Unser Tester Holger Schmidt ist die neuen „ARC1100“ Laufräder von DT Swiss in zwei Monaten rund 3.500 Kilometer gefahren und hat sie zwei Ultracycling-Härtetests unterzogen. Hier sein Erfahrungsbericht.
Bereits weit im Voraus freute ich mich auf die DT Swiss ERC1100 Road Revolution Laufräder, denn aufgrund der Kooperation mit Swiss Side sollte laut DT Swiss etwas Neues und Revolutionäres auf den Markt gebracht werden. Ich war sehr gespannt und als das Paket eintraf, spürte ich irgendwie bereits beim Auspacken, dass ich nicht enttäuscht werden würde.
Laufräder mit zeitlosem Design
Das sehr schlicht gehaltene, in Seidenschimmer gehüllte Design sieht nicht nur zeitlos schön aus, sondern macht bereits rein optisch einen qualitativ hohen Eindruck. Die Verarbeitung ist perfekt und meine Mundwinkel formten sich bereits beim ersten Betrachten nach oben und endeten in einem Strahlen.
Die Montage der Reifen zeigte sich allerdings etwas zäh, da vermutlich der Felgendurchmesser etwas grösser ist als Standard. Man muss schon recht wuchten bis der Reifen letztlich über die Flanke rutscht. Ohne Reifenheber ist eine Montage definitiv undenkbar und beim Montieren sollte daher dringend der Schlauch beachtet werden, denn wenn dieser beim Hebeln zwischen Reifen und Flanke klemmt, kann er anschließend garantiert entsorgt werden.
Bezüglich der Reifen hatte ich zumindest bei meinen Testrädern ein kleines Problem. Montiert waren zunächst die Continental GrandPrix4000. Leider war es mir nicht möglich, die Contis so zu montieren, dass keine Unwucht beziehungsweise kein Höhenschlag vorhanden war. Nach mehrfachem Abmontieren, Drehen, Verwenden von Talkum und letztlich einem weiteren Satz Contis, habe ich zu den Michelin Power Competition gegriffen, die letztlich ohne Probleme montiert werden konnten. Ob das Problem nun an den Felgen oder an den Contis lag, bleibt offen, jedenfalls harmoniert diese Kombi bei meinem Testradsatz leider nicht.
Sound-Erlebnis par excellence
Nach der Montage des Ritzelpakets ging es mit den 48 Millimeter hohen Felgen auf die erste Fahrt. Hier wurde ich durch zwei akustische Eigenschaften überrascht – die für Carbonräder eher untypische, totale Laufruhe und der abartige Sound des Freilaufs. Die Räder haben auch bei schneller Fahrt so gut wie keine Geräuschemission, was ein tolles Gefühl von „Dahingleiten“ beschert. Das typische, vom Untergrund abhängige „Röhren“ von Carbonrädern fehlt bei den ARC1100 nahezu gänzlich. Durch den Sound des Freilaufs benötigt man zudem auch keine Klingel am Rad – vor walkenden Hausfrauen auf dem Radweg muss man nur kurz aufhören, zu pedallieren und die Spur ist garantiert geräumt :-). Bei einem Radmarathon einige Wochen später grinste mich ein Mitfahrer nach einer rasanten Abfahrt in meinem Windschatten nur an und meinte, „krass – ich wusste nicht, dass man sich beim Radfahren auch einen Hörsturz holen kann“ – geht, ist aber natürlich Geschmacksache. I love it!
Härtetest für Mann und Material
Die Laufräder wurden diesmal neben gut 2.500 Kilometer im täglichen Betrieb einem beziehungsweise sogar zwei richtigen Härtetests unterzogen. Bei meiner Teilnahme am Ultracycling-Event „Glocknerman“ entschied ich mich für die DT Swiss-Laufräder, da sie universell einsetzbar sind und sich im Training zuvor als würdig erwiesen haben. Die Strecke führt über 450 Kilometer und über 8.000 Höhenmeter von Graz über diverse Pässe letztlich auf die Edelweissspitze beim Grossglockner. Neben unterschiedlichsten Strassenverhältnissen, Baustellenbereichen, rasanten Abfahrten, steile Anstiege sowie staubtrockene Hitze und Platzregen mit Gewitter in der Nacht war so ziemlich alles an (Straßen)bedigungen dabei, um die Laufräder auf Herz und Nieren zu testen.
Mein Fazit nach dem Rennen: Sensationell! Kein Platten, keine Schäden, keine Grenzsituationen, in denen die Räder ans Limit kamen. Das Bremsverhalten ist auch bei Nässe sehr gut (mit den empfohlenen Swiss Stop Belägen) und auch bei maximalem Speed 90 km/h fühlten sich die Laufräder einfach bombensicher an.
Das Einzige, was manchmal etwas negativ auffiel, war ein leichtes Knarzen am Hinterrad, wenn wirklich Kraft auf die Pedale kam. Das liegt offenbar an den Speichensitzen und war mit einer leichten Benetzung durch WD40 sofort behoben.
344 Kilometer mit dem Rad durch Italien, Österreich und Slowenien
Ein weiterer Härtetest war der Einsatz der Laufräder beim Ultra 3 Confini, der mit 344 Kilometer und knapp 7.000 Höhenmetern den Felgen letztlich sogar noch mehr abverlangte als der Glocknerman. Hier ging es anfangs über wirklich abgelegene Bergstrassen empor. Steigungen bis zu 25 Prozent auf teilbefestigten Wegen, waren nicht nur einmal zu bewältign. Es gab technisch sehr anspruchsvolle und pfeilschnelle Abfahrten, den legendäre Monte Zoncolan, bei dem wohl maximale Kraft in den Antrieb gepumpt wird, Kopfsteinpassagen, erneut Platzregen, sehr starke Windböen und lange Baustellenabschnitte. Da ich in der Zwischenzeit vollstes Vertrauen in die Laufräder entwickelt habe, bin ich – auch wenn dieses Rennen Self-Supported war – volles Risiko gefahren. Im Ziel angekommen fiel mein Fazit erneut sehr positiv aus: Die Laufräder haben keinerlei Ermüdungserscheinungen gezeigt, keine Grenzsituationen – nichts.
Fahrgefühl und Farstabilität sind top
Dass Swiss Side bei der Entwicklung involviert war, spürt man, wenn es schnell wird und der Seitenwind versucht, einen in den Graben zu ziehen. Gefühlt finde ich die Anfälligkeit gegen Windböen geringer, als bei anderen Laufrädern mit gleicher Flankenhöhe. Auch die Spurtreue ist bei wechselnden Sturmböen genial. Ob die Räder schneller sind als andere, das kann im Prinzip nur das Labor auswerten. Mir ging es um das Fahrgefühl und die Fahrstabilität und beides ist bei den ARC1100 überwältigend.
Testfazit
Letztlich muss ich sagen, dass die ARC1100 von DT Swiss nach diesen ausgiebigen Tests meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen haben. Man fährt mit diesen Carbonrädern wie auf Panzern, die nichts aufhalten kann. Stabilität war bei der Entwicklung offenbar mit oberste Priorität und das Fahrverhalten ist begleitet durch die erwähnten akkustischen Eigenschaften eine Klasse für sich. Auf diesen Rädern fühle ich mich in jeder Situation absolut sicher und man hat nicht das Gefühl, sich auf filigranem, zerbrechlichem Material zu bewegen, was bei vielen Carbonrädern doch mehr oder weniger der Fall ist. Ich persönlich muss sagen, dass diese Laufräder das Beste sind, auf was ich je gerollt bin. Ob der hohe Preis (in der Scheibenbremsenversion EVP pro Set: 2.388 Euro) gerechtfertigt ist, darüber lässt sich bekanntlich streiten, aber wer sich einen professionellen Laufradsatz dieser Preisklasse zulegen möchte, dem kann ich den ARC1100 mit gutem Gewissen empfehlen.
Text: Holger Schmidt
Fotos: Meike Maurer