Annika Krull qualifizierte sich bereits 2016 für den Ironman auf Hawaii. Ihre erste Langdistanz finishte sie allerdings in Hamburg. Kurz vor der Abreise unterhielten wir uns mit der früheren Leichtathletin.
Annika, wie bist Du zum Triathlon gekommen?
Sport betriebe ich eigentlich, solange ich denken kann. Angefangen habe ich mit dem Turnen, Schwimmen und der Leichtathletik. Im Alter von 16 Jahren zog ich aufgrund meiner sportlichen Leistungen in der Leichtathletik (Disziplinen Weitsprung, Dreisprung und Hürden) in den Olympiastützpunkt Bochum-Wattenscheid und nahm an zahlreichen nationalen und internationalen Wettkämpfen teil. Mit Aufnahme des Maschinenbau-Studiums konzentrierte ich mich auf meine Ausbildung und beendete meine leistungssportliche Laufbahn. Doch schnell merkte ich, dass ohne Sport mein Leben nicht vollständig ist. Um zeitlich und räumlich unabhängig zu sein wollte, begann ich mit dem Laufen. Nach und nach gewann ich daran größeren Gefallen – 800 Meter waren für mich zunächst schon sehr lang – und startete bei den ersten Wettkämpfen über kürzere Distanzen, bis ich 2013 einen Startplatz für den Berlin Marathon gewann und mich somit an die “Prestige”-Distanz wagte, den ich nach einer kurzen Vorbereitung erfolgreich finishte. In der Folgezeit steigerte ich meine Bestzeiten und gewann auch zahlreiche Läufe. Doch aufgrund der wenig abwechslungsreichen Trainingsgestaltung war ich immer und immer wieder verletzt: Von Plantarsehnenriss über Ermüdungsbruch und langwierigen Achillessehnenentzündungen.
Durch das Alternativtraining Radfahren und Schwimmen und die zahlreichen Trainingsstunden nahm ich – auch durch die Überredungskunst meines Partners – Ende 2015 an meinem ersten Triathlon teil. Und von da an waren Schwimmen und Radfahren keine alternativen Trainingsdisziplinen während Verletzungsphasen, sondern wurden zu einer eigenständigen zielführenden Trainingseinheit.
Was ist Dir von Deinem allerersten Wettkampf am meisten in Erinnerung geblieben?
Interessanterweise habe ich nicht nur positive Erinnerungen. Es war eine Sprint-Distanz im Norden Deutschlands. Es war ein gruseliger Triathlon und ich bin sehr blauäugig in das Rennen gegangen. Zuvor war ich noch nie im Freiwasser geschweige denn mit 200 Athleten gleichzeitig geschwommen… dementsprechend war ich völlig überfordert und schwamm die gesamte Strecke im Brust-Stil. Nach dem Schwimm-Ausstieg begann dann die Aufholjagd auf dem Rad und erst recht in den Laufschuhen. Am Ende finishte ich meinen ersten richtigen Triathlon (ich hatte bereits als Siebenjährige an einem Kinder-Triathlon teilgenommen) mit einem sehr zufriedenstellenden zweiten Platz.
Hast Du den Wechsel vom Laufen zum Triathlon jemals bereut?
Absolut nicht, im Gegenteil – ich glaube, es war der beste Schritt, den ich sportlich gehen konnte – denn auch läuferisch habe ich seit der Fokussierung auf den Triathlon alle meine Bestzeiten weiter runterschrauben können.
Du hast Dich bei einer Mitteldistanz für Hawaii qualifiziert. Wie kam es dazu?
Über die Sprintdistanz habe ich gefallen am Triathlon gefunden und mich in meinem ersten Triathlon-Jahr auch an längere Distanzen gewagt. Da mein Partner schon ein „alter Hase“ im Triathlon-Geschäft ist und neue Veranstaltungen testen wollte, überredete er mich im Herbst des letzten Jahres zu meiner ersten Mitteldistanz. Diese fand im doch recht exotischen China (Hefei) statt. Aufgrund einer Sonderregelung bei diesem Rennen konnte man sich für die Ironman WM auf hawaii qualifizieren, und genau das war sein Ziel. Für mich war zu diesem Zeitpunkt die „Prestige“-Veranstaltung auf Hawaii noch eine ferne Vision beziehungsweise Traum, das ich nur von Bildern, aus Erzählungen, Zeitschriften und dem Fernseher kannte. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet, jemals in der Bucht von Kailua-Kona schwimmen zu dürfen … aber wie es der Zufall möchte, habe ich mich im Rahmen dieser 70.3 Veranstaltung als Siegerin meiner Altersklasse für die WM 2017 Hawaii qualifiziert. Die ursprüngliche Vision wurde zur Realität und entsprechend zum großen sportlichen Höhepunkt in diesem Jahr.
War die Hawaii-Quali auch Dein größter sportlicher Erfolg?
Sicherlich war die Quali ein wichtiger Meilenstein, aber mein größter Erfolg im Triathlon ist definitiv der diesjährige Sieg meiner Altersklasse im Rahmen der Ironman 70.3 Europameisterschaft in Elsinore. Im Vorfeld hatte ich niemals damit gerechnet, dass ich am Ende des Tages ganz oben stehen werde. Mit einer Top-3-Platzierung hatte ich zwar spekuliert, doch konnte ich meine eigene Leistung nicht wirklich einschätzen, da ich zuvor erst eine einzige Mitteldistanz absolviert hatte.
Aber auch läuferisch konnte ich, zumindest für mich persönliche Erfolge definieren. Im Frühjahr dieses Jahres bin ich beim Hamburg Marathon eine neue Bestzeit von 2:47 Stunden gelaufen. Da ich mich dieses Jahr vermehrt auf den Triathlon Sport konzentrieren wollte, habe ich mich auf diesen Marathon nicht explizit vorbereitet und war demnach umso überraschter, als am Ende eine neue Bestzeit und aktuell sogar Platz 4 in der Deutschen Bestenliste dabei heraussprang.
Und emotional?
Ganz eindeutig meine erste Langdistanz im Rahmen des Ironman Hamburg – meiner Heimat. Zu Beginn dieses Wettkampfes konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich die Schwimm-, Rad- und Laufdistanz bewältigen sollte. Zudem hatte ich unglaublichen Respekt vor der Situation, in der mein Körper streikt und energetisch an seine Grenzen kommt – diese Situation kannte ich zuvor noch nicht … und kenne ich zum Glück auch bisher noch nicht – denn der meine erste Langdistanz verlief super und ich hatte kein energetisches Tief.
Ich war unglaublich aufgeregt – aber durch die unzähligen Freunde und Bekannte am Streckenrand wurde ich beflügelt und der Wettkampf – vor allem der Marathon – verging wie im Flug. Ich finishte meine erste Langdistanz in einer Zeit von 9:43 Stunden als fünfte Frau und zweite Nichtprofi-Athletin, und das mit der schnellsten Marathon-Zeit aller Athletinnen.
Welches Rennen im Rahmen Deiner Vorbereitung lässt Dir im Vorfeld noch einmal das Adrenalin in die Adern schießen?
Am meisten lässt mich die Situation am Morgen des Ironman Hamburg erstarren – als ich um kurz vor 7 Uhr am Schwimmstart stand und ein Gefühlschaos aus Freunde, Respekt – teilweise auch ein bisschen Angst und Zweifel in mir herrschte und ich mir absolut nicht vorstellen konnte, wie ich diesen Tag mit den 226 zurückzulegenden Kilometer überstehen sollte. Als ich dann nach circa 6 ½ Stunden auf die Marathonstrecke rund um die Alster gehen durfte – und dort die gesamte Laufstrecke entlang Bekannte und Freunde standen und jubelten – war ich wie beflügelt und flog quasi die Strecke entlang bis zum roten Ziel-Teppich.
All das bedeutet sicherlich auch eine intensive und fokussierte Vorbereitung. Wie viele Stunden trainierst Du durchschnittlich pro Woche?
Durch meinen Umstieg vom Laufen auf den Triathlon musste ich feststellen, dass das Trainieren von drei Disziplinen nicht ganz dreimal so anstrengend ist, aber deutlich zeitintensiver ist. Besonders die Radausfahrten am Wochenende oder die Schwimmeinheiten bedingen eine gute Tagesplanung. Dennoch bin ich eher der Athlet, der qualitativ und nicht quantitativ trainiert – also gerne kürzere und intensivere Einheiten als lange, teilweise nicht enden wollende Fahrten oder Läufe. Durchschnittlich komme ich somit auf rund zwölf Trainingsstunden in der Woche.
Wie baust Du das Training in Deinen Arbeitsalltag ein?
Die Verbindung von Training und Arbeitsalltag lässt sich gut durch Radfahrten als Arbeitsweg integrieren. Ansonsten trainiere ich primär in den Abendstunden nach Feierabend – ab und an steht auch die morgendliche Schwimmeinheit an.
Und wie organisiert Du Deinen „Alltag“ insbesondere in den Hochtrainingsphasen?
Da ich ohne Trainer trainiere, bestimme ich alleine mein Pensum und kann somit den zeitlichen Umfang entsprechend meinen Alltags-Verpflichtungen anpassen und dosieren. In meinem Job bin ich bezüglich meiner Arbeitszeiten relativ flexibel, sodass ich früh morgens anfange, und somit am Abend Zeit für das Training habe.
Wie sehen die Kollegen und Deine besten Freunde (sind die auch Triathleten oder haben die mit Sport nichts am Hut) Deinen Sport?
Da ich mit dem Sport groß geworden bin, besteht der Großteil meines Freundeskreises aus Sportler – allerdings nicht nur aus Triathleten. Diese können dann gut einschätzen, was es bedeutet, wenn der Tag primär durch die Arbeit und den Sport durchgetaktet ist und man sich nicht regelmäßig zum Shoppen in der Stadt trifft oder an den Wochenenden ausgiebig auf Partys unterwegs ist.
Beruflich arbeite ich an der Technischen Universität in Hamburg – am Institut für Biomechanik, sodass die meisten meiner Kollegen sportlich interessiert sind und nach den Wochenenden regelmäßig eine Berichterstattung meiner sportlichen Wochenenden verlangen.
Folgt einem intensiven Triathlonjahr ein Ruhejahr?
Der Vorteil an meinem Umfeld ist, dass mein Partner genauso „verrückt“ ist wie ich, schon an zehnmal so vielen Langdistanzen teilgenommen hat wie ich und wir entsprechend einen Großteil der Trainingseinheiten gemeinsam gestalten können. Dennoch möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festlegen, in welchem Umfang und mit welcher Intensität ich im kommenden Jahr den Triathlonsport betreibe. Die Vorbereitung einer Langdistanz bestimmt schon einen Großteil des Jahres – angefangen mit unzähliche Radeinheiten auf der Rolle in den dunklen und kalten Wintermonaten, einem Frühjahstrainingslager, dann (besonders in diesem (Hamburger) Sommer) vielen Trainingsstunden im Regen.
Dennoch macht es unglaublich viel Spaß. Die Abwechslung, das Außeinandersetzen mit dem Material – das Kennenlernen der körperlichen Grenzen. Es ist einfach so viel spannender als das „reine Laufen“. Vorerst werde ich auf Hawaii meine zweite Langdistanz absolvieren und danach mache ich mir gemeinsam mit meinem Partner Gedanken über die (sportliche) Planung des kommenden Jahres. Ein festes sportliches Highlight wird es im kommenden Jahr aber definitiv geben. Den TransAlpine-Run – ein Etappenlauf, bei dem in Zweier-Teams in sieben Tagen die Alpen überquert werden. Den Startplatz für dieses Mehrtages-Trail-Event habe ich meinem Partner zum Geburtstag geschenkt – mit dem Ziel, dass wir wieder gemeinsam an einem Wettkampf teilnehmen – und gemeinsam heißt nicht, dass man sich am Start verabschiedet und (je nachdem welche Distanz) nach 1, 2, 4 oder 10 Stunden wiedersieht, sondern dieses Event als Paar/ 2er Team absolvieren muss.
Auf was musstest Du in den letzten Wochen am meisten verzichten?
Am meisten freue ich mich auf die fünf Tage auf Kauai, welche mein Partner und ich im Anschluss an den Ironman besuchen werden. Dadurch, dass ich kurz vor dem Abflug nach Hawaii noch meine Doktorarbeit abgeben möchte, bleibt nicht viel Zeit für „Entspannung“ oder andere Ausgleichs-Aktivitäten.
Und wodurch findest Du am besten Abstand von dem zeitintensiven Sport?
Eine Art des Abstandes vom Sport ist die Arbeit. Ich brauche diese zweigleisige Herausforderung. Die Abwechslung des physischen und psychischen – ich glaube beide Bereiche voneinander profitieren und ich somit einen gewissen Ausgleich schaffe. In meiner Freizeit backe und koche ich sehr gerne – doch bleibt dafür in dem recht durchgetakteten Alltag häufig nicht richtig viel Zeit für.
Mit welchen Gefühlen und Wünschen trittst Du die Reise nach Kailua-Kona an?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass mein Wunsch und mein Ziel eine vordere Platzierung in meiner Altersklasse ist. Doch bin ich mir noch ein wenig unschlüssig, ob ich dieses Event als Ziel oder vielleicht sogar als Traum bezeichnen soll. Bevor ich mich im vergangenen Herbst für die WM auf Hawaii qualifiziert habe, habe ich niemals mit dem Gedanken gespielt, im Pazifik zu schwimmen. Alleine dieses Gefühl wird mich so überwältigen, dass ich vermutlich beim Schwimmen aufpassen muss, dass ich mich von der farbenfrohen Unterwasserwelt und den ganzen Fischen unter mir nicht ablenken lasse und mich auf das Rennen konzentriere.
Bedenken habe ich hinsichtlich des Klimas. Ich kann nicht einschätzen, wie ich mit den Klimabedingungen auf der Insel zurechtkomme. Hitze macht mir – zumindest unter europäischen Verhältnissen – wenig aus. Doch weiß ich, dass ich solche Klimabedingungen, wie sie auf Hawaii herrschen (Luftfeuchtigkeit & Wind) noch nie zuvor erlebt habe. Was zudem nie auf der Strecke bleiben darf ist der Spaß – natürlich wird der Wettkampf zum Ende hin anstrengend werden – aber bis zu diesem Zeitpunkt – und spätestens beim Überlaufen der Ziellinie sollten die Augen vor Freude wieder leuchten.
Annika, wir wünschen Dir für Deine Hawaii-Premiere maximalen Erfolg.
Interview: Klaus Arendt
Fotos: privat