Profi-Triathlet Justus Nieschlag arbeitet seit geraumer Zeit mit dem Auswertungstool „Spikee“, um die Herzfrequenzvariabilität als Paramter für seine Trainingssteuerung zu nutzen. Der 25-Jährige berichtet über seine Erfahrungen mit „Spikee“ im Training.
Was hinter dem Training mit Herzfrequenzvariabilität genau steckt, könnt ihr ihn unseren bereits veröffentlichten Beiträgen (Beitrag 1 und Beitrag 2) nachlesen.
Erfahrungsbericht von Justus Nieschlag
Als Tester der ersten Stunde konnte ich schon viele Erfahrungen mit Spikee sammeln. Bei der Messung mit der App hält sich der Aufwand am Morgen in Grenzen. Die Messdauer liegt zwischen 5 bis 7 Minuten. Diese Zeit nehme ich gerne in Kauf. Nach meinen Erfahrungen sind alle Messungen, bei denen die Spikee-App mehr Zeit benötigt fehlerhaft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn zu wenig Daten erfasst werden, weil der Brustgurt nicht richtig sitzt oder nicht ausreichend befeuchtet ist. Die Daten werden sofort hochgeladen und können einfach und schnell vor der ersten Trainingseinheit eingesehen werden.
Wie verwendest du die HRV-Analyse?
Ich verwende die HRV-Analyse als zusätzliches Tool zur Trainingssteuerung. Neben den HRV-Daten spielt auch mein subjektives Befinden eine wichtige Rolle. Daher absolviere ich zwar die Morgenmessung, schaue mir die Ergebnisse aber nicht an, um mich bei der Einschätzung des Befindens nicht beeinflussen zu lassen. Mein Trainer Dan Lorang kann alle Daten einsehen. Zusammen mit den Trainingsaufzeichnungen haben wir einen großen Datenpool, aus dem wir sehr gut ablesen können, wie es meinem Körper geht und entsprechend die Trainingsplanung gestalten.
Wie bindest du die HRV-Messungen in die Trainingssteuerung ein?
Sollte eine Morgenmessung mal schlecht sein, hat dies noch nicht viel zu sagen. Das kann durchaus mit einer intensiven Einheit am Vortag zusammenhängen, hier ist auch mein subjektives Befinden sehr wichtig. Anhand der Auswertung kann man aber gut sehen, wie lange der Körper zur Regeneration benötigt. Muss ich noch einen Tag länger mit der nächsten intensiven Einheit warten oder darf ich heute schon wieder „draufhauen“?
Wenn ich mehrere schlechte Messungen hintereinander habe, ist das meist ein Zeichen dafür, dass ich vom letzten Trainingsblock noch nicht ausreichend erholt bin oder aber ein Infekt im Anmarsch ist. Hier müssen zusätzlich die Trainingsdaten, das subjektive Befinden oder/und auch die Analyse des Blutbildes zu Rate gezogen werden.
Wie korrelieren die Messwerte
mit deinem subjektiven Empfinden und mit deiner Trainingsleistung?
Die Messwerte und das subjektive Befinden liegen meist nahe beieinander. Die Trainingsleistung korreliert zudem häufig. Es kann jedoch durchaus passieren, dass man trotz schlechtem Befinden und Messwerten zumindest teilweise super Leistung bringen kann. Hier lohnt sich ein Blick auf die Daten von der Europameisterschaft in Kitzbühel vom 17. Juni 2017. Eine Woche vor dem Rennen erwischte mich eine hartnäckige Erkältung. Wie so oft, stirbt die Hoffnung zuletzt. Ich entschied mich mit den Betreuern vor Ort, zu einem Start. Die Messung am Renntag fehlt, da ich die Werte nicht wissen wollte. Es ist aber davon auszugehen, dass die Messung ähnlich wie die am Vortag war.
Das Schwimmen verlief noch sehr gut und ich verließ das Wasser an Position fünf. Auch auf dem Rad lief es noch super und ich fühlte mich stark. Als ich zum Lauf kam, war nach einem Kilometer der „Ofen“ aus. Nach dem Wettkampf brach die Erkältung richtig aus und ich musste eine Zwangspause von zwei Wochen einlegen.

Welche interessanten Zusammenhänge hast du beobachtet?
Für mich war interessant zu sehen, wie Stress auf meinen Körper wirkt. Gerade nach Reisen, in Prüfungsphasen oder wenn einfach viel los war, hat sich dies sehr schön in den Messungen widergespiegelt.
Ein super Beispiel für Stress findet sich im Jahr 2016. In dieser Saison befand ich mich für drei Monate in einem „Übertrainingähnlichen-Zustand“. Ich konnte mich nicht belasten, aber medizinisch konnte man nichts nachweisen. Im Nachhinein ist die Erklärung einfach: Ich hatte zu viel Stress, quasi einen sportlichen Burnout. Der Peak dieser Phase war Mitte Mai beim WTS-Rennen in Yokohama. Yokohama war das letzte Quali-Rennen für Rio de Janeiro und somit die letzte Chance, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Ich hatte versucht, mich so gut wie möglich zu erholen und wollte es unbedingt probieren. Bis Kilometer 20 auf dem Rad war das Rennen auch gar nicht so schlecht, doch danach war der Akku wieder leer.

Text: Justus Nieschlag
Foto: DTU/JoKleindl