
Nach einem schweren Radunfall im Spätsommer 2018 kämpfte sich Nina Lüer innerhalb eines Dreivierteljahres zurück an die Startlinie der Mainova Ironman European Championship. Wir unterhielten uns mit der 33-Jährigen vom Tria-Team Bruchköbel.
Nina, wann wurdest Du vom Triathlonvirus infiziert?
Mein Mann Frederick hat mich 2011 mit dem Triathlonvirus angesteckt. Anfangs begleitete ich ihn bei seinen Laufeinheiten mit dem Rad oder bin mal mit ins Schwimmbad gegangen. Irgendwann war es dann soweit und habe selbst die Laufschuhe geschnürt. So fing alles an.
Warst Du schon immer Ausdauersportlerin oder hattest Du „früher“ ein Faible für andere Sportarten?
Ich habe früher keinen Ausdauersport betrieben. Ich spielte Volleyball, interessierte mich schon immer allgemein für Sport. Ich gebe zu, dass ich nie in diesem Umfang trainiert habe, wie ich es heute tue.
Kurz, Mittel oder Lang? Auf welchen Distanzen fühlst Du Dich am wohlsten?
Meine Lieblingsdistanzen sind die Olympische- und Mitteldistanz. Man erholt sich recht schnell danach und kann wieder neu angreifen (lacht).
Was war Dein bisher schönstes Erlebnis im Triathlon?
Mein schönstes Triathlon-Erlebnis war letztes Jahr das Finish meiner ersten Langdistanz beim Challenge Roth. Die Bedingungen waren perfekt und die Stimmung an der Strecke einfach atemberaubend.
Was ist Deine Lieblingsdisziplin?
Meine Lieblingsdisziplin ist und bleibt das Rennradfahren. Ich bin ein Naturmensch und gerne draußen unterwegs. Das hat sich auch nach einem schweren Unfall im vergangenen Jahr nicht geändert.
Wie kam es dazu?
Es sollte die letzte längere Ausfahrt vor dem Ironman 70.3 Zell am See eine Woche später werden. Wir waren in einer kleineren Gruppe von Rennradfahrern unterwegs. In einer Kurve nach einer längeren Abfahrt lagen mehrere Steine auf der Straße, meine Teamkollegin kam zu Fall und ich war direkt hinter ihr. Wie ich gestürzt bin, weiß ich nicht, da ich keinerlei Erinnerungen an den Unfall habe. Die Fahrer hinter mir berichteten, dass mein Rad abrupt stehen blieb und ich kopfüber direkt mit dem Gesicht auf den Asphalt flog.
Kleine Wunder gibt es immer wieder!
Aufgewacht bin ich erst wieder in der Uniklinik Frankfurt. Die Diagnose lautete doppelter Kieferbruch, Zungenbein gebrochen, mehrere Zähne abgebrochen und die schlimmste Diagnose: 5., 6. und 7. Brustwirbel waren gebrochen. Zuallererst dachte ich an einen schlechten Traum und ich wache sicher gleich auf, dem war aber leider nicht so. Nach zwei Tagen auf der Intensivstation wurde mein Rücken operiert und mit zwei Metallstäben und zehn Schrauben fixiert. Zwei Tage später ging es mit der Kiefer-OP weiter. Es waren harte Tage, meine Eltern und mein Mann saßen abwechselnd an meinem Bett. Dass es mir heute wieder so gut geht, verdanke ich meiner Familie, meinen Freunden und nicht zuletzt den tollen Ärzten zu verdanken, die mich wieder so „hingekriegt“ haben.
Wie geht es Dir jetzt?
Mir geht es mittlerweile wieder richtig gut. Die Ärzte in der Uniklinik versprachen mir als ich eingeliefert wurde, dass alles wieder so wird wie vorher und sie haben ihr Wort gehalten. Ein paar Narben werde ich behalten, aber damit kann ich gut leben.
Fährt die Angst noch mit?
Die ersten Kilometer auf dem Rennrad legte ich im Januar im Trainingslager auf Lanzarote zurück. Zwar saß ich im Winter schon wieder daheim auf der Rolle, aber jeder weiß, dass das Training draußen eine andere Nummer ist. Man muss sehr aufmerksam sein. Obwohl ich eine gute Abfahrerin bin, hatte ich tatsächlich große Angst, Geschwindigkeit aufzunehmen. Auch war die Rückenmuskulatur noch nicht wieder voll da, sodass ich mich immer wieder mal am Straßenrand dehnen musste. Hier und heute kann ich allerdings sagen, dass ich wieder nahezu bei alten Kräften bin, das Vertrauen in mich selbst wieder da ist, und all das gibt mir die Sicherheit auf der Straße.
Was bedeutet Dir vor diesem Hintergrund die diesjährige Teilnahme bei den Mainova Ironman European Championship in Frankfurt?
Als die Nachricht kam, dass ich beim Mainova Ironman Frankfurt starten darf, schlug mein Herz bis zum Hals. Vor zehn Monaten hätte ich nicht gedacht, dass ich überhaupt wieder Sport auf diesem Niveau machen kann. Und dass ich nun hier in meiner Heimat für Mainova an den Start gehen darf, ist einfach der Wahnsinn.
Jetzt kann nichts mehr schief gehen!
Im Vorfeld konntest Du mit Daniela Bleymehl ein gemeinsames Freiwassertraining absolvieren. Was ist Dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Der Trainingstag mit Dani war klasse. Die Wetterbedingungen waren zwar an diesem Samstag leider nicht optimal, aber das hat dem tollen Tag keinen Abbruch getan. Wir hatten sehr starken Wind und viele Wellen, sodass wir einige Übungen an Land gemacht haben bevor wir dann auf die 3,8 km lange Ironman Schwimmstrecke gingen. Dani ist super sympathisch und hat uns viele Tipps gegeben, Fragen rund um die Wettkampfvorbereitung und den Wettkampftag beantwortet, sodass nun – hoffentlich – nichts mehr schief gehen kann.
Mit welcher Erwartungshaltung gehst Du am 30. Juni in das Rennen?
Ich freue mich riesig auf diesen Tag. Mein Mann Frederick wird ebenfalls an der Startlinie stehen. Unsere Eltern und Freunde feuern uns an der Strecke an. In erster Linie möchte ich Spaß haben, und wenn es am Ende schon wieder für die Ziellinie reicht, bin ich überglücklich.
Letzte Frage: Warum hast Du Dich für das Mainova-Gewinnspiel beworben?
Das Bewerbungsschreiben hat mein Mann verfasst und abgeschickt. Ich erhielt dann kurze Zeit später eine E-Mail, ob ich an dem Gewinnspiel tatsächlich teilnehmen möchte. Ich habe es erst gar nicht richtig gelesen, da ich selbst ein paar Wochen zuvor bei einem Gewinnspiel für den Frankfurt Marathon im Oktober mitgemacht habe und ich völlig überlesen hatte, dass es hierbei um den Ironman ging. Mein Mann lachte dann schon und fragte mich, ob ich auch richtig gelesen hätte, wo genau ich gerade meine Teilnahme bestätigt hätte. Eine Woche später – ich war gerade in der U-Bahn, auf dem Heimweg vom Kontrolltermin in der Uniklinik – erhielt ich dann die E-Mail, dass ich die glückliche Gewinnerin eines Einzelstartplatzes sei. Ich habe sofort meinen Mann angerufen und in den Hörer gebrüllt.
Nina, dann hoffe ich, dass Du am 30. Juni auf der Ziellinie vor Freude ähnlich laut brüllst.
Interview: Klaus Arendt
Foto: Isaak Papadopoulos | weitsprung.de