Olympia 2016: Träume können wahr werden

Team-Rio_Lindemann-Haug-Lorang_KD3_1400Kurz vor dem Abflug zu den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro unterhielten wir uns mit den beiden einzigen deutschen Sportlerinnen, Anne Haug und Laura Lindemann, die im Triathlon-Wettkampf die Farben der Deutschen Triathlon Union vertreten werden.

 

 

Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele wurde in den Medien viel über die Wasserqualität diskutiert und vor den Gefahren des Zika-Virus gewarnt. Wie seid Ihr damit umgegangen?
Anne Haug: Natürlich habe ich mich mit diesen Thematiken beschäftigt, aber ich lass mich dadurch nicht beeinflussen, denn ich kann daran ja auch nichts ändern. Und dementsprechend bereite ich mich auch auf den 20. August vor. Außerdem kenne ich niemanden, der im vergangenen Jahr beim olympischen Testwettkampf im Anschluss mit gesundheitlichen Probleme zu kämpfen hatte, die auf die Wasserqualität zurückzuführen waren. Ich selbst habe im Meer keinerlei Unrat oder Plastikteile herumschwimmen sehen.

Laura Lindemann: Für mich ist es das erste Mal, dass ich in Rio de Janeiro einen Wettkampf bestreite. Auf Anraten der Ärzte habe ich einige Impfungen gemacht, lasse mich aber durch die ganzen Geschichten auch nicht verrückt machen. Das sind nun einmal die Rahmenbedingungen, mit denen alle teilnehmenden Triathleten umgehen müssen, das kann ich nicht ändern und insofern gehe ich auch unbelastet in das Rennen.

In den letzten Tagen gab es immer wieder heftige Regenschauer und starken Wind. Inwiefern können solche Wetterkapriolen das Rennen beeinflussen?
Laura Lindemann: Wir sind nun mal eine Outdoorsportart, und von daher können wir das Wetter auch nicht beeinflussen. Wir können uns lediglich darauf einstellen und im Wettkampf darauf achten, dass an Wendepunkten und technischen Abfahrten keine Fehler passieren beziehungsweise wir nicht in Stürze verwickelt werden. Aber all das sind basic skills eines guten Triathleten, die man einfach drauf haben muss.

Anne Haug: Jeder Athlet hat sein bevorzugtes Wetter, mit dem er im Rennen besonders gut zurecht kommt. Natürlich wünschen sich viele 25 Grad Celsius und Sonnenschein, aber wir sind hier bei Olympia und nicht bei „Wünsch Dir was!“, und von daher müssen wir das nehmen, was man kriegt.

Das Schwimmen findet nicht nur in einer geschützten Bucht oder in einem Hafenbecken statt, sondern wird auch auf einer einzigen großen Runde durchgeführt. Spielt Euch das in die Karten?
Anne Haug: Hinzu kommt auch noch, dass es in Rio im Gegensatz zu fast allen anderen Rennen der World Triathlon Series auch einen Landstart gibt. Aus diesem Grund haben wir im letzten Trainingslager auf Mallorca auch ein besonderes Augenmerk auf das Rein- und Rauslaufen und die Orientierung bei höherem Wellengang gelegt. Im letzten Jahr ist mir das in Rio sehr gut gelungen. Ich hoffe, dass ich am Samstag erneut gute Wellen erwische. Darüber hinaus hilft mir sicherlich auch, dass die erste Boje erst nach über 500 Metern gesetzt ist. Dadurch ist das Feld bereits ein wenig auseinandergezogen und die Schlägereien an der Wende halten sich in Grenzen. Das spielt mir definitiv in die Karten, zumal ich im letzten Jahr in Rio mein bestes Schwimmen überhaupt hatte und mit der ersten Gruppe mitschwimmen konnte. Und mit diesem positiven Erlebnis nehme ich den Wettstreit auf.

Laura Lindemann: Bei meinen bisherigen vier Starts auf der olympischen Distanz hatte ich bislang noch nie die Situation, nur eine große Schwimmrunde absolvieren zu müssen. Ich gehe davon aus, dass das für mich nicht viel anders sein wird als sonst. Es ist ja schließlich immer noch Schwimmen, und das kann ich ja ganz gut!

Die Radstrecke hat es bekanntlich in sich! Und das macht eine mögliche Aufholjagd nicht einfacher, oder?
Laura Lindemann: Ich bin sehr gespannt! Alle reden ja von dem sehr herausfordernden Kurs. Deshalb habe ich nicht nur auf Mallorca, sondern auch in den Wochen davor etliche Bergintervalle in das Radtraining integriert, um die für mich beste Fahrtechnik herauszufinden. Das hat gut geklappt, ich bin gerüstet und auf einem konkurrenzfähigem Stand.

Anne Haug: Meine beiden besten Rennen in der WTS habe ich auf dem sehr anspruchsvollen Radkurs in Auckland bestritten, deshalb freue ich mich umso mehr auf Samstag. In Rio ist nicht nur der Schwimmer-Läufer-Typ gefordert, sondern ein kompletter Athlet. Jeder von uns wird auf dem Rad leiden und körperlich sehr viel abverlangen, unabhängig davon, ob man in der Verfolgergruppe ist oder in Führung liegend das Tempo hoch halten muss. Mir hilft es ungemein, zu wissen, dass ich auf einer knüppelharten Strecke meine Radstärke ausspielen kann.

Wie sehen die Trainingsmaßnahmen bis zum Wettkampftag aus?
Dan Lorang: Nach der Ankunft in Rio steht am Samstag leichte Bewegung auf dem Programm. Wir nutzen das Wochenende, um uns in Rio zu orientieren, wo sich die Trainingsstätten befinden und – auch vor dem Hintergrund des ganzen Trubels – wie die Bedingungen sind, um dann mit Wochenbeginn gezielt mit den letzten Vorbereitungen auf den Wettkampf zu beginnen. Wir werden natürlich auch die angebotenen Trainingsmöglichkeiten auf dem Schwimm- und Radkurs wahrnehmen. Das ist wichtig, nicht nur um den Körper auf Temperatur zu halten, sondern auch die Bedingungen im Meer und auf der Straße kennen zu lernen. Die oberste Priorität liegt jedoch in den kommenden Tagen auf der Formerhaltung. Wir möchten Anne und Laura gesund und ohne Verletzung an die Startlinie bringen.

Mit welchen persönlichen Erwartungen – abseits des Rennens – fliegt Ihr nach Rio de Janeiro?
Anne Haug: An London 2012 habe ich sehr gute Erinnerungen. Damals bin ich zwar erst drei Tage vor dem Wettkampf angereist, hatte dann aber noch eine Woche Zeit, die Spiele zu genießen. Das alles wird in diesem Jahr leider wegfallen. Außerdem bin ich gespannt, wie laut es im Dorf ist, denn zum Ende der Spiele wird immer mehr gefeiert. Ich hoffe wirklich, dass sich der Lärm in Grenzen hält und mich in meiner Konzentration nicht beeinträchtigt.

Laura Lindemann: Ich bin sehr gespannt und mir sicher, dass ich in Rio Erfahrungen sammeln werde, die mir im Leben nicht so oft geboten werden. Schade ist nur, dass unser Rennen erst am vorletzten Tag der olympischen Spiele stattfindet, sodass ich die uns Sportlern gebotenen Möglichkeiten und das ganze Drumherum gar nicht so nutzen kann! Obwohl ich mich natürlich mit oberster Priorität auf mein Rennen fokussiere, versuche ich die Atmosphäre und den Geist der Spiele mit allen Sinnen aufzusaugen und mitzunehmen.

Den Geist der Spiele könnt Ihr jetzt – aus Sicht der deutschen Triathleten – nur zu Zweit erleben. Wie sehr belasten Euch die ganzen Diskussionen rund um die Nominierung durch den DOSB?
Laura Lindemann: Auch wenn das ganze Hin und Her letztendlich für mich ein gutes Ende genommen hat, bin ich natürlich noch immer traurig, dass Anja Knapp, Gregor Buchholz und Steffen Justus nicht nominiert wurden. Insofern starten wir nicht nur für uns und für Anja, Steffen und Gregor, sondern auch für die Zukunft des deutschen Triathlonsports.

Anne Haug: Für mich war das natürlich schon ein Schock, dass die zwischen DOSB und DTU vereinbarte und seit drei Jahren bekannte Teamtaktik, die auch von anderen Nationen praktiziert wird, jetzt nicht zum Tragen kommen kann. Mittlerweile habe ich mich mit dieser Situation abgefunden und sie belastet mich auch nicht mehr.

Wie sieht Eure Renntaktik aus?
Anne Haug: Vollgas von der ersten Sekunde an.

Laura Lindemann: Optimal wäre natürlich, vorne mit aus dem Wasser zu kommen, um dann beim Radfahren Kräfte für das Laufen zu sparen. Meine persönliche Ambition ist es nicht, die Gruppe schnell zu machen. Ich werde mich auch auf einen guten zweiten Wechsel konzentrieren, um hier nicht wie in Yokohama wertvolle Zeit liegen zu lassen.

Und Euer Traumergebnis?
Anne Haug: Letztendlich müssen am Samstag viele Puzzle-Teilchen zusammen passen, aber ich bin top vorbereitet, hoch motiviert und werde alles geben! Natürlich ist eine Medaille mein großes Ziel, das ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Dann haben sich alle meine Wünsche erfüllt und alle Entbehrungen der letzten Wochen, Monate und Jahre sind auf einen Schlag vergessen.

Laura Lindemann: Als eine der jüngsten Athletinnen im Feld kann ich das olympische Rennen wahrscheinlich noch am entspanntesten und ohne großen Druck aufnehmen. Mit dieser Leichtigkeit und Gelassenheit im Rücken werde ich mein Bestes geben. Und weil Träume ja auch Teil des olympischen Gedanken sind, ist eine Top-10-Platzierung auch mein Wunschergebnis.

Ich wünsche Euch – und da spreche ich für alle Triathlonfans in Deutschland – ein perfektes Rennen. Mögen Eure Träume wahr werden.

Interview: Klaus Arendt
Fotos: Jo Kleindl (Rio de Janeiro) und Klaus Arendt (Aufmacher)