
Von Zeit zu Zeit begibt sich die tritime-Redaktion auf Reisen, um selbst an besonderen Rennen auf diesem Planeten teilzunehmen. 2014 verschlug es mich dabei zum Israman. Ein besonderes Erlebnis, das man nur weiterempfehlen kann.
Der Israman ist seit Jahren ein international bekanntes und gefürchtetes Rennen über die Mittel- und Langdistanz. Auch einige deutsche Profis wie zum Beispiel Norman Stadler, der 2012 als Ehrengast das Rennen im Wüstenstaat besuchte, sowie Lothar
Leder oder Marc Pschebizin standen schon an der Startlinie. Der Reiz für deutsch- sprachige Starter ist, sich in der kalten Jahreszeit auf das anspruchsvolle Rennen vorzubereiten, dem Winter zu entfliehen, mit einem völlig anderen Klima zurechtzukommen und dabei ein Land kennenzulernen, das kontrastreicher nicht sein könnte.
Erlebnisbericht der Redaktion:
Abenteuer Israel
Jeder, der mich kennt, weiß, dass es nicht viel Überredungskunst braucht, mich von spontanen und eher verrückten Ideen zu überzeugen. So geschehen Anfang Dezember 2013, als es darum ging, beim Israman im Januar 2014 zustarten. Die Vorstellung, das für seinen schwierigen Radpart bekannte Rennen zu bestreiten, war für mich schon Herausforderung genug, da sich mein Radtrainingaufgrund von Zeit- und Wetterlage auf gerade einmal fünf dreistündige MTB-Ausfahrten und einige Indoor-Cycling-Einheiten beschränkten und auch meine Laufleistung im Winter alles andere als wettkampfstauglich ist. Die Challenge hieß somit: erhobenen Hauptes und mit einem Lächeln im Gesicht zu finishen.
Ankunft am Roten Meer
Nach bestandenem Sicherheitscheck ging es mit der israelischen Fluglinie El Al von Frank- furt über Tel Aviv mit weiteren Gepäck-und Personenkontrollen weiter nach Eilat an die Südspitze von Israel, wo die Negev-Wüste auf das Rote Meer trifft. Sehr praktisch ist, dass der Flughafen der Touristenhochburg, die ein bisschen wie das Palma de Mallorca
der Wüste anmutet, direkt neben den großen Hotels liegt. So konnte ich nur wenige Minuten nach der Landung meine Herberge für die nächsten drei Nächte beziehen. Das offizielle Athletenhotel Royal Garden hat den großen Vorteil, dass Schwimmstart, erste Wechselzone und Ziellinie nur wenige Meter vom Hotel entfernt sind.
Are you tough enough?
So lautet das Motto des Isramans und spiegelte auch meine Gedanken vor dem Rennen wider. Wusste ich ja, dass die Strecken hart werden sollten und meine Form nur mäßig war. Nach der Ankunft am späten Abend in Eilat verblieb mir genau ein Tag, um alle Wettkampfvorbereitungen zu treffen und mich mit dem doch etwas anderen Klima anzufreunden. Rund 30 Grad war dieTemperaturdifferenz bei Ankunft im Vergleich zum frostigen, schneebedeckten Deutschland, die mir zu schaffen machte. Zudem hatte ich mein eigenes Rad zu Hause gelassen und bekam erst am Abend vor dem Rennen meine persönliche – eher funktionelle und weniger stylische eine Nummer zu kleine – Rennmaschine überreicht: ein Alu-Rennrad, mit Dreifachübersetzung, nur einem Flaschen- halter, keinem Tacho, ohne Pumpe und Ersatzschlauch. „Egal! Perfektes Material wird überbewertet“, dachte ich mir bei der Übergabe des Stahlrosses und versuchte es, wenigstens noch halbwegs vernünftig einzustellen. In einer für mich typischen Nacht-und-Nebel-Packaktion ließ ich auf der Expo meinen geistesgegenwärtig mitgenommen Aero-Aufleger richtig montieren. Jetzt war ich gerüstet für den Kampf.
Schwimmen im schwarzen Meer
Pünktlich um 6.15 Uhr für die Langdistanzler und um 6.30 Uhr für die Athleten der Mit- teldistanz fiel der Startschuss für die erste Disziplin: Schwimmen im Roten Meer, was in Anbetracht der Dämmerung und der welligen See gar nicht so einfach war. Ich hatte null Orientierung, sah keine Bojen und hatte manchmal das Gefühl, gegen eine schwarze Wand zu schwimmen. Aber den Mitstreitern um mich herum schien es nicht viel besser zu gehen und so ging es im Zickzack-Kurs durchs unruhige, aber mit 21 Grad relative warme Salzwasser. Zudem kämpfte ich auch noch mit dem ungewohnten Gefühl, in einem viel zu engen Neo zu stecken. Mein rasselnder Atmen hörte sich wie der einer alten asth- makranken Ziege an, weswegen ich mich auf der halben Schwimmstrecke fragte, ob dies wohl an der semioptimalen Form, dem typischen Winterspeck oder an der man-gelnden Akklimatisierung liegen könnte. Eine wirkliche Antwort auf diese Gedanken fand ich nicht, irgendwann entspannte sich die Situation jedoch und ich war froh, nach rund 34 Minuten wieder festen Boden unter den Füssen zu haben und mich auf den 400 Meter langen Weg in die erste Wechselzone zu begeben.
Höllenritt durch die Wüste
Gleich nach derWechselzone führte der Radkurs in Richtung der Berge von Eilat. Rund 15 Kilometer Anstieg und über 800 Höhenmeter galt es gleich zu Beginn der Radstrecke zu bewältigen. Ich versuchte, es gemütlich angehen zu lassen und mich gut zu verpflegen, aber ohne zu treten kommt man bekanntlich nur schwer einen Berg hinauf. So war ich bereits nach wenigen Kilometern dankbar, dass ich mit den ausgesprochen kleinen Gängen meines funktionellen Drahtesels wenigsten die Chance hatte, ein paar Körner zu sparen. Auf der Höhe angekommen,ging es in einer Berg- und Talfahrt weiter durch die Wüste und am nicht zu übersehenden Grenzzaun zu Ägypten entlang. Immer wieder sah man Militär patrouillieren und passierte Grenzposten, die mit bewaffneten Soldaten besetzt waren. Was aber für mich keinesfalls bedrohlich wirkte, da ich ohnehin mit teils heftigen Seitenwinden beschäftigt war und vielmehr versuchte, die schier endlos erscheinende Weite der Wüste zu genießen. Mir fiel auf – und das ganz ohne Tacho – , dass ich erstaunlich schnell unterwegs war: extremer Rückenwind! Was das für den Rückweg bedeuten sollte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings nur erahnen. Also erfreute ich mich an der Landschaft und dem flotten Tempo, quatschte ein bisschen mit meinen Mitstreitern und hatte einfach nur Spaß. Bis zum Wendepunkt bei Kilometer 55. Alles, was nun folgte, war deutlich schlimmer als erwartet, kam eher dem Kunstradfahren gleich und ließ den Berg vom Anfang der Radstrecke fast lächerlich erscheinen. Mit voller Kraft trat ich in die Pedale und kam dennoch nur langsam und nur unter größten Anstrengungen voran. Ein ebenso verzweifelter Athlet, den ich wie ein 20-Tonner überholte, verriet mir,dass sein Tacho acht(!) Stundenkilometer anzeigte. In diesem Moment dachte ich nur „Mist, das wird ein verdammt langer Weg in die zweite Wechselzone.“ Und so ächzten mein Rad, das sich als sehr zuverlässiger Gefährte herausstelle, und ich um die Wette, um uns des Windes zu erwehren. Meine Beine brannten und der Rücken schmerzte.>
Nach dem Rennen erfuhr ich, dass es auch dem deutschen Profi Marc Pschebizin, dem Drittplatzierten auf der Langdistanz, nicht viel besser ergangen war. Auch bei ihm zeigte der Tacho kaum mehr Stundenkilometer an, und das bei einer Leistung von 400 Watt. Irgendwie beruhigend. Anyway, in diesem Moment des kriechenden Vorwärtskommens versuchte ich mir einfach einzureden, dass alles Kopfsache sei. Diese Taktik funktionierte ganz gut und so rollte ich nach einer gefühlten halben Ewigkeit von 4:09 Stunden und 91 Kilometern sowie 1.570 Höhenmetern endlich in die zweite Wechselzone ein, die wohl einzige von bewaffneten Grenzposten umgebene Wechselzone.
10-Kilometer-Downhill-Run
Schon alleine diese Tatsache ist ein besonderes Erlebnis. Das nächste Highlight kommt, sobald man über eine kleine Kuppe gelaufen ist, denn nun geht es fast zehn Kilometer am Stück auf der Straße, die man noch am Morgen hochgeradelt war, wieder hinab nach Eilat, einen grandiosen Blick auf die Stadt und das Rote Meer inklusive. Im ersten Moment fühlte ich mich, als ob ich fliegen würde und war schnell unterwegs. Aber die Muskulatur freute sich nur kurz über den Wechsel zum Laufen und das lange Bergabrennen.
Unten in der Ebene samt schwerer Beine angekommen, hatte ich pötzlich das Führungsfahrrad für Platz drei im Frauenrennen vor mir. Ich war mir zwar sicher, dass das nicht sein konnte, aber der Radler war von seinem Tun überzeugt, sodass ich es bald aufgab, ihn zu überzeugen und sparte meine schwindende Energie lieber für sinnvollere Tätigkeiten auf. Nach zwei weiteren Kilometern kam uns glücklicher Weise die tat sächliche Nummer drei vom Wendepunkt entgegen und der Radler bemerkte seinen Irrtum. Er verabschiedete sich mit einem freundlichen „viel Erfolg noch“ und war ebenso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Mir war das nur recht. War ich doch in Begleitung unweigerlich einen Ticken schneller und über meinen Verhältnissen gelaufen und konnte nun in meinen alten Trott zurückfallen. Die Beine fühlten sich mittlerweile wie Blei an und ich hatte das Gefühl, an jeder Bodenwelle zu zerschellen. Zudem musste ich aufpassen, dass ich nicht mit meinem Schlurfschritt über Stolperfallen wie Bordsteinkanten fiel. In meinem Zustand tatsächlich nicht mehr so einfach. In Eilat war die Strecke nun nicht mehr ganz so spektakulär und führte bis zum Wendepunkt am Hafen und an Fabrikgeländen entlang. Es folgte eine weitere Schleife Richtung Promenade und an den Hotels vorbei, auf der man sich teilweise auf nicht abgesperrten Wegen um Spaziergänger herumbugsieren musste. Bis Kilometer 17 konnte ich mich noch halbwegs kontrolliert vorwärts bewegen, doch dann war der Akku leer und nichts ging mehr. Obwohl keine Sonne schien, war mir unendlich warm. Ich bekam keinen Fuß mehr vor den anderen und der Magen rebelliert. Circa einen Kilometer vor dem Ziel überholten mich innerhalb weniger Sekunden noch drei Mädels und ließen mich einfach stehen, aber das war mir in diesem Moment völlig egal. Ich sehnte einfach nur die Ziellinie herbei und war froh, als ich diese nach nicht mehr enden wollenden Kur ven und Ecken endlich überschritten hatte. Ich war ganz schön angezählt, was sich auch in den nächsten Tagen in dem Muskelkater meines Lebens bemerkbar machen sollte, aber auch ziemlich glücklich und zufrieden.
Für eine Mitteldistanz war ich mit 6:46 Stunden extrem lange unterwegs, aber bis auf die letzten Kilometer war es einer der schönsten und speziellsten Wettkämpfe,
die ich in 16 Jahren Triathlon gemacht habe. Die Organisation war sehr gut, die Stim- mung unter den Athleten entspannt und die Bilder zum Rennen mit all seinen Beson- derheiten haben sich in meinem Kopf festgesetzt. Mein größter Respekt gilt allen Finishern der Langdistanz, die dieses Jahr nicht nur die sehr harten Strecken, sondern auch die schwierigen Bedingungen besiegt haben. Ich werde das Erlebnis Israman bestimmt nicht so schnell vergessen und kann Rennen, Land und Leute nur weiterempfehlen.
Mehr Informationen
Auf der Homepage des Israman findet man Informationen zu Flügen und Unterkünften in der Nähe des Start/Ziel-Geländes zu speziellen Konditionen, sodass die Organisation der Teilnahme möglichst einfach gestaltet werden kann. Mehr
EXTRA-SERVICE für alle tritme-Leser
Alle tritime-Leser, die sich für den Israman am Freitag, den 29. Januar 2016 anmelden möchten, können das über diese Seite tun und erhalten bei gleichzeitiger Buchung der Unterkunft einen Rabatt von 100 ISL (Israelischen Schekel). Dies entspricht circa 24 Euro.
Zudem bekommen alle Teilnehmer, die sich mit dem Code „TriTime“ registrieren, zusätzlich noch einen Voucher über 100 ISL für einen Einkauf beim Israman-Expostand.
Ansprechparter für deutsche Athleten.
Text: Meike Maurer
Fotos: Ingo Kutsche, Timothy Carlson, Daniel Eilers