Jochen Dembeck spricht beim Ultraman von einer Reise um Big Island, bei der die Disziplinen in deutlich größerem Ausmaß vom Wetter beeinflusst werden. Zeitvorgaben verbieten sich, denn sie können den mentalen Tod bedeuten: Ultraman ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was drin ist!
Auf Big Island trifft man – bis Wüste und Eiswüste – alle Klimazonen dieser Welt an, die enorme Kraft der Elemente Wind, Feuer und Wasser ist allgegenwärtig. Beim Ultraman muss es jeder Sportler irgendwie schaffen, sich mit diesen Elementen zu arrangieren und die Reise mental anzunehmen. Bei dem dreitägigen Ultraman ist jeden Tag nach 12 Stunden Schluss. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, das Tagesziel zu erreichen, ist raus. Am nächsten Morgen starten dann alle Teilnehmer wieder gemeinsam. Die drei Tagesergebnisse werden schlussendlich addiert.
Tag 1: von Kailua-Kona über Keauhou nach Volcano
Die offizielle Distanz von zehn Kilometern ist laut vieler Garmins aufgrund der unterschiedlich ausfallenden Strömung meist um einen Kilometer länger. Nach acht Kilometer muss man in aller Regel gegen eine fiese, kaum spürbare Unterströmung ankämpfen. Und das ist für die schon arg beanspruchten Arme kein Kinderspiel. Ich erinnere mich an das Jahr 2000: Bei den wohl die schwersten Bedingungen der Renngeschichte sind bereits beim Schwimmen über 50% der Teilnehmer ausgestiegen beziehungsweise haben den Cut-Off nicht geschafft.
Ich selbst gehörte damals auch zu den Unglücklichen. durfte es selber erleben. Nach rund 2:30 Stunden und 9 Kilometern – es lief bei meinem zweiten Start ziemlich gut – wurde ich bereits in der Wechselzone als Sechster angekündigt. Vor mir lagen nur noch 100 Meter bis zur Boje, an der es links in die Keauhou Bay abzubiegen galt. Aber die Boje wollte und wollte nicht näher kommen. ZWEI (!!) Stunden später war ich gefühlt keinen einzigen Meter weiter, ich sah unter mir immer noch die gleichen Steine! Entkräftet und vollkommen desillusioniert ließ ich mich damals per Schlauchboot an Land bringen. Trotzdem durfte ich – geduldet als Unofficial – das Event komplett beenden. Dies war mental wohl mein größter Sieg, was ohne mein Team auch nicht möglich gewesen wäre. Bei schweren Bedingungen ist es sehr hilfreich, einen Paddler an seiner Seite zu haben, der das Wasser lesen kann und einen somit bestmöglich durch solche Passagen führt.
An Land erwartet einen dann die eigene Landcrew am persönlich eingerichteten Wechselplatz. Die anschließenden mit 2.500 Höhenmeter gespickten 145 Radkilometer lesen sich zunächst recht einfach, aber nach 3-5 Stunden Schwimmen und mit etwas Salzwasser im Magen wird dieser Abschnitt nur zu gerne unterschätzt. Und es gibt keinen einzigen Meter zum Einrollen, denn es geht direkt auf den Queen K und von dort weiter bis zum Aloha Theatre in Kainaliu: zehn Kilometer bergauf, mit vielen Passagen um die 10% und ständig steigenden Temperaturen. Auf sehr gutem Asphalt fährt man relativ flach und mit phantastischen Ausblicken auf das Meer immer weiter Richtung Southpoint, um auf Meereshöhe beim Black Sand Beach die letzten 45 Kilometer bis Volcano in Angriff zu nehmen. Es geht nur noch bergauf, teilweise bis zu zehn Prozent! Aber auch die leichten Anstiege tun weh. Hinzu kommt die zwar schöne, aber eintönige Landschaft: Lava rechts, Lava links! Mit dem Auto fährt sich dieser Abschnitt easy, auf dem Rad kämpft man sich hier mit den kleinsten Gängen und fettem Gegenwind hinauf. Die Ausfallquote ist – gerade bei mäßigen Schwimmern – dann auch am ersten Tag meist am höchsten.
Tag 2: von Volcano über Hilo nach Hawi
Nach dem Start um 6.30 Uhr geht es zunächst 40 Kilometer bergab in Richtung Hilo. Hört sich toll an, ist es aber zunächst nicht, denn die Außentemperatur steigt von unter zehn Grad Celsius Außentemperatur recht schnell bis auf 25 Grad Celsius an, und es ist häufig richtig nass! Kurz vor Hilo fahren die Athleten eine 30-Kilometer-Schleife auf der wohl schönsten Straße der Insel, der Red Road. Auf diesem schmaleren Strässchen sind die Athleten auf sich alleine gestellt, die Crews dürfen nicht mit und nehmen ihre Sportler auf der anderen Seite in Empfang. Lediglich Radmechaniker befinden sich auf diesem Streckenabschnitt. In Hilo selbst hoffen alle Teilnehmer auf die „Grüne Welle“. Wer bei rot weiterfährt riskiert eine Penalty oder eine Disqualifikation! Entlang der Hamakua Coast geht es über Honokaa leicht wellig bis nach Waimea, wo es wieder gut zehn Kilometer spürbar hochgeht. In Waimea würde man nie auf die Idee kommen auf Hawaii zu sein, schon eher im Allgäu oder in Irland. Deutlich kühler, leichter Sprühregen trotz Sonnenschein. Von hier aus gilt es dann nochmal über die Kohala Mountains ins Tagesziel nach Hawi zu fahren, knapp 10 Meilen hoch und gute 10 Meilen runter. Ein letzter Kampf gegen die Elemente – zumeist heftige Mumuku Seitenwinde, die auf der meist nassen Abfahrt höchste Konzentration erfordern. In diesem Jahr sollen auch viele fette Schlaglöcher hinzugekommen sein.
Tag 3: von Hawi nach Kailua-Kona
Hier ist die Strecke eigentlich allen Triathleten bestens bekannt. Die Ironman-Radstrecke von Hawi – exakt zwischen Hawi Town und dessen Mini Flughafen – bis zum Old Airport in Kailua-Kona. Start erfolgt bereits um 6 Uhr im Dunkeln. Der erste Halbmarathon ist der angenehmste Part, denn es geht im Morgengrauen ohne Sonne überwiegend runter! Aber allerspätestens in Kawaihae ist es Schluss mit lustig. Der Anstieg zum Queen K tut ordentlich weh, und auch die Temperaturen tragen nun ihren Teil dabei. Für das Team ist der dritte Tag der intensivste Abschnitt des Rennens. Einerseits ist man ganz nah dran am Athleten, aber diese brauchen auch ständig „Pflege“: Wasser, ISO, Gel, Banane und vor allen Eis! Kühlen, kühlen und nochmals kühlen! Glücklicherweise darf dritten Tag ein Crewmitglied „seinen“ Athleten „laufend“ begleiten. Speziell beim zweiten Marathon ist das oft auch von Nichtsportlern temporär sehr gut zu schaffen: endlich einmal locker neben dem „Supersportler“ am Scenic Point hertraben, während dieser nur noch jammert! Aber sobald die ersten Ausläufer von Kona zu sehen sind und der Zielpavilion im Sand beim Old Airport immer näher kommt, überwiegen die Glückshormone!
Bis Ende November halten wir euch über Jochen Dembecks „Big Island-Aktivitäten“auf dem Laufenden.