Nadja Wachter: Ankommen ist für mich alles!

Triathletin Nadja Wachter beim LaufenNadja Wachter macht erst seit zwei Jahren Triathlon und hat sich bereits für den Ironman Hawaii qualifiziert. Wir haben mit der 36-Jährigen, die für den ALZ Sigmaringen startet, vor ihrer Abreise nach Kailua-Kona gesprochen.

 

Nadja, du bist eine ehemalige Schwimmerin, wie bist du zum Triathlon gekommen und was begeistert dich an diesem Sport?
 Zum Triathlon gebracht hat mich ein Polizist aus Hannover. Ich war gerade frisch aus Hamburg weggezogen und hatte mich mit einer Hannoveranerin zum Rennradfahren verabredet, um die Umgebung etwas besser kennenzulernen. Als ich mein Rad aus dem Auto lud, stellte ich fest, dass das Hinterrad einen Platten hatte. Als völliger Neuling im Radsport war ich mit dieser Situation völlig überfordert. Zum Glück fiel in diesem Moment der besagte Polizist „vom Himmel“ und bot mir seine Hilfe an. Es stellte sich heraus, dass ich an einen wahren Triathlon-Experten geraten war, der schon einige Male den Ironman Hawaii gefinisht hatte und sich gerade wieder in der Vobereitung für die nächste Qualifikation befand. Rasch waren die Kontaktdaten ausgetauscht und der Weg in den Triathlon-Sport geebnet. Bei einem späteren Treffen haben wir im Kino den Film „Wechselzeiten“ gesehen, einen Film über die Vorbereitung von vier Frauen auf ihren ersten Triathlon in Hamburg. Verbunden mit etwas Hamburg-Heimweh habe ich noch im selben Moment den Entschluss gefasst, diesen Triathlon ebenfalls zu absolvieren.
Obwohl ich schon einige Monate zuvor mit dem Laufen und Rennradfahren angefangen hatte, war ich nichtsdestotrotz bis zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt, überhaupt an Triathlon zu denken. Den Schwimmsport hatte ich schon gute 16 Jahre an den Nagel gehängt und ich muss sagen, dass ich das Schwimmen richtiggehend „gehasst“ habe, als ich mit dem Leistungssport aufgehört habe. Ich bin bei meinem Trainer durch eine harte Schule gegangen und konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder Freude am Schwimmen empfinden zu können. Und Spaß ist bekanntlich die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Langdistanz. Heute ist es ein Gefühl absoluter Harmonie, schwerelos durchs Wasser zu gleiten und mich in der Natur zu bewergen. Abgerundet wird das Ganze durch das Teilen der sportlichen Erlebnisse mit gleichgesinnten Sportlern.
Triathletin Nadja Wachter beim Laufen
Du bist recht schnell auf die Langdistanz gegangen. Was ist für dich der Reiz auf der langen Strecke?
Ich habe schon in jungen Jahren gemerkt, dass ich verhältnismäßig gut im Ausdauersport bin und weniger Talent für die kurzen Distanzen mitbringe. Aus Bequemlichkeitsgründen habe ich jedoch bis zum Triathlon immer die kurzen Distanzen vorgezogen, da hierbei die „Arbeit“ schneller erledigt war. Nach dem Hamburg Triathlon war ich im Ziel regelrecht enttäuscht, weil ich zwar ein für meine Verhältbnisse ausgezeichnetes Ergebnis mit nur vier Monaten Training erreicht habe, allerdings trotzdem das Gefühl hatte, dass ich nicht einmal annähernd an meine Grenzen gegangen bin, obwohl ich gleichzeitig auch nicht schneller gekonnt hätte. In diesem Moment habe ich beschlossen, mich auf der Langdistanz zu versuchen. Und da am nächsten Tag die Online-Anmeldung für die Challenge Roth geöffnet wurde und ich das Glück hatte, einen Platz zu „ergattern“, hat das Schicksal für mich entschieden. Heute bin ich dafür sehr dankbar, denn ich habe einiges über mich dazu gelernt: Mein Körper ist für mich ein wahres Wunderwerk, der bei guter Pflege viel zurückgibt.
Wie integrierst du dein Training in den Arbeitsalltag und wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Ein typischer Arbeitstag sieht bei mir mittlerweile nicht mehr allzu spannend aus.
Im ersten Jahr hatte ich einen so großen Respekt vor der Langdistanz, dass ich mit aller Macht versucht habe, ein umfangreiches Trainingsprogramm und ein unfangreiches Arbeitspensum unter einen Hut zu bringen. Ich bin in der Regel morgens gegen 05.30 Uhr aufgestanden und abends erst gegen 22.30 Uhr oder auch später erschöpft auf meiner Couch zum Abendessen gekommen. Dafür hat sich mein Körper nach vier Monaten mit einer Reihe von Beschwerden gerächt. Nach dem ersten Trainingslager musste ich das Laufen komplett einstellen und bin deswegen mit sehr wenigen Trainingsläufen – dafür aber mit Aqua-Joggen – gefühlt sehr unvorbereitet in meine erste Langdistanz gegangen. Im diesem Jahr habe ich die intensiven Trainingseinheiten dementsprechend auf die Wochenenden beschränkt. Dazu kommt, dass unter der Woche aufgrund meiner täglichen Pendelei zur Arbeitsstelle, die insgesamt drei Stunden Zeit in Anspruch nimmt, nicht mehr als eine Stunde pro Tag für eine Trainingseinheit übrigbleibt. Praktischerweise sind die Wochenenden allerdings meistens auch so anstrengend, dass ich unter der Woche auch gar nicht mehr trainieren möchte.
Du wurdest auch diesen Winter lange von einer Verletzung ausgebremst und konntest nicht laufen, hast dich aber dennoch bei deinem erst zweiten Ironman in Cairns für Kona qualifiziert. Hattest du damit gerechnet?
 Nein, definitiv nicht. Ganz im Gegenteil, ich hatte am Tag zuvor sogar die Befürchtung, dass ich die Finishline niemals überqueren werde. Vor dem Schwimmen und dem Radfahren hatte ich weniger Respekt, dafür vor dem Laufen umso mehr. Aufgrund von Wachstumsproblemen in meiner Jugend bin ich erst vor 2,5 Jahren zum Laufen gekommen. Mit der Verletzungspause und nur drei Monaten Lauftraining im GA1-Bereich war mein Selbstvertrauen entsprechend angeknackst. Aber vielleicht war gerade das auch der Grund, wieso der Ironman in Cairns so gut für mich lief: Ich hatte keinerlei Erwartungen und bin dementsprechend „druckfrei“ an den Start gegangen.
Auch aktuell konntest du dein Lauftraining nicht wie geplant durchführen. Warum nicht und wie sah dein Alternativtraining aus?
 Nach dem Ironman Cairns hat mich der falsche Ehrgeiz gepackt. Ich wollte für mich wissen, was möglich ist, wenn ich mein Lauftraining intensiviere. Ich habe mich daraufhin das erste Mal einer Laufgruppe angeschlossen, die ein für mich ungewohnt hartes Intervalltrainingsprogramm auf der Bahn durchgezogen hat. Direkt im Anschluss hat sich mein Körper zu Wort gemeldet und mir die Grenze in Form einer Sehnenentzündung aufgezeigt. Auch eine mehrwöchige Laufpause hat bisher nicht zur gewünschten Besserung geführt. Daher habe ich das Laufen letztendlich ganz eingestellt und bin wie auch schon im Jahr zuvor auf Aqua-Joggen umgestiegen. Darüber hinaus arbeite ich mit der Blackroll, mache Dehnübungen, Massagen sowie Physiotherapie.
Mit welchen Gefühlen reist du nach Hawaii und wie schauen deine sportlichen Ziele am Renntag aus?
 Meine Gefühle schwanken täglich: Meistens bin ich sehr entspannt und erwartungsfroh. Allerdings kommt auch immer wieder ein Moment der Sorge durch, denn ich weiß, dass ich mit dieser Laufvorbereitung spätestens nach dem Wettkampf zu leiden haben werde. Mein Ziel habe ich daher nach unten justiert: Ankommen ist alles für mich!
Falls es beim Ironman extrem hart für dich werden sollte, bist du mental vorbereitet? Wie sieht dein Plan aus?
Letztendlich bin ich davon überzeugt, dass mich der Gedanke an unseren Vereinskameraden und Freund, Karsten Pfeifer, durchhalten lassen wird. Karsten ist bei einem Radunfall während eines Triathlon-Rennens vor eineinhalb Jahren so schwer verünglückt, dass er seitdem ab der Brust abwärts querschnittsgelähmt ist. Karsten ist ein wahrer Kämpfer und würde alles dafür geben, um wieder gehen zu können. Dagegen ist meine Situation nicht wirklich dramatisch: Auch mit Schmerzen kann ich immerhin meine Füße vorwärts bewegen.
Mental habe ich mich bereits darauf vorbereitet, dass ich im „worst case“ den Marathon zu Fuß gehen muss. Wenn zumindest das Schwimmen und Radfahren so läuft, wie ich mir das vorstelle, sollte ich 9 Stunden Zeit haben, um meinen Traum zu verwirklichen.
Schön wäre es, wenn ich am Tag nach dem Wettkampf noch in der Lage bin, zumindest noch 5 Kilometer zu laufen. Denn am 15. Oktober findet in Sigmaringen ein Spendenlauf für Karsten statt, den ich aufgrund der Hawaii-Teilnahme leider verpassen werde. Nichtsdestotrotz werde ich versuchen, zumindest in der Ferne für Karsten mitzulaufen.
Nadja, viel Erfolg und viel Spaß bei deiner Premiere auf Hawaii
Triathletin Nadja Wachter beim Schwimmen
Interview: Meike Maurer
Fotos: privat