
Welche Form beim Zeitfahrhelm ist die beste? Mit Visier oder ohne? Am wichtigsten ist allerdings immer die Passform, denn im Endeffekt sollte es in erster Linie immer darum gehen, dass der Helm im Falle eines Falles, den Kopf schützt.
Auch wenn der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) die Forderung nach einer allgemeinen Helmpflicht als untauglich zurückweist, steht für die meisten sportiven Radfahrer und Triathleten die eigene Sicherheit im Vordergrund. Der Griff zum Helm ist bei jeder Ausfahrt so selbstverständlich wie das Anlegen des Sicherheitsgurtes im Auto.
Fuhren wir früher auf unserem Citybike ohne Kopfschutz gemütlich auf dem Bürgersteig oder Feldwegen zur Schule, zur Ausbildungsstätte oder in die Uni, liegt der Unterschied heute beim sportiven Radfahren darin, dass Triathleten in Aero-Position und mit teilweise weit über 30 Kilometern in der Stunde auf einer viel befahrenen Straße im Feierabend- oder Ausflugsverkehr ein wichtiges GA2-Intervall absolvieren. Kommt es in diesen Situationen zu einem Unfall, nutzt ein „Ich kann doch Rad fahren!“ gar nichts, und der Sportler zieht definitiv den Kürzeren. Zum Glück fahren nur noch die Unverbesserlichen oben ohne, zumal auch frühere Argumente dagegen, wie zum Beispiel „zu schwer“ und „zu heiß“, durch innovative Lösungen der Industrie längst der Vergangenheit angehören.
Entwicklung der Zeitfahrhelme
Die Aussage „Solange Chrissie Wellington keinen Zeitfahrhelm trägt, brauche ich das auch nicht“ gehört mittlerweile für fast alle ambitionierten Triathleten der Vergangenheit an. Zeitfahrhelme sind als aerodynamischer Kopfschutz nicht mehr wegzudenken. Ein Grund liegt sicherlich auch darin, dass die Hersteller in den vergangenen Jahren sehr viel Zeit und Geld in die Forschung und Entwicklung investiert haben, um neben den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsvorgaben – Stichwort europäische Helmnorm EN1078 – eine aerodynamische Helmform zu designen, die eine minimale Luftverwirbelung am Radfahrer erzeugt.
Und in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welches Design eigentlich schneller macht. Der bis zwischen die Schulterblätter verlängerte Zeitfahrhelm in Tropfenform oder die verkürzte Lösung, die am Hals-Rücken-Übergang endet? Wir sind dieser Frage nachgegangen und informierten uns am Sitz von uvex sports in Fürth. Die für Research & Development und Produktentwicklung verantwortlichen Manager Frank Proksch und Oliver Kordter gaben anhand der beiden Zeitfahrhelme uvex race 6 und uvex race 8 einen interessanten Einblick in die Welt des Luftwiderstands.
Frontale Staudruckverteilung
Anhand der frontalen Druckverteilung wird deutlich, an welchen Bereichen am Kopf, Schultern, Armen und Oberkörper der größte Luftwiderstand existiert. Durch die größere Helmform des race 8 wird der Schulterbereich mehr abgeschirmt beziehungsweise in den Windschatten (niedrige Geschwindigkeit des Luftstroms) „gestellt“ als beim schmaleren race 6, wodurch sich der Widerstand beziehungsweise Staudruck in diesem Bereich reduziert. Bei einer engeren Schulterführung ist die Aerodynamik – unabhängig vom eingesetzten Helm – aufgrund der geringeren Angriffsfläche grundsätzlich besser. Die Stelle, an der sich der größte Luftwiderstand befindet, wurde von den Entwicklern zur Positionierung der Belüftungsöffnung ausgewählt. Die Entscheidung für weitere Schlitze oder Löcher hätte die Aerodynamik negativ beeinflusst. Durch das beim race 8 bis zur Nasenmitte heruntergezogene integrierte Visier reduziert sich die Angriffsfläche in der unteren Gesichtshälfte (Nase, Jochbein und Kinn).
Luftverwirbelung Oberkörper
Der beim race 8 bereits erwähnte geringere Luftwiderstand ist in der seitlichen Darstellung durch die „optimierte Verwirbelung“ im Kinnbereich noch deutlicher zu erkennen. Auch wenn beim race 6 der Luftstrom im Brust- und Bauchbereich wie „eine Einheit“ aussieht, liegt jener aufgrund der Ablösung nicht so nah am Körper an wie beim race 8. Letzteres sorgt dafür, dass der Luftstrom deutlich besser um den Hüftbereich geleitet wird. Auf der gegenüberliegenden Seite wirkt sich auf der Rückenpartie eine spätere Ablösung/Verwirbelung der Luftströmung dahingehend aus, dass der Wind länger am Körper „haftet“ und somit den Fahrer schneller macht.
Luftwiderstand Gesamtsystem
Der Luftwiderstand (gemessen in N) des Gesamtsystems Triathlet – Zeitfahrrad konnte mit dem race 8 gegenüber dem race 6 um 4,2 Prozent reduziert werden. Beim Gesamtsystem ist darauf zu achten, dass die Einsparung die Summe aller Einflussfaktoren ist, also Zeitfahrrad, Athlet (und somit auch abhängig vom Körperbau), Sitzposition und Zeitfahrhelm.
Aerodynamische Vorteile
Sicherlich liefern Untersuchungen in Windkanälen und auf der Radrennbahn wichtige Daten über Einsparungspotenziale. Um die möglichen aerodynamischen Vorteile im Wettkampf – bei denen meist andere Rahmenbedingungen vorherrschen als unter Laborumgebungen – in einen messbaren Zeitvorteil umzuwandeln, sollte der Athlet auch in der Lage sein, die optimale Aeroposition – ohne seinen Kopf ständig hin- und herzubewegen – möglichst lange innezuhalten. Auch vor dem Hintergrund, dass er nach dem Radfahren ohne muskuläre oder anatomische Probleme noch bis zu 42,2 Kilometer laufen muss
Fazit:
Ein schlecht sitzender Aerohelm kann im Training und
Wettkampf ganz schön die Nerven strapazieren. Nehmen Sie
sich beim Kauf des Zeitfahrhelms genügend Zeit, und bringen
Sie auf jeden Fall Ihr geliebtes Stirnband, Kopftuch und die
Sonnenbrille mit, die Sie beim Radfahren tragen. Scheuen Sie
sich nicht – gerade bei langen Haaren – den Helm mal mit
und ohne Zopf anzuprobieren. Stellen Sie den Zeitfahrhelm
mithilfe des Einstellrings und des Gurtsystems so ein, dass
er perfekt an der Stirn, den Schläfen und dem Hinterkopf
sitzt, nicht drückt, zu locker aufliegt oder gar scheuert.
Viele Helmhersteller haben zum Teil „sich überschneidende
Größen“ im Angebot. Nur ein Helm, der perfekt sitzt, kann
im Ernstfall Leben retten.
Text: Klaus Arendt
Aufmacherfoto: Sebastian Kuhn | Cube Bikes
Graphiken: uvex sports