Patrick Lange: Ich setze mich nicht unter Druck!

Patrick Lange, Kona 2018, © Isaak Papadopoulos | weitsprung.de1, 3, 6, 1 und 3 lauten die Platzierungen von Patrick Lange bei seinen bisherigen fünf Starts über die Langdistanz. Der amtierende Weltmeister setzt sich jedoch nicht unter Druck und möchte lediglich seine Leistung abrufen. Das bedeutet dann aber auch, dass er sehr konkurrenzfähig ist.

 

Patrick, wie fühlte es sich an, als Titelverteidiger aus dem Flugzeug zu steigen?
Es ist schon ein bisschen anders als in den vergangenen beiden Jahren, aber irgendwie dann doch auch komplett gleich. Ich hatte mir vorgenommen, wieder mit einem fetten Grinsen durch die Gegend zu laufen, die Energie aufzusaugen und all das hier zu genießen. Und es hat mich direkt gepackt, ich hatte gleich positive Gefühle, und all die Erinnerungen an die vergangenen beiden Jahre waren sofort präsent. Ich bin gesund durch die Saison gekommen, habe gut trainiert, und all das am Samstag umzusetzen, ist jetzt die große Herausforderung.

Wie bist Du in den vergangenen Monaten mit der Woge des Erfolges, aber auch mit der Last des Titelverteidigers umgegangen?
Das war schon eine sehr große Herausforderung. Die Krone wiegt im wahrsten Sinne des Wortes schon sehr schwer. Ich bin deutlich gefragter und dadurch wird die Freizeit deutlich eingeschränkter. Verabredungen mit Freunden muss ich im Prinzip lange im Voraus planen. Aber ich will mich darüber nicht beschweren, denn auch das ist Teil des Erfolges und gehört somit auch zu meinem Beruf dazu. Hinzu kam, dass ich in diesem Jahr mein Team aufgebaut und Strukturen geschaffen habe, die mich organisatorisch entlasten und viel Druck von meinen Schultern nehmen, sodass ich mich wieder auf das Training fokussieren konnte. Und das war, das gebe ich offen zu, in den ersten drei Monaten nach meinem Hawaii-Sieg nicht möglich. Ich hetzte quasi von einem Termin zum nächsten und konnte mich glücklich schätzen, hie und da eine halbe Stunde schwimmen oder laufen zu können. Auf jeden Fall war es eine coole Zeit und eine interessante Erfahrung.

Im Kraichgau, Frankfurt und Rügen warst Du immer in den Top 3, aber kein einziges Mal ganz oben auf dem Podest. Wie sehr hat Dich dies gefuxt?
Im ersten Moment war ich natürlich immer ziemlich angefressen, da es aber keine Komplettausfälle waren, hielt es sich somit auch im Rahmen. Faris hat die über meinem Kopf schwebenden Regenwolken ziemlich schnell beiseite geschoben. Im Kraichgau war es immerhin ein zweiter Platz hinter einem überragenden Jan Frodeno, der danach in Frankfurt überlegen Europameister wurde, und ich Dritter. Und gegen einen Florian Angert zu verlieren, der sich derzeit auf die Mitteldistanz spezialisiert, ist auch kein Beinbruch. Somit hatte jedes Rennen seine eigenen Gesetze, in denen sich gut und gerne fünf Mitstreiter darauf konzentrierten, mich zu schlagen. Das ist eine neue Situation, die Zielscheibe auf dem Rücken zu tragen, an ich mich erst einmal gewöhnen musste. Ich bin nicht mehr der Jäger, sondern der Gejagte.

Patrick Lange, Kona 2018, © Isaak Papadopoulos | weitsprung.de

 

Hinsichtlich der Hawaii-Vorbereitung blieb alles beim Alten: Höhentraining in St. Moritz und das Heat-Camp in Texas. An welchen Stellschrauben haben Dein Coach Faris Al-Sultan und Du im Training gedreht?
Wir wissen ganz genau, worauf ich im Training ziemlich gut anspringe. In den vergangenen beiden Jahren haben wir es ja auch immer geschafft, mich auf den Saisonhöhepunkt hin in Topform zu bringen. Aufgrund des eingangs beschriebenen Zeitmangels konnten wir gar keine großen Änderungen vornehmen, insofern konzentrierten wir uns auf Bewährtes. Wir nahmen nur in kleineren, nicht wirklich gravierenden Details, einige wenige Anpassungen vor, auch wenn es für mich teilweise langweilig war. Jedoch sind wir diesen Schritt ganz bewusst gegangen, da der „belastende zusätzliche Reiz“ durch den Sieg auch absehbar war. Hinsichtlich 2019 werden wir auch neue Dinge ausprobieren.

Und beim Material vertraust Du in diesem Jahr tubeless-Reifen und einem neuen Cockpit.
Das stimmt. Bei den Reifen habe ich mit Schwalbe unterschiedlichste Varianten getestet. Dabei war es uns besonders wichtig, dass diese auch im Gesamtkonstrukt aerodynamisch optimal mit den Swiss Side-Laufrädern harmonieren. Vor allem nimmt es mir die Sorge vor einem Reifenwechsel, da kleinere Cuts durch die Dichtmilch „geflickt“ werden und ich ohne Zeitverlust – wenn auch mit etwas weniger Luftdruck – weiterfahren kann.

Das neue Cockpit ist eine Gemeinschaftsproduktion zwischen Sauber Engineering, Canyon und Swiss Side. Dabei kamen ganz spezielle Verfahren zum Einsatz, die es im Triathlonsport so noch nie gegeben hat. Das ist schon geil, zu wissen, dass so ein Projekt für mich aufgesetzt wurde. So etwas wäre vor drei Jahren undenkbar gewesen und macht mich natürlich auch unheimlich stolz, dass meine Partner mir so etwas ermöglichen. Und die Zahlen sprechen auch für sich.

Hochleistungssport bedeutet auch im Training eine Gratwanderung zum Übertraining und Verletzungen. Wie sehr schwimmt, fährt und läuft – auch gemeinsam mit Deinem Trainer Faris Al-Sultan – die Sorge vor dem Schreckgespenst Übertraining und Verletzungsgefahr mit?
Glücklicherweise bin ich in diesem Jahr davon verschont geblieben. Gesundheit steht bei mir und meinem Team an allererster Stelle. Aufgrund meines erlernten Berufs (Anm. d. Red.: Patrick Lange ist ausgebildeter Physiotherapeut) bin ich auch in der Lage, die Signale meines Körpers, wenn es mal irgendwo zwickt, richtig zu deuten. Schließlich kann nur ein gesunder Athlet Höchstleistungen bringen. Allerdings muss man auch, um diese im Wettkampf abrufen zu können, im Training ein gewisses Risiko eingehen und auch genau diese Grenzen ausloten. Ich kann mich nicht in Watte packen, schließlich treiben wir Hochleistungssport.

Womit belohnst Du Dich nach einem perfekten Rennen?
Ich durfte das ja jetzt schon einmal erleben, und was da so in Gang gesetzt wird, da ist jede Sekunde schon Belohnung genug. Angefangen von dem Druck, der von einem abfällt. Die Krone tragen. Ich bin ganz ehrlich, da brauche ich gar nicht viel mehr. Im vergangenen Jahr beispielsweise habe ich mir ein Paar wirklich gute Kopfhörer angeschafft. Ich brauche nicht viel zum glücklich sein, schließlich habe ich mein Hobby zum Beruf machen können. Definitiv freue ich mich aber auf ein paar ruhige Abende mit meiner Freundin und meinen Freunden, Mousse au Chocolat ohne schlechtes Gewissen zu essen, und vor allem Zeit. Das sind meine größten Belohnungen.

Natürlich muss ich ganz zum Schluss auch die Frage nach Deiner persönlichen Erwartungshaltung für den kommenden Samstag stellen …
Das mag sich jetzt abgedroschen anhören, aber ich möchte meine Leistung abrufen. Und wenn ich das kann, bin ich sehr konkurrenzfähig. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, mir relativ niedrige Ziele zu setzen. Wenn ich mir beispielsweise die Top 10 als Ziel setze, weiß ich, dass 2017 zwischen Platz 1 und 10 rund 22 Minuten lagen. Und das nimmt mir dann den Druck, sodass ich auch befreiter das Rennen aufnehmen kann. Das kann ich nicht, wenn ich mich selbst die ganze Zeit unter Druck setze, du musst jetzt aber Erster werden, da ansonsten die Welt untergeht. Ich fühle mich am besten, wenn ich weit von solchen Erwartungshaltungen bin.

Interview: Klaus Arendt
Fotos: Isaak Papadopoulos | weitsprung.de