Michaela Renner-Schneck testete in den letzten acht Monaten den Stryd Powermeter. Dabei ging es um das Thema Wattmessung beim Laufen. Heute – in ihrem letzten Beitrag zu dieser Testserie, trifft sie ihr Schlussfazit.
Stryd-Pioneer und der Nachfolger Stryd-Summit
Meine Testreihe zum Stryd Running-Powermeter fiel in einen für mich als Testerin sehr günstigen Zeitraum. Als ich meine Testserie im Sommer 2016 begann, war das erste Powermeter-Modell, der Stryd-Pioneer Brustgurt-Powermeter, zwar noch relativ neu auf dem Markt, aber doch schon lange genug, um den Produktentwicklern Zeit zu geben, erste Nutzerfeedbacks für Weiterentwicklungen zu nutzen. So kam ich also in den Genuss, neben dem Stryd-Pioneer auch dessen Nachfolgermodell, den Stryd-Summit Foot-Pod-Powermeter, testen zu dürfen – und ihr kommt daher nun in den Genuss meines Fazits zu beiden Modellen und eines erfahrungsbasierten Vergleichs Brustgurt vs. FootPod.
Das Augenscheinliche zuerst: Während es sich beim Stryd Pioneer um einen Brustgurt-Sensor handelt, ist sein Nachfolger, der Stryd-Summit, im Grunde ein Foot-Pod, also ein Sensor-Chip, der an den Laufschuh geklippt wird.
Auf einige Auswirkungen dieses Unterschieds auf die ermittelten Daten werde ich später kurz eingehen. An dieser Stelle will ich zunächst einmal festhalten: Beide Powermeter funktionieren einwandfrei und zuverlässig (siehe meine Beiträge 1,2,6 und 7) und sind beide mit den meisten der gängigen Trainingscomputer aus dem mittleren und oberen Preissegment kompatibel. Der besonders intensive Support für Gramin-Devices, die Entwicklung einer eigenen Stryd-IQ-App und die Implementation der Running-Power als zusätzliches Datenfeld in der Garmin Basissoftware lässt eine enge Zusammenarbeit zwischen Stryd und Garmin vermuten. Soweit ich es beurteilen kann, läuft aber auch die Kommunikation und der Datenaustausch mit Suunto sowie mit dem Online-Auswertungsportal von Stryd und Portalen wie GarminConnect, Strava und TrainingPeaks.
Leistungswerte vom Laufen nicht mit Rad-Werten vergleichbar
Eines vorneweg: Die absoluten Leistungswerte in Watt auf dem Rad und beim Laufen sind zwei paar Stiefel und nicht direkt miteinander vergleichbar. Führt man sich vor Augen, wie beide ermittelt werden, ist das in der Theorie auch absolut logisch und bestätigt sich in der Praxis.
Um den Stryd-Powermeter zur Steuerung seines Lauftrainings nutzen zu können, muss ein eigenständiger, laufspezifischer Test durchgeführt werden. Ebenso sollte man sich generell als Verwender eines Running-Powermeters bei der Trainingsauswertung klarmachen, dass – anders als beim Radfahren – es nicht notwendigerweise Ziel eines Trainingsplans ist, mehr Watt zu produzieren, sondern es eher darum geht, mehr „Speed pro aufgebrachtem Watt“ zu erreichen. In meinem tritime-Beitrag zur Running-Efficiency bin ich darauf bereits detaillierter eingeganden. (siehe mein Beitrag dazu)
Running-Power taugt schon jetzt als unbestechliche Steuergröße
Nach einigen Monaten Lauftraining mit Powermeter kann ich eindeutig sagen, die Anzeige der aufgebrachten Leistung in Echtzeit ist mehr als eine reine Spielerei für datenverliebte Ausdauersportler. Ähnlich wie beim Radfahren, stellt die Running-Power eine wertvolle Steuergröße für die aktuelle Trainingsbelastung dar, die sich weder von Wind und Wetter, noch von schlechter Laune „beeindrucken“ lässt. Darüber hinaus lässt sich, analog zu Pace oder Herzfrequenz als Steuergrößen, auch für die Power anhand von geeigneten Tests oder Langzeitstatistiken, Trainingsbereiche definieren und Trainingsvorgaben erstellen. Noch viel wertvoller aber finde ich persönlich die retrospektive Betrachtung von Running-Powerdaten, zum Beispiel, um die tatsächliche Intensität einer Trainingseinheit objektiv zu beurteilen – ein Tool, von dem vor allem Trainer enorm profitieren können.
Spannende Metriken, die zum Teil noch heiß diskutiert werden
Ziel: Verbesserung der Laufökonomie
Ein zentrales Argument für den Einsatz eines Running-Powermeters ist die Möglichkeit, anhand der gesammelten Daten, Aussagen über die Ökonomie eines Läufers, seine „Running Efficiency, RE“, zu treffen. Mit Hilfe einiger eigens zu diesem Zweck entwickelter Metriken bekommt man so ein Instrument an die Hand, den eigenen Laufstil nicht nur zu analysieren, sondern gezielt an dessen Ökonomisierung zu arbeiten. Sprich: schneller zu laufen, ohne dafür mehr Energie aufwenden zu müssen. Klingt gut, oder? Ich persönlich bin in der Tat der Auffassung, dass hier vielleicht das größte Potential für den Einsatz von Running-Powermetern schlummert.
Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings wird in einschlägigen Kreisen noch relativ ergebnisoffen diskutiert, welche Metrik zu diesem Zweck die geeignetste sein könnte. Auf einige dieser Größen bin ich in meinen vorausgegangenen Artikeln bereits eingegangen (Stichworte: Leg-Spring-Stiffness, Speed per Watt, Running Efficiency Index) und je nachdem, mit wem ich gerade diskutiere, tendiere ich zu einer anderen Metrik als die geeignetste Größe zur Evaluation der Laufökonomie. Erschwerend kommt hinzu, dass manchmal auch schlicht unterschiedliche, gleichberechtigte Möglichkeiten existieren, ein und das selbe Prinzip mathematisch auszudrücken. Ich erspare euch daher und mir an dieser Stelle auch, den Versuch, alle gegenwärtigen Metriken bzüglich der Running Efficiency aufzulisten oder gar zu bewerten.
Form-Power
Einzig auf die sogenannte From-Power möchte ich doch noch etwas näher eingehen, da diese Metrik sehr schön den Unterschied zwischen einem Burstgurt-Powermeter und einem am Fuß befestigten Powersensor veranschaulicht. Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich beim Stryd-Pioneer um einen Brustgurt-Sensor, während sein Nachfolger, der Stryd-Summit, als Foot-Pod an den Laufschuh geklippt wird. Bei ersterem dürfte somit klar sein, dass es sich hierbei eindeutig um einen 3D-Sensor handelt, der basierend auf einem laufspezifischen Algorithmus aus den Beschleunigungen in allen drei Raumebenen und der Laufgeschwindigkeit (per GPS ermittelt) einen Leitungswert (oder besser gesagt drei Leitungswerte) in Watt berechnet. Beim Stryd-Summit dagegen würde man rein intuitiv vermuten, dass es sich um einen 2D-Sensor handelt, da, bedingt durch die Anbringung am Fuß, (energieverbrauchende) Horizontalbewegungen des Torsos nicht erfasst werden können. Stimmt auch – allerdings nur eingeschränkt. Die Leute von Stryd haben nämlich für ihren Summit einen Algorithmus entwickelt, mit welchem auch aus den Foot-Pod-Daten eine Metrik, die sogenannte Formpower berechnet werden kann, welche jenen Anteil der Leistung repräsentiert, der einzig und allein aufgebracht werden muss, um die Laufbewegung aufrecht erhalten zu können und somit nicht zum Vortrieb beiträgt. Streng genommen ist das sicher nicht dasselbe wie Bewegungen in der Horizontalebene zu ermitteln, und leider halten sich die Leute von Stryd bezüglich ihrer Formel für diese Formpower auch ziemlich bedeckt – ist vermutlich, stark vereinfacht ausgedrückt, so eine Art Differenzbetrachtung zwischen aufgebrachter Leistung und erzieltem Vortrieb. Auf der anderen Seite stimmt es aber auch, dass Bewegungen in den Horizontaleben nicht notwendigerweise kontraproduktiv sind – den Oberkörper komplett steif zu halten, kann unter Umständen mehr Energie kosten, als es die Laufeffizienz positiv beeinflusst.
REI / STRYD-improve
Womit wir auch schon beim nächsten Punkt meiner Stryd-Zusammenfassung wären. Wie ich schon erwähnt habe, halte ich die Möglichkeit die Bewegungs-Ökonomie eines Läufers in Zahlen ausdrücken zu können für einen der gewichtigsten Faktoren, sich einen Running-Powermeter anzuschaffen. Auf die griffige Größe Speed per Watt und den etwas „verkopfteren“ Running Efficiecy Index bin ich in einem meiner letzten Beiträge bereits detailliert eingegangen.
Ziel: Stress-Estimate / Verletzungsprohylaxe und Trainings-(Plan-)steuerung
Darüber hinaus hat der Stryd Running-Powermeter aber auch das Potential zur Langzeit-Belastungssteuerung und gegebenenfalls sogar zur Verletzungsprophylaxe eingesetzt zu werden. Die Idee dahinter ist die Berechnung eines Power-basierten Training-Stress-Scores – in Anlehnung an bereits etablierte Belastungsindices wie dem TSS, einem powerbasierten Belastungsscore aus dem Radsport und Metriken wie dem TRIMP-Score, dem LTS/STS oder der Coggan-ATL/CTL, wie sie bisher in HF- oder RPE-basierten Modellen ermittelt wurden.
Running-Stress-Score – RSS / rTSS
In diesem Zusammenhang hat Stryd sogar eine eigene Metrik, den Running-Sress-Score entwickelt (siehe Blog). Das Potential und der Mehrwert einer solchen Metrik zu Belastungssteuerung dürften wohl ziemlich unbestritten sein. Die Diskussion jedoch, wie man einen solchen powerbasierten Stress-Score für das Laufen am besten ermitteln sollte, ist noch lange nicht abgeschlossen.
Während die Stryd-Entwickler steif und fest behaupten, „ihr“ RSS repräsentiere die Laufbelastung empirisch am exaktesten, sich jedoch bei der empirischen Herleitung ihrer Formel nicht wirklich in die Karten schauen lassen* (Kappa-Koefffizient), haben andere Softwareentwickler bereits alternative Stress-Scores für die Auswertung von Running-Powerdaten präsentiert, die meines Erachtens nach mindestens genau so plausibel und praktikalbel sind. Ein Beispiel hierfür wäre der rTSS ermittelt von Alejandro Martinez zur Verwendung mit der Software Golden Cheetah .
Worin sich aber die meisten wie auch immer gearteten Stress-Scores gleichen ist die Tatsache, dass sie sich schwer tun, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, also einzuschätzen unterschiedliche Sportarten zusammen zu skalieren. Doch ist es nicht genau das, was speziell wir Triathleten uns von einer Metrik zur Einschätzung der Gesamttrainingsbelastung wünschen würden? Eine Art Punktesystem, welches uns nicht nur sagt, wie lange wir uns zum Beispiel nach einem 60-minütigen Lauf erholen sollten, sondern auch wie sich die benötigte Erholungszeit verändert, wenn wir das ganze unmittelbar nach einer langen Radeinheit unternehmen?
Auch in diesem Punkt sind bereits einige Diskussionen im Gange – und mal abgesehen von „geht nicht, verlass dich auf dein Gefühl“ oder „summiere einfach die Werte vom Radfahren und vom Laufen, das passt dann ungefähr“, auch einige interessante Ansätze darunter, nichts von dem hat mich aber bisher so weit überzeugt, dass ich es hier an dieser Stelle breittreten müsste.
Fazit: In ihrer praktischen Anwendung und Funktionalität haben mich sowohl der Stryd-Pioneer als auch sein Nachfolger, der Stryd-Summit, überzeugen können und ich würde sie ohne Weiteres weiterempfehlen. Zu Gute halten muss man den Entwicklern insbesondere ihren schnellen und sehr direkten User-Support. Wobei diese Direktheit vermutlich eher der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass die Stryd-Jungs als klassische StartUp-Unternehmer wohl schlicht nicht über eine Service-Abteilung mit nerviger Telefon-hotline verfügen.
Auch die Bemühungen seitens Stryd, das Prinzip einer powerbasierten Trainingssteuerung auch einem weniger Daten-Auswertungs-fanatischen Publikum zugänglich zu machen, finde ich erwähnenswert. So bieten die Stryd-Entwickler beispielsweise ihren Usern direkt auf ihrem Online-Auswertungsportal, unter dem Feature „Stryd-improve“, eine sehr anschauliche Übersicht über die absolvierten Trainingsinhalte an, und, daraus abgeleitet, wo Verbesserungspotential vorhanden sein könnte. Des Weiteren ist eine eigene, rein powerbasierte Stryd-Pacing-App für den zurzeit in der Beta-Testphase. Ich habe mich für den Testpool gemeldet – meine Test-Artikel-Serie zum Running-Powermeter ist jedoch mit diesem Beitrag offiziell beendet
Trotz einiger kleiner Kritikpunkte fällt mein Schlussfazit in Sachen Running-Powermeter im Allgemeinen und den Modellen von Stryd im Speziellen nach rund acht Monaten Testphase sehr positiv aus.
Zum jetzigen Zeitpunkt mag Laufen mit Powermeter zwar noch eine „Spielerei“ datenverliebter Ausdauersportler sein, ganz zu schweigen von einer powerbasierten Trainingssteuerung, ich denke aber, dass sich diese Technologie, wie zuvor schon im Radsport, in nicht allzu ferner Zukunft auch in Läuferkreisen durchsetzen wird.
In diesem Sinne – Power to the fun of running!
Es grüßt ganz herzlich,
Die Rennschnecke
Text: Michaela Renner-Schneck
Foto: privat