Martin Beckmann ist ehemaliger Profi-Langstreckenläufer. Er hat mit 39 Jahren seinen ersten Ironman in Klagenfurt in 9:37:32 Stunden absolviert und bei seiner Vorbereitung die Herzfrequenzvariabilität (HRV) zur Trainingssteuerung eingesetzt.
Vor gut fünf Jahren hat Martin Beckmann seine Profikarriere als Marathonläufer beendet. Auch wenn dem Sport seither ein deutlich geringerer Stellenwert beikommt, ist Martin dem Ausdauersport treu geblieben. Er berichtet, wie er zum Triathlon kam.
Bald kristallisierte sich im Kreise meiner Freunde eine neue Herausforderung heraus: Ein Ironman sollte her. Was zunächst nur als flapsige Idee erschien, wurde über die Monate zunehmend konkreter: Beitritt im Verein bei Tria-Echterdingen, Schwimmtraining, Radtraining, Neoprenanzug, neues Rennrad, Zeitfahrmaschine, erste Wettkämpfe, usw. Das Vorhaben erhielt einen Namen: Projekt-2017. Erklärtes Ziel des Projekts war die Teilnahme als Einzelstartet beim Ironman Klagefurt in diesem Jahr. Im Team – eine Frau, fünf Männer und ein Trainer – gingen wir diese Aufgabe an.
Aufgrund meiner Vorgeschichte sollte die lange Ausdauerbelastung kein Problem darstellen. Die Herausforderung bestand zum einen darin, richtig Schwimmen zu lernen. Zum anderen musste ich das zeitintensive Training in meinen Alltag integrieren. Alss 100%-Berufstätiger, Familienvater und Häuslesbauer war das schon eine große Herausforderung, da ich praktisch nie Zeit habe. Umso wichtiger ist es für mich, dass die spärlich zur Verfügung stehende Trainingszeit optimal genutzt wird.
In diesem Beitrag beschreibe ich kurz, wie ich mit der Herzfrequenzvariabilitäts-Analyse (HRV-Ananlyse) und spikee mein tägliches Training gesteuert und die Langzeitentwicklung meiner Fitness kontrolliert habe.
Trainingskontrolle und –steuerung basiert in spikee auf den morgendlichen HRV-Ruhemessungen. Spikee lernt aus diesen Morgenmessungen ein individuelles HRV-Modell. Mit diesem Modell wird die tägliche HRV-Morgenmessung in die Kategorien erholt und fit (grün), belastet (rot) und mittel (gelb) eingeteilt. Anstrengende Trainingseinheiten führen so gut wie immer zu niedrigen (roten) HRV-Werten am Folgetag. Hingegen indizieren hohe (grüne) HRV-Werte einen erholten und fitten Zustand. Generell wird in der HRV-basierten Trainingssteuerung an Tagen mit niedrigen HRV-Werten, insbesondere wenn an mehreren Tagen hintereinander niedrige Werte gemessen wurden, die Trainingsintensität gering gehalten, während an Tagen mit hohen HRV-Werten intensive Einheiten möglich sind [1] .
Tägliche Trainingsauswertung
Der Zusammenhang zwischen Belastung und HRV-Messung am nächsten Morgen lässt sich sehr gut anhand der unten dargestellten Listenansicht von spikee zeigen. Der dargestellte Ausschnitt enthält die HRV-Werte vom 11. bis 17. Juni 2017. Am 11. Juni stand mit dem 5150 im Kraichgau der letzte Wettkampf vor Klagenfurt auf dem Programm. Es war höllisch heiß. Unser Trainer gab vor, wir sollen nur mit circa 90 Prozent belasten. Natürlich sind 90 Prozent auch eine starke Belastung. Die HRV-Morgenmessung am nächsten Tag war entsprechend tief rot. Überraschender als die Farbe der Morgenmessung war für mich die Tatsache, dass die Zeit von 2:25:32 Stunden zum deutschen Vizemeistertitel in meiner Altersklasse reichte.
In der Folgewoche sollte ich ganz normal weitertrainieren. Tatsächlich war ich am Dienstag schon wieder relativ gut erholt (gelbe Messung mit einem HF[2]-Wert von 1899 ms) und konnte wie geplant ein Intervalltraining auf der Bahn durchziehen. Auch von diesem intensiven Lauftraining habe ich mich relativ schnell erholt. Interessant ist aber der extrem niedrige (tiefrote) HRV-Wert am 16. Juni. Am Vortag stand ein FTP-Test auf dem Rad an. Dieser war zwar weniger intensiv (weniger Rot-Anteil in der Spalte Training am Vortag), trotzdem hat mich diese Trainingsform mehr belastet. Für mich ist dieser Zusammenhang nicht besonders überraschend, weil ich eben harte Tempoläufe auf der Bahn seit Jahren gewohnt bin, intensives Radtraining jedoch relativ neu für mich ist. Dieses Beispiel zeigt schön, wie man mit der Analyse in spikee herausfinden kann, welcher Typ man ist, wo die Schwächen liegen und was entsprechend mehr trainiert werden muss.
Mittel- und langfristige Leistungsentwicklung
Für die Analyse der langfristigen Fitness-Entwicklung benutze ich das Schaubild Leistungsentwicklung von spikee (siehe Abbildung). Hier wird über einen Zeitraum von 3, 6 oder 12 Monaten der täglich gemessene HRV-Parameter ln(RMSSD) [3] mit grauen Balken und sein über jeweils siebenTage ermittelter Durchschnittswert mit einer blauen Linie dargestellt. Der Verlauf des 7-Tage-Mittelwertes gilt als bester Indikator für die HRV-basierte Analyse der mittel- und langfristigen Fitnessentwicklung [2] .
Betrachtet man meine über ein Jahr dargestellte Kurve vom 01. August 2016 bis zum 15. Juli 2017 ist eine tendenzielle Steigerung klar ersichtlich. Langfristig hat mein Training also den gewünschten Effekt erzielt. Der schwingende Verlauf der blauen Kurve spiegelt die mittelfristige Periodisierung meines Trainings mit intensiveren und erholsameren Wochen wider.
Besonders interessant ist der Zeitraum unmittelbar vor und nach dem Wettkampf, der unten nochmal in vergrößerter Form dargestellt ist. Anfang Juni hatte ich schon einen konstant hohen Fitnesslevel erreicht. Die zwei langen Radeinheiten mit je 200 Kilometer am Pfingstwochenende 03. bis 05.Juni haben keine spürbare Belastung hinterlassen. Der oben schon erwähnte Vorbereitungswettkampf am 11. Juni – die Mitteldistanz Kraichgau Triathlon – und die daran anschließende recht intensive Trainingswoche stellten jedoch eine starke Belastung dar. Entsprechend gingen die HRV-Werte nach unten.
Nach dem 19. Juni wurde dann Umfang und Intensität des Trainings deutlich reduziert. Die HRV–Werte erholten sich und – wie es die Trainingstheorie postuliert – ist sogar der Superkompensationseffekt ersichtlich: Intensive Belastung gefolgt von ausreichender Regeneration führt zu einem höheren Fitnesslevel. Sieben Tage vor dem großen Wettkampf in Klagenfurt waren meine HRV-Werte auf Rekordniveau.
Werte vor dem Rennen
Die HRV-Werte in der Woche vor einem großen Wettkampf lassen sich nicht mehr so leicht interpretieren. Auch wissenschaftliche Studien zeigen für diese Periode widersprüchliche Zusammenhänge. Der Grund hierfür ist die zunehmende psychische Anspannung. Physisch werden in dieser Zeit ja meist keine Belastungen mehr gesetzt. Die mentale Belastung lässt die HRV-Werte aber genauso sinken. Deshalb wird die HRV-Analyse ja auch für die Stressindikation eingesetzt.
Meine HRV-Werte in den letzten beiden Wochen vor dem Wettkampf sind unten nochmal aufgeführt. Ein Effekt den ich und andere Athleten immer wieder beobachten ist auch hier zu sehen: Lange Reisen, in meinem Fall mit dem Auto circa 6 Stunden von Stuttgart nach Klagenfurt, wirken sich auf uns bewegungssüchtige Sportler negativ aus. Nach solchen Reisen sind die HRV-Werte meist ein oder mehrere Tage im Keller. Ein Beleg dafür, dass es Sinn macht früh genug vor dem Wettkampf anzureisen, bzw. im Trainingslager gleich am ersten Tag voll zu belasten.
Am Tag des Wettkampfs 02. Juli 2017 fühlte ich mich früh morgens völlig entspannt. Der HRV-Wert war tatsächlich auch sehr hoch. Beste Voraussetzung also für einen gutes Debüt auf der Langdistanz. Mit dem Wettkampf war ich dann tatsächlich auch sehr zufrieden. Die Belastung war zwar langandauernd, aber in einem Intensitätsbereich, den ich, verglichen mit den Marathonläufen, als sehr komfortabel empfand. Unangenehm waren lediglich die letzten 20 Kilometer auf der Laufstrecke. Ich hatte versehentlich ein zu kaltes Getränk zu mir genommen, was heftige Magenkrämpfe nach sich zog. Nach 9:37. 32 Stunden war für mich das Projekt 2017 erfolgreich beendet.
Nach dem Ironman Kärnten. blieben meine HRV-Werte noch lange im tiefroten Bereich – ich habe also doch alles gegeben.
Text: Martin Beckmann
Graphiken: www.spikee.de
Fotos: privat
Referenzen
[1] Kiviniemi, A. M., Hautala, A. J., Kinnunen, H., and Tulppo, M. P. (2007); Endurance training guided individually by daily heart rate variability measurements. Eur. J. Appl. Physiol. 101, 743–751. doi: 10.1007/s00421-007-0552-2
[2] Plews D.J., Laursen P.B, Kilding A.E., Buchheit M. (2012); Heart rate variability in elite triathletes, is variation in variability the key to effective training? A case comparison; Eur. J. Appl. Physiol. 112. doi: 10.1007/s00421-012-2354-4
[2] HF: der hochfrequente Anteil der HRV. Dieser Wert ist wie der RMSSD ein anerkannter Indikator für Erholung und Fitness. Niedrige Werte indizieren starke Belastung.
[3] Der RMSSD korreliert stark mit dem HRV-Parameter HF und indiziert wie dieser die Erholung und Fitness. Mit ln(RMSSD) wird der natürliche Logarithmus des RMSSD bezeichnet.