Die Premiere des Ironman 70.3 Lahti ist Geschichte. Birgit und Kai Fügel reisten in den bekannten finnischen Wintersportort und berichten über ihre Erfahrungen des weltweit nördlichsten Ironman 70.3
Das Besondere bei der Premiere des Ironman 70.3 Lahti ist nicht die Tatsache, dass es sich um das nödlichste 70.3-Rennen weltweit handelt beziehungsweise im weltbekannten Wintersportort Lahti ausgetragen wird, sondern um den Zeitpunkt. Kurz nach der Sommersondenwende steht die Sonne fast rund um die Uhr am Firmanent, und es will einfach nicht dunkel werden. Ein Grund, dass die Veranstalter den Wettkampf erst um 16.00 Uhr starten und eine Dreiviertelstunde nach Mitternacht enden lassen. Einer der Gründe, warum Birgit und Kai Fügel sich dieses Rennen ausgesucht haben.
Vor etwa einem Jahr nahm ich an einem für Triathleten ganz ungewöhnlichen Ausdauerwettbewerb teil, dem Sulkava Suursoudut, einer 60km Ruderregatta, als der Ironman 70.3 Lahti erstmals angekündigt wurde. Und da bei mir auf dem X-Chromoson finnisches Blut liegt, somit eine besondere Affinität zu diesem wunderschönen Flecken Erde besteht, meine Frau Birgit ebenfalls ein echter Finnland Fan ist, war sofort klar, dass wir hier bei der Erstaustragung am Start stehen wollen.
Anreise, Land und Leute
Gesagt, getan! Anstatt frühzeitig einen kostengünstigen Flug nach Helsinki zu buchen – von dort sind es mit dem Mietwagen nur noch rund 100 Kilometer bis nach Lahti – haben wir uns dazu entschieden, mit dem Camper anzureisen, um noch etwas mehr von Finnland und seiner beeindruckenden Natur kennenzulernen. Man ist flexibel und findet jede Nacht an einem anderen der zahlreichen Stellplätze „Unterschlupf“.
Die landläufige Meinung, dass Finnen sehr schweigsam sein sollen, kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil, vergleichbar mit einer Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt habe ich mich in einer öffentlichen Sauna binnen kürzester Zeit in bester Gesellschaft und guter Unterhaltung wiedergefunden. Übrigens, in Finnland gibt es KEINE gemischte Sauna. Männer und Frauen schwitzen getrennt. Eine Ausnahme bildet die eigene Familie, aber auch nur dann, wenn sie unter sich sind. Die Sprache ist für alle Nicht-Finnen sehr fremd und ähnelt auch nicht anderen Sprachen. Die Wörter sind lang, haben manchmal viele Vokale und Umlaute innerhalb eines Wortes, von den 15 Fällen einmal ganz abgesehen. Zum Glück sprechen fast alle Finnen sehr gut Englisch, sodass es keinerlei Kommunikationsprobleme gab.
Lahti ist die achtgrößte Stadt Finnlands und Austragungsort zahlreicher Wintersport-Veranstaltungen. Als regelmäßiger Ausrichter von Weltmeisterschaften in den nordischen Disziplinen wie Skisprung, Nordische Kombination und im Langlauf ist die Bettenkapazität für eine Sommerveranstaltung mehr als ausreichend. Wer etwas ganz Besonderes typisch finnisches möchte, sollte sich ein Mökki mieten. Das sind Sommerhäuser, die üblicherweise in der Natur direkt am See mit eigener Sauna gelegen sind. Besitzer eines größeren Wohnmobils mit WC und Dusche könnten ohne weiteres auch auf einem der zahlreichen Parkplätze am See „wild übernachten“.
Raceday
An den Tagen vor dem Wettkampf am 30. Juni hatten wir absolutes Traumwetter mit Temperaturen um 28 Grad Celsius. Ausgerechnet zum Wochenende mimte der Wettergott den Spielverderber. Keine 24 Stunden vor dem Startschuss sackte das Thermometer auf gerade einmal 14 Grad Celsius, Dauerregen und Sturmböen zurück. Die Prognosen für den Renntag waren auch nur minimal besser. Die Wassertemperatur betrug aus meiner Sicht deutlich weniger als die zwei Tage vorher angegebenen 17 Grad Celsius. Als bekennender Schönwetterfahrer, der auch bei Kälte einfach nicht funktioniert, war die Stimmung leider etwas getrübt. Ich musste tief in meiner Mentalkiste kramen, um mir nicht die Freude bereits im Vorfeld versauen zu lassen.
Auch wenn Athleten aus insgesamt 41 Nationen am Start waren – unter ihnen auch einige wenige Deutsche wie beispielsweise „Mr. Tagesschau“ Thorsten Schröder – war ich, surprise, surprise, überwiegend von Finnen umgeben. Aufgrund des späten Starts mussten die Räder erst am Renntag und nicht wie üblich tagszuvor eingecheckt werden, und das gestaltete die Vorbereitungen insgesamt sehr viel angenehmer und entspannter.
Zehn Minuten nach den Profis wurden alle fünf Sekunden fünf Age Grouper ins Wasser geschickt. Als ich an der Reihe war, fühlte ich mich zunächst wie im Eisbad nach der Sauna. Auch wenn der Schwimmauftakt aufgrund des Rolling Starts ziemlich entspannt abläuft, drückte ich wegen der Kälte auf den ersten Metern ziemlich aufs Tempo. Trotzdem wurde es mir zu keinem Zeitpunkt so richtig warm. Und da ich mich auf die falschen Hinterbeine verlassen hatte, verpasste ich den „richtigen Schwimmzug“ und war auf mich alleine gestellt. Nach 30:55 wasserschattenfreien Minuten erreichte ich den Schwimmausstieg des Seehafens. Obwohl ich mit einer Zeit von unter einer halben Stunde gerechnet hatte, war ich nach dem Rennen mit der viertbesten Zeit in meiner Altersklasse sehr zufrieden.
Radfahren
Beim ersten Wechsel nahm ich mir aufgrund der Kälte mehr Zeit als üblich. Ich entschied mich für die Variante Winter-Langarmtrikot über den nassen Einteiler, was ich auch nie bereut habe. Die Radstrecke mit ihren vielen Wellen und rund 800 Höhenmetern war sehr kurzweilig. Immer wieder gab es neben einigen Schauern und Sturmböen auch sonnige Passagen mit einem fantastischen Ausblick auf die Natur, und das war sehr gut für meine Moral. Aufgrund der Kälte konnte ich nicht den Druck auf das Pedal übertragen, den ich mir vorgenommen hatte, sodass ich nach für mich enttäuschenden 2:34 Stunden und dem nur 20. Platz in der Bikewertung meiner Altersklasse mein Sportgerät in der Wechselzone hinstellte.
Laufen: Motivation durch Pauli Kiuru
Leider hatte ich vergessen, Ersatzsocken in den Beutel zu packen, sodass ich mit nassen Socken in die Laufschuhe musste. Trotz der Kälte funktionierten meine Beine erstaunlich gut und ich konnte sofort meine Reisegeschwindigkeit aufnehmen. Ein erster kleiner Battle mit einem Athleten aus meiner Altersklasse half dabei, das Tempo hoch zu halten. Vielen Dank dafür, mein finnischer Freund. Nach den ersten etwas schnelleren Kilometern um die 4:15 Minuten pendelte sich mein Kilometerschnitt bei 4:30 Minuten ein. Die erste Runde ging jedoch an meinen neuen finnischen Freund, er war einfach zu schnell.
Am Ende der ersten Runde sah ich plötzlich die finnische Triathlonlegende Pauli Kiuru, den ich im vergangenen Jahr bei dem Ruderwettbewerb kennenlernte, am Streckenrand. Kiuru erkannte mich sofort und gab mir ein High five. Kann es eine bessere Motivation geben? Und von da an lief es bei mir richtig gut und konnte mein Tempo hochhalten. Das zweite High Kiurus pushte mich ein weiteres Mal, sodass ich auf den letzten fünf Kilometern meinen finnischen Freund einsammeln konnte. Das war sehr gut für das Selbstvertrauen. Nach 1:34 Stunden und der sechsbesten Laufzeit in meiner Altersklasse überquerte ich nach 4:47 Stunden um 21 Uhr als Neunter in der AK50 die Ziellinie.
Und Birgit? Meine Frau hatte mit der Wassertemperatur noch größere Probleme. Am Schwimmausstieg ereilten sie brutale Wadenkrämpfe, sodass sie minutenlang auf den Stufen saß und ihre Waden dehnte. So eine Bürde gleich zu Beginn zieht sich natürlich durch das gesamte Rennen, und dementsprechend hatte sie einen herausfordernden Tag. Aber Birgit hat sich durchgebissen und so konnten wir unser nördlichstes Triathlon-Finish gemeinsam im Sibeliustalo, mit Blick auf den in warmen Mittsommernachtsfarben ausgeleuchteten Lake Vesijärvi und die letzten Athleten feiern.
Übrigens, gewonnen hat das Rennen der Männer Matt Trautmann in 3:54 Stunden vor Manuel Küng und Christian Kramer und bei den Damen Kimberley Morrison in 4:21 Stunden vor Minna Koistinen und Camilla Lindholm Borg. Überraschenderweise konnten sowohl der von mir als Favorit betrachtete Marino Vanhoenacker als auch Johannes Moldan das Rennen leider nicht beenden.
Afterrace
Die Afterrace-Verpflegung bestand unter anderem aus leckeren traditionell finnischen Karjalan Piirakas (Piroggen mit Reisfüllung), Munnavoi (Eibutter) und Blaubeer-Smoothies. Eine wohltuende Abwechslung zu den subjektiv in letzter Zeit etwas abgeflachten Afterrace-Verpflegungen der Ironman-Serie. Das Sibeliustalo ist zentraler Anlaufpunkt rund um das Event (Startunterlagen, Welcome Dinner, After Race Verpflegung, Awards Party). Es bietet die willkommene Möglichkeit, sich im trockenen und warmen Gebäude umzuziehen sowie vor dem Start auf eine „richtige“ Toilette zu gehen. Einziges Manko, die Duschen befinden im rund zwei Kilometer entfernten Sportzentrum Urheilukeskus bei den berühmten Skischanzen.
Fazit
Die Finnen sind nicht nur stolz auf ihre Traditionen, sondern insbesondere auch auf ihre Sporthelden wie beispielsweise Pavo Nurmi, Matti Nykänen oder Kimi Räikkönen und Mikka Häkkinen. In der Woche vor dem Rennen konnten wir bereits die Freude und Stolz der Stadt Lahti und seinen Einwohnern spüren, den ersten Ironman 70.3 in Finnland ausrichten zu dürfen. So standen auch die Formel 1 Legende Mikka Häkkinen und der ehmalige Champion der nordischen Kombination Hannu Manninen (Finishtime 4:32 Stunden) ebenso auf der Startliste wie der ehemalige Ministerpräsident Finnlands, Alexander Stubb. Obwohl das Rennen zum ersten Mal ausgetragen wurde, war es aus meiner Sicht organisatorisch perfekt. Alle Helfer waren super gebrieft und freundlich.
Obwohl ich ein bekennender Hitzefan bin und normalerweise Wettkämpfe in warmen oder heißen Regionen bevorzuge, bin ich auch wenige Tage nach dem Rennen immer noch begeistert. Das einmalige Flair der Mitternachtssonne, die tolle Landschaft, die Möglichkeit aus der Saune direkt in den kühlenden See zu springen, das hohe Organisationsniveau, all das macht Laune auf eine Wiederholung in 2019.
Race-Highlights (Facebook-Video)
Text: Kai Fügel
Fotos: Ironman 70.3 Lahti