Vom Handballer zum Triathleten

Handballer Ralhp Kuntz bei seinem ersten Triathlon-Finish beim Mey Generalbau Triathlon in TübingenRalph Kuntz war Handballer bis er eher zufällig zum leidenschaftlichen Triathleten wurde. Warum und wie er seinen ersten Triathlon gemacht hat, erzählt der 43-Jährige selbst.

 

Mein Name ist Ralph Kuntz, 43 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Töchtern im Alter von 7 und 11 Jahren. Wir wohnen in Tübingen, direkt am Neckar mit Blick zum Freibad, was mich natürlich vor allem in den Sommermonaten dazu verleitet, entweder frühmorgens schon im Freiwasser zu trainieren oder „Kacheln zu zählen“.

Mein berufliches Leben verbringe ich als Unternehmensberater in einer Steuerberater-Kanzlei, erstelle Jahresabschlüsse, Steuererklärungen und Planungsrechnungen. Seit Februar 2017 hat mein Arbeitgeber neue Geschäftsräume in Tübingen bezogen, was für mich in Bezug auf die Zeitplanung natürlich optimal ist. Da ich nun morgens und abends jeweils eine Stunde Fahrweg einspare, bin ich in einem Dilemma: Die Familie erwartet, dass ich nun mehr Zeit mit ihr verbringen kann. Der Arbeitgeber freut sich, wenn ich mehr Zeit im Büro bin. Und ich dachte, ich hätte jetzt mehr Zeit fürs Triathlon-Training.

Sport gehört schon mein ganzes Leben zu mir. Bereits als Sechsjähriger begann ich in meiner Heimatstadt Ditzingen mit dem Handball spielen. Fast zur gleichen Zeit begann ich auch mit Leichtathletik. Dabei hat es mir vor allem der Weitsprung angetan. Irgendwann musste ich mich aufgrund der Trainingsinhalte und dem Thema Zeitmanagement für eine Sportart entscheiden. Die Wahl fiel auf den Mannschaftssport. Die große Leidenschaft für Handball hielt bis 2010. Dann endete die Handballkarriere im wahrsten Sinne abrupt mit einem Riss der Patellasehne im linken Knie.

Ballverbot als Handballer – und nun?

Nachdem die Handballkarriere so schmerzhaft beendet wurde, stand zuerst einmal eine längere Reha an. Dabei spielte mir eine hervorragende Fügung des Schicksals in die Karten. Was haben Jan Frodeno und ich gemeinsam? Wir leisten uns beide einen privaten Physiotherapeuten! Ich bin mit meinem sogar schon seit 20 Jahren zusammen und seit 2003 verheiratet :-). Wenn man mit einer Physiotherapeutin verheiratet ist, dann ist das Fluch und Segen zugleich. Klar, hilft mir meine Frau „ohne Rezept“, wenn wieder einmal der Rücken zwickt oder die Faszien nach dem Wettkampf dicht machen. Aber zum anderen erteilte sie mir ein lebenslanges Verbot, jemals wieder bei einem Sport einen Ball zu benutzen. Da blieb mir neben Schach nicht viel Auswahl. Und wenn man als Handballer gewohnt ist, den kompletten Körper einzusetzen, dann sollte es schon eine Sportart sein, die nicht zu monoton daher kommt.

Die Triathleten spinnen doch!

Als 2015 der erste Mey-Generalbau-Triathlon organisiert wurde und ich die ersten Berichte in der Zeitung dazu gelesen habe, dachte ich mir: Die Triathleten spinnen doch! Als Handballer lief man maximal 40 Meter. Dann war das Spielfeld zu Ende. Das ging so ein paar Mal hin und her, dazwischen konnte man sich auswechseln lassen und sich erholen. Das war zur Jugendzeit in der Leichtathletik nicht anders. Beim Weitsprung reichten 30 Meter Anlauf. Den 100-Meter-Lauf mochte ich nicht wirklich, der war mir zu lang. Das waren so gesehen nicht die optimalsten Voraussetzungen für Triathlon.

Mein erster Triathlon mit professioneller Vorbereitung

Trotzdem hat es mich gereizt. Vielleicht war es die legale Art, einmal im Neckar schwimmen zu dürfen. Vielleicht war es auch die oft in der Szene vorherrschende Meinung der Jung-Vierziger, es sich (und gerne auch den Anderen) beweisen zu wollen, dass man noch „was drauf hat“. Womöglich war es auch ein rein schwäbisches Phänomen, kostenlos die Trainingsvorbereitung mit professioneller Unterstützung durch den Hauptsponsor Mey-Generalbau, die sogenannten Meydays, mitzumachen. Und so kam es, dass ich ab Frühjahr 2015 jeden Mittwochabend bei den verschiedenen Disziplinen geschwitzt, trainiert und vor allem viel gelernt habe. Mit der Tübinger Profi-Triathletin Svenja Bazlen stand uns eine hervorragende und sympathische Expertin zur Seite.

Handballer Ralph Kuntz auf seinem Triathlonrad beim Mey Generalbau Triathlon in TübingenFragen über Fragen

Mein erster Triathlon fand am 3. August 2015 in Tübingen statt. Zu Beginn sollte es die Sprint-Disziplin sein. Ich muss zugeben, dass ich ganz schön aufgeregt war. Komm ich überhaupt beim Schwimmen an? Klappt alles in der Wechselzone? Hoffentlich mache ich keinen Regelfehler oder vergesse das Windschattenverbot auf dem Rad. Die Tübinger Neckarbrücke war voll mit begeisterten Menschen. Eine super Stimmung, die ich voll genießen konnte. Bis heute habe ich jetzt schon mehrere Rennen gefinished und kann wohl zu Recht behaupten, dass die Stimmung beim Mey-Generalbau-Triathlon einmalig in Baden-Württemberg ist.

Triathlon ist etwas für Kämpfer

Am Triathlon besonders gut finde ich, dass ich im Ziel jedes Mal diese Bestätigung erhalte, etwas erreicht zu haben. Auch wenn ich in jedem Wettkampf mindestens einmal das Gefühl habe, aufhören zu müssen, habe ich mir bislang kein „DNF“ erlaubt. Genau in solchen Momenten die eigene Motivation aufrechtzu halten, über Unlust und Schmerzen hinweg zu sehen und weiter zu kämpfen, fasziniert mich so an diesem Sport. Auch wenn ich oft keine Lust auf Schwimmen habe, kämpfe ich mich über die Stecke und bin am Ende stolz darauf, das Ziel erreicht zu haben. Kein Anderer hat es geschafft, nur ich selbst. Und als ehemaliger Mannschaftssportler komme ich trotzdem bei den Meydays in den Genuss, in einer Individualsportart gemeinsam mit anderen Sportlern trainieren zu können.

Eine Strategie für Triathlon

Auf jeden Fall hat mich der Mey-Generalbau-Triathlon so fasziniert, dass ich seitdem alles verfolge, was mit dem Sport zu tun hat. 2015 folgten noch zwei weitere Sprint-Distanzen und schnell war klar, dass „nur das reine Mitmachen“ als Motivation nicht reicht. Ich suchte also die Herausforderung, ich suchte meine „Strategie“ für diesen Sport.

Mein letzter Wettkampf der Saison 2015 war gleichzeitig das Finale des BW-RegioCups. Eine Gesamtwertung von Sprint-Distanzen in Baden-Württemberg. 2016 wurde der BW-RegioCup mit elf Wettkämpfen durchgeführt. Da 2016 erstmals eine Wertung eingeführt wurde, die Extra-Punkte ab der vierten Teilnahme ermöglichte, war für mich das sportliche Ziel 2016 geboren. Ich will an allen elf BW-RegioCup-Wettbewerben das Ziel erreichen. Start war Ende April 2016 im Backnanger Freibad bei 4 Grad Lufttemperatur und zeitweise Schneefall. Das Finale fand am 3. Oktober beim Waiblinger-Söhrenberg-Triathlon statt.

Warum macht man so etwas freiwillig?

Ich bin davon überzeugt, dass in jedem Triathleten ein Egoist steckt. Das merkt man spätestens beim Schwimmstart, bei dem man keine Freunde mehr kennt. Wenn ich bei einem Rennen schon aufgrund der Leistungsfähigkeit nicht herausstechen kann, dann eben über die Masse der Teilnahmen. Deshalb war für mich die komplette BW-RegioCup-Serie das passende Ziel für 2016. Am Schluss haben mir die Bonus-Punkte dazu verholfen, in der Gesamtwertung auf den 19. Platz zukommen. Wohlgemerkt unter über 600 Teilnehmern.

Für 2017 steht Distanz über Quantität. Die Saison 2017 beginnt Anfang Mai mit der Olympischen Distanz in Rheinfelden. Als Highlight folgt im Juni der Ironman 70.3 Kraichgau. Nach der Olympischen Distanz beim Tübinger Mey-Generalbau-Triathlon am 6. August werde ich mein Training auf die Teilnahme am Frankfurt-Marathon Ende Oktober fokussieren. Nachdem ich schon des Öfteren an Halbmarathon-Rennen teilgenommen habe, soll das eine ganz eigene und neue Erfahrung werden. Aber so wie ich mich kenne, wird es wohl doch nicht „nur bei drei Triathlons in 2017 bleiben …

Mein täglicher Triathlon

Beruf, Familie und Training zu koordinieren ist mein täglicher Triathlon. Da ich zudem ein Morgenmuffel bin, fallen frühmorgendliche Trainingseinheiten recht spärlich aus. Unter der Woche verlagert sich das Training auf die Abendstunden, das Wochenende birgt momentan noch die meisten Einheiten. Sobald das Tübinger Freibad öffnet, werden die Schwimmeinheiten wieder intensiviert. In dieser Saison versuche ich zudem meine Trainingsinhalte zu optimieren, in dem ich auch mal Intervalle und Puls gesteuerte Einheiten bewusster einbaue. Es kommt schon mal vor, dass ich bei einem GA1-Training ziemlich langsam am Neckar entlang laufe oder auch mal auf der 400-Mere-Bahn wie ein Verrückter die Runden ziehe. Zudem schaue ich diese Saison bewusster auf meine Ernährung.

Triathlon boomt

Es gibt wenige Dinge, die mich am Triathlon stören. Immer mehr Menschen suchen die Herausforderung beim Schwimmen, Radfahren und Laufen. Und das führt vor allem bei der zweiten Disziplin dazu, dass viele Triathleten gleichzeitig auf der Straße unterwegs sind. Das Windschattenverbot wird dabei kaum eingehalten. Entweder, weil es eben zu viele Sportler auf einmal sind, oder weil viele Triathleten die Regeln nicht kennen (oder kennen wollen). Hier stört mich die Tendenz, dass man seit dieser Saison sogar dazu übergeht und die Windschattenzone noch vergrößert. Ich glaube, das Windschattenverbot ist auf keinem Wettkampf mehr legal einzuhalten.

Was mir eher zum Lächeln bringt, sind die Wettkampf-Strategien einiger Triathleten. Wenn ich mich in der Wechselzone umschaue und die Konkurrenz beäuge, dann finde ich es jedes Mal wahnsinnig interessant, wenn bei einer Sprintdistanz die Oberrohre der Räder komplett mit Gels beklebt werden. Ich frage mich dann immer, wann die Athleten auf 20 Kilometer so viel Zeit und Hunger haben, um das alles zu essen? Und wenn ich neben einer Zeitfahrmaschine im Wert eines Kleinwagens ein Brötchenfahrrad mit Gepäckkorb entdecke weiß ich, dass die Mischung aus hochprofessionellem Sport und technischen Raffinessen in der breiten Masse ankommen ist.

Als Triathlon-Rookie das Schwimmen managen

Die meisten Triathlon-Novizen haben vor der kürzesten Disziplin den größten Respekt. So war es bei mir zu Beginn auch und so ist es auch heute noch bei jedem Rennen. Ich habe bei den ersten Rennen den typischen Fehler gemacht und mich vom Massenstart beim Schwimmen mitreißen lassen. Ich habe also völlig überzogen. Das rächte sich gewaltig. Klingt komisch, aber für mich ist das Schwimmen eine reine Kopfsache. Ich sage mir tatsächlich bei jedem Atemzug und jeder Kraulbewegung „Lass dir Zeit“. Der Satz, „beim Schwimmen gewinnt man keinen Triathlon, aber man kann ihn verlieren“ ist wahr. Wenn ich bei einem 10-Kilometer-Lauf starte, renne ich auch nicht gleich los, als wäre ich bei einem 100-Meter-Finale. Und mittlerweile kenne ich meine Stärken im Triathlon. In der Wechselzone hole ich durch „eingespielte Abläufe“ und durch das bewusste Trainieren von Koppeltrainings viele Teilnehmer ein. Auf dem Fahrrad kommen mir meine Handballer-Oberschenkel zugute. Und was mir auch immer wieder hilft, ist das Lernen von Anderen. Sei es bei unseren Meydays, aus den Medien und Fachzeitschriften oder einfach nur durch Beobachten anderer Sportler bei Wettkämpfen. Und wenn man nach 51,5 km im Ziel die Finisher-Medaille bekommt, dann freut man sich auch über das bisschen Schwimmen zu zu Beginn des Wettkampftages.

Lieblingstriathlon-Rennen

Es wird sicherlich niemanden wundern, dass mein absolutes Lieblingsrennen der Mey-Generalbau-Triathlon in Tübingen ist. Dafür sprechen aber auch ganz klare Punkte: Es gibt aus meiner Sicht keinen weiteren Wettkampf, der für Hobby-, Breiten- und auch Spitzensportler so eine professionelle Möglichkeit bietet. Von der Schnupper- über die Sprintdistanz bis zur olympischen Strecke bietet sich für jeden die Möglichkeit, den Dreikampf an einem Ort zu betreiben, der seinesgleichen sucht. Freiwasserschwimmen im Neckar. Laufen in der historische Altstadt. Dabei auch noch die Triathlon-Bundesliga zu erleben und wenn man Glück hat, wie letztes Jahr auch Teilnehmer der Olympischen Spiele zu treffen. Das ist Einzigartig und gibt es meiner Meinung nach, nur in Tübingen. Zudem kommt eine hochprofessionelle Organisation, perfekt Wettkampfbedingungen wie beispielsweise die Teppichauslage in der Wechselzone auf der Platanenallee und der Neckarbrücke sowie die Begeisterungsfähigkeit der Stadt, der Organisatoren, der Sponsoren und der Bevölkerung. Bei keinem anderen Rennen des BW-RegioCups gab es vergleichsweise so viel Enthusiasmus im Wettkampf und bei den Zuschauern.

 

Text: Ralph Kuntz
Foto: privat