The Championship Šamorín: Sebastian Kienle im Gespräch

Am 02. Juni wird im slowakischen Šamorín die Challenge-Weltmeisterschaft „The Championship“ zum dritten Mal ausgetragen. Zwei Tage vor dem Wettkampf unterhielten wir uns mit Sebastian Kienle, der in den vergangenen beiden Jahren jeweils Zweiter wurde.

Sebastian, wie sehr schmerzt die bereits seit Langem bekannte Nichtteilnahme von Lionel Sanders?

Schon sehr. Lionel war ja schon ein bisschen die Nemesis und jetzt gerade auf der Mitteldistanz jemand, den ich in den letzten Jahren nur bei einer WM habe schlagen können. Ansonsten hatte immer er das bessere Ende für sich gehabt. Und von daher ist es natürlich schon sehr schade.

Aber es ist halt schon auch Teil unseres Sports, dass wir uns manchmal auf einem schmalen Grad bewegen, um auch gesund an der Startlinie zu stehen. Diesen hat er halt überschritten, und somit gehört er bei mir auch auf die Liste der Geschlagenen, auch wenn ich das im Rennen selbst nicht machen kann.

Wie sehr setzt Du Dich jetzt – nach zwei zweiten Plätzen– selbst unter Druck, das Rennen hier in Šamorìn zu gewinnen?

Ich habe schon Druck … auch von mir … das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich will das Rennen schon gewinnen. Aber auch in Abwesenheit von Lionel ist gerade mit Ben Kanute jemand am Start, der unheimlich schwer zu schlagen sein wird.

Ich kenne Ben sehr gut und finde es mega bemerkenswert, wie er auf wirklich allen Distanzen von der Super League über die WTS bis zur Mitteldistanz auf höchstem Niveau performt. Bei uns heißt es immer „you can’t defend speed“, und er hat halt definitiv den Speed. Im Schwimmen und Laufen sowieso, aber eben auch im Radfahren, und somit wird er ziemlich hart zu schlagen sein.

Und dann kommt da mit Flo Angert auch noch jemand aus dem eigenen Stall sozusagen, ein wirklich guter Pacer, wie er im letzten Jahr gezeigt hat, und dem die Strecke auch sehr liegt. Darüber hinaus sind auch noch genug gute Athleten am Start, sodass ein Sieg auch etwas wert wird.

Im Sommer des vergangenen Jahres hast Du zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum in der Höhe trainiert. Wie kam es dazu, und warum erst so spät in Deiner Karriere?

Bei Höhe ist es halt so eine Sache, da streiten sich ja bekanntlich die Gelehrten darüber, was es bringt und ob es überhaupt etwas bringt, auch bezogen auf eine Langdistanz. Und in der Vergangenheit hatte ich noch genug Stellschrauben in anderen Bereichen, die ich zunächst optimieren wollte, bevor ich mit etwas beginne, bei dem das Risiko bekanntlich höher ist, dass es auch nicht klappen kann.

Rückblickend betrachtet, hat es aus den verschiedensten Gründen sehr gut funktioniert. Sicherlich nicht nur wegen der Höhe, sondern auch wegen der sehr schönen Lage Livignos. Die Kombination aus Belastung für den Körper und mentaler Entlastung durch die Umgebung hat einfach gepasst, weshalb es mich in diesem Jahr unmittelbar nach Frankfurt wieder nach Livigno zieht.

Warum gerade Livigno?

Ich fühle mich dort als Sportler einfach willkommen. Die Atmosphäre ist super, vielleicht nicht so Schickeria-mäßig wie im benachbarten St. Moritz, aber auf jeden Fall ein paar Euro günstiger. Es gibt dort ein supertolles 25-Meter-Becken, in Kürze wird eine 400-Meter-Laufbahn eröffnet, genug Optionen beim Laufen, und über das Radfahren brauche ich bei der Landschaft keine weiteren Worte verlieren. Kein Wunder, warum die besten Radfahrer, Mountainbiker inklusive, dort immer wieder trainieren.

Die zweite Veränderung ist, dass Philipp Seipp Verantwortung für Dein Training zeichnet. Was hat sich verändert und wie schwer fiel Dir die Umstellung, sich auf eine neue Respektperson einzustellen?

Das Schöne ist, sowohl Lubos (Bilek) in der Vergangenheit als auch Philipp sind beide Respektpersonen, aber niemand von ihnen erteilt mir Befehle. Ich habe großen Respekt vor Philipp, diese Herausforderung angenommen zu haben, mich zu trainieren, zumal ich ja auch schon ein relativ fertig ausgebildeter Athlet bin. Das macht seine Arbeit auch nicht einfacher. Denn wenn es mal nicht so laufen sollte, ist schnell gesagt, vielleicht liegt es doch am Trainer. Bis jetzt war es definitiv die richtige Entscheidung, nicht weil etwas besser, sondern viele Dinge erst einmal anders gemacht werden. Und das ist gerade in meinem reifen Athletenalter sicherlich gut. Vor dem Hintergrund meiner Achillessehnenprobleme (Anm. d. Redaktion: in der nächsten Ausgabe der tritime äußert sich Sebastian Kienle über seine 5-jährige Leidenszeit) glaube ich auch, dass der Zeitpunkt richtig war. Philipp hat einen sehr holoistischen Ansatz, das Training läuft viel strukturierter ab und ich bin viel mehr an der engen Leine. Bis jetzt funktioniert es wirklich sehr gut.

Tut es Dir gut, an der Kandare zu sein?

Das Gefühl der ständigen Überwachung ist immer ein zweischneidiges Schwert. Es kann sehr motivierend sein, es kann aber auch Athleten ins Unglück führen, die ohne Rückfragen alle Vorgaben zu 100 Prozent erfüllen möchten. Mir persönlich tut es gut, allerdings habe ich schon die Mündigkeit zu sagen, wenn mir etwas nicht passt, ich etwas zu krass finde oder etwas anderes ausprobieren möchte. Der Mix macht es und deshalb ist es auch eine sehr gute und starke Kombination.

Letzte Frage: In Šamorìn gilt die 20-Meter-Regelung. Sollte dies nicht auch auf andere Weltmeisterschaften übertragen werden?

Das ist eine schwierige Frage. Die logische Antwort von mir als starker Radfahrer wäre zunächst einmal ja. Genausogut könnte man ja auch sagen, warum wird denn 4:10 Stunden Rad gefahren und nur 50 Minuten geschwommen? Müssten wir nicht die Schwimmdistanz verdoppeln? Allerdings muss man auch bedenken, dass die bisherige Regel auch historisch gewachsen ist. Bei den non-drafting-Rennen müssen wir uns zunächst darauf konzentrieren, die Regel einzuhalten und umzusetzen. Danach können wir – auch vor dem Hintergrund der immer voller und schneller werdenden Rennen – über eine Änderung der Regel sprechen.

Sebastian, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg am Sonntag.

Weitere Informationen: thechampionship.de

The Championship

Nach der viel beachteten Premiere im Juni 2017 – das spannende Duell zwischen dem späteren Sieger Lionel Sanders und Sebastian Kienle ist vielen noch in Erinnerung – wird die Challenge-Weltmeisterschaft „The Championship“ am 02. Juni zum dritten Mal im slowakischen Šamorín ausgetragen. Einmalig ist auch die Umsetzung einer 20-Meter-Abstandsregel beim Radfahren, die bei Profis und Altersklassenathleten unisono großen Zuspruch findet. Insgesamt werden 150.000 Euro Preisgeld in gleichen Teilen an die zehn bestplatzierten Damen- und Herren-Profis verteilt. Die beiden Sieger erhalten jeweils 30.000 Euro.

Interview | Fotos: Klaus Arendt