Risiko: Überwässerung mit Natriummangel

Durch steigende Teilnehmerzahlen bei Triathlon- und Marathonwettkämpfen scheint ein neues Gesundheitsrisiko entstanden zu sein: die Hyponatriämie.

Die Ursachen der Hyponatriämie (wörtlich: Natriummangel im Blut) liegen meist in einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr, welche von vielen Seiten paradoxerweise propagiert wird und ein Absinken der Mineralstoffkonzentration im Blut zur Folge haben kann.

Salze binden das Wasser im Gefäßsystem des Körpers. Eine Verdünnung der Salz-, insbesondere der Natrium-Konzentration, verringert die Fähigkeit, Flüssigkeit in den Gefäßen „festzuhalten“. Freies Wasser diffundiert in das umliegende Bindegewebe und führt zu Flüssigkeitseinlagerungen unter der Haut und zum Anschwellen von Organen. Besonders gefährlich sind solche Schwellungen im Gehirn. Hirnödeme und ein erhöhter Schädelinnendruck führen zur Bewusstlosigkeit bis hin zum Tod. Einer, der es wissen sollte, ist der Freiburger Facharzt für Innere Medizin, Kardiologe und Sportmediziner Dr. med. Kurt Johannes Schmieg. tritime-Chefredakteur Klaus Arendt fragte nach.

Herr Dr. Schmieg, welche Gefahren können bei übermäßiger Flüssigkeitszufuhr entstehen?
In erster Linie eine Gewichtszunahme. Durch die „Verdünnung des Blutes“ können zudem Symptome der Überwässerung (Hyperhydratation) mit Natriummangel (Hyponatriämie) auftreten.

Wie sehen die typischen Symptome einer „Überwässerung“ aus?
In erster Linie stellt der Athlet eine abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit fest. Hinzu kommen unspezifische Symptome wie Übelkeit und Erbrechen. In fortgeschrittenen Stadien treten Kopfschmerzen bis hin zu Bewusstseinsstörungen auf. Diese Symptome werden leider häufig als Flüssigkeitsmangel fehlinterpretiert. Bei weiterer Flüssigkeitszufuhr können durch das „Anschwellen“ der Nervenzellen im Gehirn Bewusstlosigkeit und Krämpfe auftreten. Es sind leider auch zahlreiche Todesfälle beschrieben, die auf eine Überwässerung mit relevanter Hyponatriämie zurückzuführen sind.

Treten diese Symptome nur bei Zufuhr von reinem Wasser auf?
Leider nein. Auch die populären und viel propagierten Iso-Getränke sind kein sicherer Schutz dagegen.

Wie kommt eine Überwässerung im Wettkampfsport vor?
Eine Studie beim Boston Marathon 2002 zeigt einen erschreckend hohen Anteil von 13 Prozent, bei denen im Ziel eine Überwässerung mit relevantem Natriummangel nachgewiesen werden konnte. Auffällig war, dass die Überwässerung umso ausgeprägter war, je untrainierter die Probanden waren und je länger die Athleten für den Marathon benötigten.

Und wie machen sich die Symptome bei Flüssigkeitsmangel bemerkbar?
Flüssigkeitsmangel ist, entgegen der weitläufigen Meinung, nicht der Hauptgrund für einen Kollaps im oder nach einem Wettkampf. Je nach Ausprägung ist das Leitsymptom unbändiger Durst! Die weiteren Symptome, wie zum Beispiel Kraftlosigkeit, Benommenheit oder Schwindel, sind eher uncharakteristisch, treten aber typischerweise nur in Verbindung mit Durst auf. Nach bisherigen Erkenntnissen ist bislang kein Athlet an den Folgen einer „Austrocknung“ gestorben.

Risiko: Überwässerung mit Natriummangel

Wie unterscheide ich einen Flüssigkeitsmangel von einer Überwässerung?
Bei fehlendem Durst handelt es sich in den allermeisten Fällen nicht um einen Flüssigkeitsmangel. Bei nicht ansprechbaren oder bewusstlosen Patienten sollte zur genauen Differenzierung der Serumnatriumspiegel bestimmt werden. Falls er verringert ist, sollte in keinem Falle freies oder isotonisches Wasser zugeführt werden. Bei verringertem Serumnatriumspiegel handelt es sich sicher nicht um einen Flüssigkeitsmangel (Dehydratation).

Was ist in diesen Fällen zu tun?
Wenn aufgrund von übertriebener Zufuhr von Sportgetränken der Verdacht auf eine „Überwässerung“ vorliegt, sollte der Patient flach gelagert werden, idealerweise mit erhöhten Beinen, um so den Blutrückfluss zum Herzen und eine einwandfreie Herz-Kreislauf-Funktion zu gewährleisten.

Und wenn der Salzspiegel im Blut erniedrigt ist?
Falls ein verringertes Serum-Natrium-Verhältnis nachgewiesen wird, benötigen diese Patienten neben einer ärztlichen Überwachung und Sauerstoff umgehend eine „hypertone Salzlösung“ mittels Infusion. Keinesfalls sollte vorschnell unter der Verdachtsdiagnose „Flüssigkeitsmangel“ Flüssigkeit infundiert werden, ohne vorher den Serum-Natrium-Spiegel zu kennen.

Was raten Sie dem Sportler im Training und Wettkampf?
Unabhängig von den klimatischen Bedingungen sollte sich die Flüssigkeitsaufnahme nach dem Durstgefühl richten. Bei länger dauernden Wettkämpfen über zwei Stunden im mitteleuropäischen Klima soll eine Flüssigkeitsaufnahme von 10 ml/kg/h nicht überschritten werden. Bei einem 75 Kilogramm schweren Athleten wären das 750 ml pro Stunde. Diese Menge sollte in aller Regel nicht überschritten werden. Studien zeigen, dass eine routinemäßige Zufuhr von Natriumsalzen im Wettkampf und Training nicht notwendig ist. Sportmixgetränke bringen im Hinblick auf die Hyponatriämie keinen Vorteil gegenüber reinem Wasser.

Wieviele Kohlenhydrate sollen dabei eingenommen werden?
Auch hier zeigen Studien, dass im Durchschnitt eine Aufnahme von etwa 1 g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde ausreichen, um die Leistungsfähigkeit im Wettkampf zu sichern. Im Training führt der verbreitete Genuss von Sportmixgetränken zur (unnötigen) Gewichtszunahme. Der anerkannte Sportmediziner Timothy Noakes von der Universität Kapstadt in Südafrika meint dazu: „Wenn Athleten Sportdrinks meiden, werden sie dünner und rennen schneller.“

Ihr persönlicher Tipp?
Jeder Athlet sollte seinen individuellen Verbrauch selbst festlegen. Es gibt sicherlich Athleten, die mehr Kohlenhydrate oder Flüssigkeit konsumieren können als oben angegeben, um ihre optimale Leistungsfähigkeit zu erreichen. Die Flüssigkeitsaufnahme sollte sich in erster Linie nach dem Durstgefühl richten. Dazu reicht in den meisten Fällen reines Wasser.

Herr Dr. Schmieg, herzlichen Dank für das Gespräch.

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Foto: Armin Schirmaier