Florian Teichmann ist im Ironman 70.3-Weltmeisterort Chattanooga angekommen. Er beobachtet das Treiben in der Rennwoche und stellt die Frage, geht eigentlich vielen Triathleten der Spaß am Sport bei der WM verloren?
Florian Teichmann ist 24 Jahre alt und studiert in Tübingen Philosophie. Unter dem Hashtag #aufdersuchenachdemflow bloggt er über die Themen Philosophie – Triathlon – und seinen Weg zur Ironman 70.3-Weltmeisterschaft in Chattanooga. Jetzt ist er in Chattanooga angekommen.
Es ist stockfinster als ich unseren Mietwagen in die Einfahrt eines kleinen Hauses in einem Waldstück bei Chattanooga lenke. Wie steigen aus und tippen in das elektronische Schloss an der Tür einen vierstelligen Code. Wir fallen erschöpft ins Bett und schlafen sofort ein. Am nächsten Morgen stehen wir mit unseren Kaffeetassen auf der Veranda an der Rückseite des Hauses und staunen über die Aussicht. Hier in dieser malerischen Landschaft findet also die Ironman 70.3-Weltmeisterschaft statt. Die nächsten Tage vergehen wir im Flug, wir erkunden die Gegend, besuchen zum erstmal einen überdimensional großen Supermarkt und wehren uns verzweifelt gegen die Plastiktüten an der Kasse, treffen im Freibad auf freundliche Bademeister und andere Athleten und genießen abends den Blick über das Tal bei einem Bier. Natürlich wird auch das Rennrad fachmännisch zusammengebaut und die Schwimm-, Rad,- und Laufstrecke genauestens besichtigt. Bei einem Ausflug nach Nashville lernen wir einiges über die Countrymusic Szene in Tennessee. Dabei schwirren trotzdem immer wieder die Gedanken an das WM-Rennen, auf das ich mich fast ein Jahr lang vorbereitet habe, in meinem Kopf herum. Wie kann das Rennen am Sonntag gelingen?
Das Kontrollierbare kontrollieren
Die erste Regel vor dem Wettkampf: das Kontrollierbare kontrollieren. Das heißt, das Material vorbereiten, die Strecken besichtigen, den Zeitplan und Wetterbericht studieren, auf die Ernährung achten. All das kann man tun, um vor dem Wettkampf ruhig schlafen zu können. Und trotzdem gilt im Triathlon immer, erwarte das Unerwartete. Es kann immer irgendetwas Unvorhergesehenes passieren und dann gilt es, gelassen zu bleiben und nicht die Nerven zu verlieren. Doch wie kann das bei so einem wichtigen Rennen wie der 70.3 Weltmeisterschaft funktionieren? Wenn ich mich in den letzten Tagen so in Downtown Chattanooga umsehe, dann sehe ich ernste Mienen, angespannte Gesichter und hitzige Diskussionen über Höhenmeter auf der Laufstrecke, die besten Laufräder und die Vor- und Nachteile von Swimskins bei Neoverbot. Bei all den inspizierenden Blicken der Athleten und der Expertengespräche untereinander bekomme ich das Gefühl, es geht hier für viele um eine Goldmedaille wie bei den Olympischen Spielen. Dabei bekommt man bei einem Ironman am Ende einen Plastikpokal. Immer wieder bekomme ich den Eindruck, dass den Triathleten hier der Spaß am Sport verloren gegangen ist.
Den Wettkampf zum Spiel machen
Doch wie kann man den Spaß am Triathlon erhalten? Wie in dieser Atmosphäre den Flow finden? Ein Weg für mich ist, den Wettkampf zum Spiel zu machen. Wenn ich am Sonntag in den Tennessee River springe, dann ist Spieltag, das Spiel heißt Triathlon und es gilt 1,9 Kilometer zu Schwimmen, 90 Kilometer Rad zu fahren und 21 Kilometer zu laufen. Du gewinnst, wenn du die Ziellinie erreichst. Auf dem Weg dahin kann viel passieren und nicht alles liegt in den eigenen Händen. Deshalb hilft es, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Und sich in den einzelnen Disziplinen und deren Anforderungen zu verlieren. Am Ende sollte man Erfolg nicht am Ergebnis messen, sondern an der Freude, die man während dem Spiel empfunden hat.
„Den an dieses Gefühl werden wir uns erinnern, und es wird zum Maßstab dafür, wie das Leben immer sein sollte.“ (Quelle: Csíkszentmihályi M., Jackson S.A., 2000: Flow im Sport, München)
Text: Florian Teichmann
Fotos:privat