
Eine Woche vor seinem fünften Start auf Hawaii stellt Boris Stein klar, dass er nicht in die Südsee fliegt, um Elfter zu werden. Warum er auch niemands Trainingsschlampe ist, erfahrt Ihr im Pre-Race Interview.
Boris, im Juni 2018 hast Du Dir bei einer Trainingsfahrt in Südfrankreich einen Bruch der Hüftpfanne zugezogen. Wie präsent ist Dir noch die Situation des Radsturzes mit wirklich langwierigen Folgen?
Ich habe keine Albträume deswegen, bin mir aber bewusst, dass Straßenradsport gefährlich ist. Aktuell gehört es jedoch zu meinem Berufsprofil, und deshalb versuche ich die Risiken zu minimieren, indem ich möglichst sichtbar auf Nebenstraßen abseits des Berufsverkehrs trainiere.
Triathleten können bekanntlich nur sehr schwer die Füße stillhalten. Wie bist Du mit dieser Situation umgegangen, auch vor dem Hintergrund des Klassikers „come back stronger“?
Das habe ich auch anfangs nur bedingt getan. Mindestens eine der drei Disziplinen bietet meistens die Möglichkeit – trotz Verletzung – weiter schmerzfrei zu trainieren. Als nach der jeweilig kurzeitigen Genesung zweimal erneut Knochenödeme auftraten, zog ich im Februar 2019 die Reißleine und habe erstmal nichts gemacht, bis ich nach zwei Monaten in allen Disziplinen wieder schmerzfrei war. In meinem Fall war es wohl so, dass ich durch meine Muskulatur Probleme im Knochenapparat kompensieren kann, dadurch erstmal schmerzfrei bin, sich aber langfristig Bewegungsmuster einschleichen, die zu neuen Problemen führen.
Welche Bedeutung spielte in diesem Zusammenhang der Freundeskreis und die Familie, insbesondere Deine einjährige Tochter?
Ganz kitschig könnte ich nun sagen, eine Große. Aber aber ich mache Dinge in der Regel erst einmal mit mir selbst aus. Erst wenn ich die Situation in Ansätzen verarbeitet habe, kann ich auch darüber sprechen. Ich bin meine Familie dankbar, dass sie mich in dieser Zeit einfach hat machen lassen und Verständnis entgegengebracht hat. Ich war zwar physisch anwesend, konnte mich aber nicht so mit meiner Tochter beschäftigen wie ich wollte, da ich viele Bewegungen aufgrund der Schmerzen vermeiden musste. Immerhin hatte ich viel Zeit, ihr beim Aufwachsen zuzusehen, auch wenn es sich eher nach Fernsehen angefühlt hat.
Nach der langen Wettkampfpause wurdest Du 2019 beim Challenge Walchsee Dritter, und mit dem Sieg in Kalmar sichertest Du Dir Deine Hawaii-Teilnahme. Ist es vielleicht nicht doch ein Vorteil, vollständig genesen und mit so wenigen Wettkämpfen am 12.10. auf den Startschuss zu warten?
Lediglich im Januar konnte ich Grundlagenkilometer sammeln. Danach habe ich zwei Monate nicht trainiert, um im Mai nach einem Übergangsmonat direkt in die Wettkampfvorbereitung einzusteigen. Das klingt für mich nicht nach einem gelungenen Formaufbau. Aber: Mental fühle ich mich sehr frisch. Zudem rede ich mir gerade ein, dass es kein Nachteil ist, nicht in der Form meines Lebens nach Hawaii zu reisen, da ich mir dann im Rennen auch keinen Unsinn erlauben kann.
Wie in den letzten Jahren hast Du Deine unmittelbare Wettkampfvorbereitung in Texas absolviert. Never change a running system?
Diese Aussage gilt eigentlich für die ganze Saison. Nachdem ich wieder ins Training eingestiegen bin, habe ich mich auf Bewährtes verlassen. Mir fehlte schlicht die Zeit für Experimente.
In Texas war auch der zweifache Ironman Weltmeister Patrick Lange mit dabei. Wie sehr pusht das gemeinsame Training?
Erstmal verstehen wir uns schlicht sehr gut und ich kann mir kaum jemand vorstellen, mit dem ich die Vorbereitung auf Hawaii lieber verbringen würde. Ich bin niemands Trainingsschlampe, es geht vielmehr darum, dem Lagerkoller in der härtesten Trainingsphase und vor dem wichtigsten Rennen des Jahres zu entkommen. Sollte sich unser Trainingsplan vereinbaren lassen, können wir unserer Stärken und Schwächen aber durchaus für beide gewinnbringend einsetzen. Patrick beim Laufen zu sehen, ist für mich immer wieder motivierend, an meiner Laufökonomie zu arbeiten.
Ich komme noch einmal zurück auf die Aussage „come back stronger“. Deine Zielvorgabe für Samstag ist also eine Verbesserung Deines zehnten Platzes von vor zwei Jahren?
Ich fliege nicht nach Hawaii um Elfter zu werden. Da kenne ich schönere und ökologischere Wege, sein Geld zu verprassen als einmal um die halbe Welt zu fliegen. Aber primär genieße ich es, wieder dabei zu sein. Mit meiner Vorbereitung kann 2019 jedoch nur ein Übergangsjahr werden und ich versuche, das Beste daraus zu machen.
Welches Ritual pflegst Du am Abend vor dem Rennen bis zum Einschlafen und am Wettkampftag vom Klingeln des Weckers bis zum Startschuss?
Vieles läuft immer sehr ähnlich ab, als Ritual, dass mich nervös macht, falls es nicht funktioniert, würde ich aber nur bezeichnen: ohne Hungergefühl ins Bett gehen, drei Stunden vor dem Wettkampf essen, 1,5 Stunden vor dem Wettkampf in der Wechselzone sein sowie kurz vor dem Start noch eine der, „ausreichend vorhandenen“ Dixieklos benutzen.
Boris, ich wünsche Dir, dass Dein Übergangsjahr 2019 einen zufriedenstellenden Abschluss findet.
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Interview: Klaus Arendt
Foto: Boris Stein Privatarchiv