Kraul lernen – mal anders – Teil 2

Kraulen lernen mit der richtigen AtemtechnikDie meisten Schwimmanfänger und Triathloneinsteiger haben beim Kraulen Probleme mit der Atmung. In seiner Artikelserie erklärt Schwimmcoach Sascha Wenzel seine etwas andere Herangehensweise beim Erlenen der Kraul- und Atemtechnik.

 

Im ersten Teil ging es darum, das Thema „Kraulschwimmen erlernen/verbessern“ mit einer anderen Methodik anzugehen. Das schwierigste Element beim Kraulschwimmen, die Atmung, wird nach der Herangehensweise von Sascha Wenzel recht spät unter die Lupe genommen. Dahinter steckt das Motto: Vom Einfachen zum Schweren!

Atmen im Wasser

Nun fragen sich sicher einige, wie man am besten das Atmen in den Lernprozess einbauen soll, damit dieser wirklich von Beginn an ein „flüssiger“ Bestandtteil des Kraulschwimmens wird? Es gibt viele Möglichkeiten sich Hilfen und Rat zu holen. Egal ob mit Videos, im Buchhandel oder auch auf diversen Internetplattformen. Allerdings fällt auf, dass die Beiträge in den Videos meistens von absoluten Könnern ausgeführt werden. Die Literatur bedient sich häufig den komplett theoretischen bewegungswissenschaftlichen Ansätzen, was für Anfänger relativ schwer verständlich ist. Und die Tipps auf den diversen Internetplattformen fangen für mich auch meist sehr fortgeschritten an. Kurz zusammen gefasst bedeutet das: Die Theorie ist meist weit entfernt von der Praxis.

Schrittweise zur richtigen Atmung

Ich möchte euch einen Weg zeigen, der natürlich auch in der Praxis umgesetzt werden muss. Allerdings geht es dabei nach dem „Step by Step“-Prinzip um die richtige Atmung. Und das ist nicht nur für Newcomer etwas. Da ich selbst viel mit Kindern im Schwimmsport arbeite, kann ich viele der einfachen Übungen mit ins Erwachsenentraining adaptieren. Warum nicht von den Kleinen lernen? Womit sollte man also starten, wenn man die richtige Atemtechnik lernen möchte?

Ein- und ausatmen im Wasser

Beginnen sollte man mit dem Ein- und Ausatmen im Wasser – es klingt banal und ist doch etwas Besonderes im Medium Wasser. Wir haben beim Kraulen nur ein gewisses Zeitfenster zum Atmen. Deshalb sollte bereits an Land verinnerlicht werden, was das heißt: Im Wasser ausatmen und über Wasser einatmen. Am effektivsten und gängigsten ist es, wenn man lernt, dass man durch die Nase ausatmet und mit dem Mund einatmet.

Hier eine Übung aus der Schwimmschule, die man zu Beginn gerne machen darf:

Wir stellen uns in flaches Wasser, halten den Zeigefinger vor die Nase und tauchen mit dem Kopf ins Wasser ab. Wir atmen über Wasser tief und zügig über den Mund ein und pusten gleichmässig und ruhig die Luft über die Nase wieder aus. Durch den Finger vor der Nase haben wir Kontrolle darüber, ob wir auch wirklich über die Nase ausatmen.

Dies machen wir mehrmals hintereinander, um den Rhythmus zu finden. Wenn dies gut klappt, dann führen wir diese Atemaufgabe auch in Bewegung aus. Nun nehmen wir den Finger von der Nase und gehen in die Streamline-Position (Pfeilposition), die man zu Beginn beim Abstossen grundsätzlich einnehmen sollte.

Gleicher Ablauf:
Über Wasser durch den Mund einatmen, dann abstossen und gleiten. Beim gleiten gleichmässig und ruhig ausatmen bis keine Luft mehr im Brustkob ist.
Wer beim Kraulen fortgeschritten ist und die Atmung „nur noch“ verbessern und nicht neu erlernen muss, der kann diese Übung sehr gut mit dem Schwimmschnorchel als Hilfsmittel ausführen und so in den Schwimmzug wechseln. Dabei sollte die Atmung immer im Mittelpunkt stehen. Bei dieser grundsätzlich simplen Aufgabe haben wir zugleich den Übungseffekt für die Wasserlage und das Wassergefühl.

Wir haben bisher nur ein- und ausgeatmet, aber noch gar nicht betrachtet, zu welchem Zeitpunkt die Atembewegung käme, geschweige denn, wie die Atmung im Bewegungsprozess abläuft. Deshalb, um das Thema Ein-Ausatmen abzuschliessen. Achtet darauf, dass ihr euch ein ruhiges und kontinuierliches Ausatmen antrainiert und das Ausatmen aktiv und zügig durchführt. Damit erleichtert ihr es euch später, den Prozess im gesamten Bewegungsablauf einzubauen. Übrigens rate ich von der üblichen Übung des Ein- und Ausatmens mit seitlicher Kopfdrehung im Stehen ab. Dabei gewöhnt ihr euch nur an, dass man den Kopf leicht anheben muss, damit man sich nicht verschluckt und Luft bekommt. Das ist später in der Bewegung falsch. Damit kommen wir zum nächsten Schritt.

Das Atmen in der Bewegung

Hier gehen viele zu schnell in den Gesamtkraulstil über und wollen direkt Kopfhaltung, Drehbewegung, Zeitpunkt etc. von Beginn an koordinieren. Die allgemeinen Dinge wie „der Kopf liegt im Wasser“, „der Blick geht leicht voraus“, „bei der Atmung dreht sich nur der Kopf“ (was nicht ganz stimmt), „das Atmen findet statt, wenn ein Arm in der Überwasserphase ist“ etc. sind bekannt und können überall nachgelesen werden. Doch ich empfehle diese einzelnen Elemente noch einmal aufzuteilen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass das Kraulschwimmen entweder gerade neu erlernt wird oder noch sehr unsicher ist. Gerade beim Thema Atmung gibt es fast immer Verbesserungsbedarf und diese Basisübungen können selbst jeden besseren Schwimmer vorwärts bringen. Deshalb nehmt euch Zeit und kombiniert nun euer erlerntes Ein- und Ausatmen mit Bewegung in der Wasserlag.

Legt euch in die sogenannte „Superman-Position“ (in Bauchlage, einen Arm eng am Kopf vorbei ausstrecken). Dazu führt ihr einen Kraulbeinschlag (für Ungeübte gerne mit Kurzflossen) und eure Atmung aus. Wenn ihr gleichmässig ruhig ausgeatmet habt, dann dreht ihr euch auf die Rückenlage und holt Luft.

Zu Beginn dürft ihr auf dem Rücken kurz verweilen, bevor ihr euch wieder zurückdreht. Je besser es klappt, desto weniger dürft ihr in der Rückenlage innehalten. Ziel sollte es sein, im Ein- und Ausatmerhythmen die Drehungen zu vollziehen und später sogar die Rückenlage wegzulassen und nur noch seitlich einzuatmen.

Worauf ihr bei dieser Übung achten solltet?
– der Arm bleibt immer eng am Kopf, besonders wichtig ist das beim Drehen
– Beim Drehen muss die Körperspannung besonders hoch gehalten werden damit man nicht unter die Wasseroberfläche absinkt
– Der Beinschlag darf nie unterbrochen werden
– Der Blick geht im Wasser leicht nach oben und über Wasser leicht nach hinten
– Je ruhiger und kontrollierte dieser Ablauf funktioniert, um so besser liegt man im Wasser

Diese Übung wird durch die Hinzunahme eines Pullboys erweitert. Legt diesen zwischen Kopf und ausgestreckten Arm. Dort darf der Pullboy nicht verrutschen oder gar verloren gehen. So erreicht ihr, dass ihr die Atmung aus der Drehung erzielt und nicht aus dem Heben des Kopfes! Wer noch ein kleines Schaumstoffhilfsmittel wie beispielsweise. eine halb durchgeschnittene Schwimmnudel hat, darf es auch gerne damit versuchen. Die letzte Stufe der Übung ist es, einarmig zu schwimmen. Wir behalten den einen Arm vorne und der andere Arm fängt mit dem Kraularmzug an. Damit diese Übung auch gelingt arbeite ich gerne mit einem Bild. Wenn der Arm im Wasser ist, dann ist das „Fenster“ zu. Mit der Endphase der Druckphase öffne ich langsam das „Fenster“ und ich drehe mich zum Luft holen leicht auf. Kaum ist der Arm aus dem Wasser hole ich kurz und energisch Luft, um möglichst schnell das „Fenster“  wieder zu schließen. Wenn das Fenster zu ist, gleite ich am besten durchs Wasser, bringe keine Unruhe in meine Bewegungen und kann mich in Ruhe auf einen effektiven Armzug konzentrieren. Ich weiß, dass diese Übung sehr intensiv ist und viele Wiederholungen benötigt bis alles dynamisch und flüssig funktioniert. Bis die Abläufe auf beiden Seiten gleich gut funktionieren, dauert es wahrscheinlich noch mal etwas länger, aber es ist sehr wichtig, immer beide Seiten zu trainieren.

Wenn dieser Bewegungsablauf klappt, habt ihr schon fast alles, was ihr für die Atmung benötigt. Denn ihr wisst, wie ihr ein- und ausatmet, ihr liegt bereits möglichst waagerecht im Wasser, ihr habt gelernt aus einer Drehbewegung den Atmungsprozess durchzuführen und ihr habt einen Rhythmus gefunden. Nun müssen wir „nur noch“ alles in unsere „Kraultechnik ohne Atmung“ einbauen. Und das bedeutet: üben, üben, üben und nochmals üben. Versucht dabei, immer nur kurze Strecken am Stück durchzuführen und diese dafür möglichst präzise auszuführen. Konzentriert euch immer wieder neu auf die Bewegungsabfolgen. Hilfsmittel sind am Anfang erlaubt, wenn sie bewußt eingesetzt werden.

 

Text: Sascha Wenzel
Foto: fotolia.com / Lightfield Studios