzka
Fotos: Sebastian Gatzka

Meike Krebs-Gatzka studierte Sportwissenschaften mit den Nebenfächern Sportmedizin und Psychologie. Nach ihrer Karriere als Profitriathletin zeichnet sie im Bewegungswerk Stockach Verantwortung für die Konzeption, Ausarbeitung und Durchführung von Athletik-, Kraft-, Herz- und Kreislauftraining.