Das in Offenbach ansässige Zentrum für Bewegungsanalytik ist Ansprechpartner für zahlreiche Trainingswissenschaftler, Physiotherapeuten und Orthopäden. Dabei stehen bewegungsrelevante Fragen aller Art im Vordergrund, insbesondere bei sogenannten Return-to-Sports-Patienten mit beispielsweise Bänderrissen oder nach Operationen am Bewegungsapparat, die auf ihrem Weg zur symptomfreien Ausübung ihrer Passion begleitet werden.
In den vergangenen Jahren wurden jedoch auch zunehmend gesunde Menschen betreut, die mit mithilfe einer umfassenden Analyse nicht nur ihren Laufstil, sondern auch beim Rad- und Zeitfahren ihre Sitzposition optimiert haben. Insbesondere Triathleten – ganz gleich ob Einsteiger oder Profi – profitieren von den Erfahrungen der Bewegungsexperten, wie sie nicht nur beschwerdefrei trainieren, sondern auch unter Berücksichtigung der Vorbelastungen im Wettkampf in den einzelnen Disziplinen bestehen. Mit Christopher Mayer (39), Geschäftsführer des Sanitätshaus Schneider & Piecha und Leiter des Zentrums für Bewegungsanalytik, unterhielt ich mich in Offenbach. Mayer – selbst passionierter Triathlet – ist Orthopädietechniker-Meister, Sensomotorik-Therapeut, Techniker für Sportorthopädie, Sporttherapeut und zertifizierter Bewegungsanalytiker.
Christopher, welche Bedeutung haben für Dich die Begriffe „Team“ und „gemeinsam“?
Ein wichtiger Faktor sind die Experten aus den verschiedenen Bereichen, sodass wir Athleten und/oder Patienten gleichermaßen optimal versorgen können. Jenes ist bei Überschneidungen einzelner Sportarten und/oder Disziplinen umso wichtiger, schließlich kann nicht jeder Mitarbeiter bereichsübergreifend auf dem neuesten Kenntnisstand der aktuellsten sportwissenschaftlichen Erkenntnisse und interdisziplinären Analytik stehen kann. Diese Komplexität bewältigen wir gemeinsam als Expertengruppe, zumal wir viele Fälle gemeinsam bearbeiten und therapieren.
Welche Experten gehören zu Deinem Expertenteam?
Dem „inner circle“ des Zentrums für Bewegungsanalytik gehören an:
Jens Machacek Orthopädietechniker und Sportbiomechaniker mit dem Schwerpunkt Radsport,
Marcel Kempf Orthopädietechniker und Fitnesstrainer (A-Lizenz mit den Schwerpunkten individual- und personell Training sowie Bewegungsanalysen,
Vanessa Kilos B.A. Fitnesstraining mit den Schwerpunkten Bewegungsanalysen und Fitnesstraining und
Uwe Zocholl (Extern) Sportwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Leistungsdiagnostik und Trainingsplanung.
Welche (technischen) Hilfsmittel kommen bei den verschiedenen Analysen zum Einsatz, und warum?
Die Grundstrukturen der Bewegung, also das Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken, sind enorm wichtig, das ist mit ein Grund, warum wir immer statische und dynamische Aufnahmen machen. Fakt ist jedoch, und das zeigen die Untersuchungsergebnisse der vergangenen Jahre, dass die Dynamik immer die Statik schlägt. Auch haben wir festgestellt, dass gerade die Auswirkungen einer schlecht ausgebildeten Beckenmuskulatur vielfach unterschätzt werden. Das Becken ist und bleibt – und bei Triathleten noch viel stärker – der Dreh und Angelpunkt für einen beschwerdefreien Laufstil. Eine Fehlstellung im Becken, beispielsweise über eine Beinlängendifferenz, kann sich sehr schnell in den Rücken bis hoch zum Nacken, aber auch nach unten über das Knie bis zum Fuß auswirken. Ergänzend zu den üblichen Längen- und Abstandsmessungen erkennen wir anhand von Dehn- und Krafttests sowie Sprunganalysen unter Einbindung der Kraftvektoren sehr schnell, wie es um die muskuläre Stabilität des Sportlers steht. Wenn der Kunde dann noch mit einer Vorbelastung, beispielsweise einem 10-Kilometer-Trainingslauf in den Beinen, zu dem Termin kommt, umso besser. Neben dem geschulten Auge kommt bei der Gang- und Laufanalyse – barfuß und mit Laufschuhen und teilweise auch mit Straßenschuhen – natürlich auch jede Menge Technik zum Einsatz: Kraftmessplatten, Fußdruckmesssohlen, mehrere Videokameras und ein hochwertiges Laufband, die allesamt mit einer entsprechenden Software verbunden sind und bei der Auswertung der erhobenen Daten helfen. Auf Wunsch führen wir auch eine Wirbelsäulenvermessung durch, bei der das verwendete System die Auswirkung des Atemzyklus auf den Bewegungsablauf des Rückens berechnet. Wenn ich stattdessen das Augenmerk nur auf eine Stelle legen würde, beispielsweise auf eine suboptimale Fußstellung, könnte ich dem Kunden sicherlich Tipps geben und einen passenden Schuh anbieten, versäumte es aber, die Ursachen für diese Fehlstellung zu finden und zu beheben. Und die liegen – wie eingangs erwähnt – meist im Beckenbereich.
Zu Deinen Kunden gehören überwiegend Einzelsportler im Ausdauerbereich und Athleten/ Menschen in der Reha. Existieren auch Kooperationen mit Unternehmen, Trainern, Vereinen und/ oder Trainingsgruppen?
Ja, wir haben eine sehr schöne Kooperation mit den beiden Gruppen NINE Sub 9 und TEN Sub 10. Darüber hinaus auch Kooperationen mit der Triathlon-Abteilung von Eintracht Frankfurt und vielen mehr.
Du erwähnst die NINE Sub 9- und TEN Sub 10-Initiative. Welche Rolle übernehmt Ihr in diesem Projekt?
Vor allem die Analytische Rolle im Bereich Bike Fitting und Laufanalyse. Wir zeichnen Verantwortung für den biomechanischen Part der 19 Athleten, dass jene verletzungsfrei und schnell durch den Wettkampf kommen.
2024, das erste Jahr der Initiative ist Geschichte: Wie ist es gelaufen?
Ich bin wirklich sehr stolz, ein Baustein dieses Projekts zu sein und einen kleinen Part in der Triathlon Szene mitgestalten zu können. Auch dass alle Männer die Sub 9 geknackt haben, war schon sehr nice. Dabei hat sich auch wieder gezeigt, wie wichtig es ist, im Rahmen einer längeren Vorbereitungsphase regelmäßig die Bewegungsanalyse zu wiederholen, um den Trainingsfortschritt bei der Wahl der Laufschuhe, den Einlegsohlen und der Zeitfahrposition zu berücksichtigen und zu optimieren, aber das ist ja ein völlig normaler Prozess bei leistungsorientierten Sportlern.
Ende November, Anfang Dezember fand das Kick-off für 2025 statt. Welche Themen standen im Mittelpunkt des Kennenlernens?
Für das zweitägige Kick-off stellten wir die Räumlichkeiten im Offenbacher Zentrum für Bewegungsanalyse zur Verfügung. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde startete die „Kennenlernphase“ mit den individuellen Stärken, Schwächen und Vorlieben im Training und bei Wettkämpfen, kurzum die Schaffung einer harmonischen gemeinsamen Basis für die Saison 2025. Zwischen den verschiedenen Vorträgen – unter anderem über Trainingsdidaktik und Biomechanik – führte ich bei einigen Athleten Bewegungs– und Laufanalysen und Bike-Fittings durch. Die beiden Tage wurden abgerundet durch gemeinsame Trainingseinheiten, einer ersten groben Saisonplanung und einem Pro-Talk mit Jonas Hoffmann und Jana Uderstadt.
Interview: Klaus Arendt
Foto: Isaak Papadopoulos | weitsprung.de