Die etwas andere Herausforderung: Paris-Brest-Paris auf zwei Rädern

PBP 20151.230 km, 12.000 Höhenmeter und 6.000 Teilnehmer aus 166 Nationen, das sind die Fakten des bekannten Langstrecken-Radrennens, das von Paris nach Brest und wieder zurück führt.

 

Genau 90 Stunden oder anders ausgedrückt 3,5 Tage haben die Teilnehmer Zeit, diese Strecke zu bewältigen. „Ein Event zum Genießen“, sagt Heike Priess. Allerdings sollte die eigene Rennorganisation stimmen, denn das Equipment und die Ernährung muß passen. Zeit für Experimente gibt es nicht.

Warum man diesen Radmarathon unbedingt einmal gemacht haben sollte, erzählt Heike Priess ausführlich in ihrem Blog und nennt der tritime-Redaktion fünf Gründe, warum sie nach diesen Strapazen immer noch ins Schwärmen kommt:

Paris-Brest-Paris ist ein Rennen der anderen Art, es ist …

… eine ganz neue sportliche und technische Herausforderung
Damit meine ich nicht höher, schneller, weiter, es geht vielmehr um einen neuen „Zeitvertreib“ –  man muss schon etwas Materialversessen sein und sich stundenlang mit dem geeigneten Equipment befassen. Das ist für diesen Radmarathon dringend nötig. Es geht zum Beispiel um die Beleuchtung fürs Rad, um die Stromversorgung für die elektronische Ausrüstung, um den Gepäcktransport und nicht zuletzt immer und ständig um das Thema Gewichtsoptimierung. Ich hatte lange Winter- und Sommerabende, bis mein Setup für Paris-Brest-Paris feststand.

… eine ganz neue Erfahrung
Nein, ich meine nicht wieder höher, schneller, weiter. Das kommt in meiner Aufzählung erst an letzter Stelle. Wer von euch hat schon einmal nachts eine Stunde Power Napping im Vorraum einer Sparkasse mit wildfremden Leuten gemacht? Wer ist schon mal eine ganze Nacht mit dem Rad durchgefahren und hat erlebt, wie sich die Welt um einen herum auf den kleinen Lichtkegel vor einem reduziert? Das ist es, was ich meine!

… eine ganz andere Sport-Szene
Die eingefleischten Radmarathon-Sportler sind schon ein besonderer Haufen, dem wir Triathleten natürlich in nichts nachstehen. Aber viele Triathleten können von diesen Radlern etwas lernen: Sie setzten sich nicht für neue Bestzeiten oder Platzierungen auf ihr Velo, sie tun es einfach. Keiner fragt nach Endzeiten, sie werden nicht mal im Internet veröffentlicht. Sie radeln einfach, weil sie Spaß daran haben.

… ein neuer Belastungsreiz mit ganz anderem Schwerpunkt
Jahrelang habe ich meinen Körper drauf getrimmt, viel Kohlenhydrate in kurzer Zeit unter hoher Belastung zu verstoffwechseln. Nun habe ich 1,5 Jahre versucht, diese Marotte abzulegen und stattdessen möglichst wenig Kohlenhydrate, aber viel Fett zu verdauen. Daher kam mir dieser etwas andere Belastungsreiz gerade richtig: die gute, alte Dauermethode. Kilometerfressen im ruhigen Grundlagentempo hilft auf jeden Fall dabei, die Fettreserven anzupacken.

… das Gefühl, neue Grenzen zu erleben
Höher! schneller! weiter! Wer meint, ein Ironman sei hart, der sollte einfach mal 600 Kilometer oder mehr auf dem Rad sitzen. Ein Ironman fängt für gewöhnlich ab Kilometer 20 auf der Laufstrecke an, weh zu tun. Normalerweise sind es dann „nur noch“ zwei bis drei Stunden bis ins Ziel. Langstreckenradfahren tut mitunter genauso weh, aber wenn der Einbruch kommt, sind es für gewöhnlich noch mehr als 200 Kilometer, die es noch zu bewältigen gilt. Und das sind rund acht bis zehn Stunden Fahrzeit. Das bedeutet, mindestens zweimal Flaschen nachfüllen, mindestens achtmal etwas essen und normalerweise auch ein bis zwei Pausen einzulegen. Also dauert der Schmerz in Wahrheit noch 12-14 Stunden. So lange, wie ein gesamter Ironman. Bei Paris-Brest-Paris kam auch noch eine Schlafpause dazu und weil ich schon 800 Kilometer in den Beinen hatte, noch zwei große Mahlzeiten. Insgesamt hat das „Leiden“ am Schluss noch rund 24 Stunden gedauert. Anders gesagt: Man stelle sich vor, nach dem Zieleinlauf beim Ironman humpelt man ins Versorgungszelt. Dort isst man eine Bratwurst mit Pommes, legt den Kopf zehn Minuten zum Schlafen auf den Tisch und steigt dann wieder aufs Rad und fährt noch mal 300 Kilometer.

Wer also seine vermutlich gute triathletische Leidensfähigkeit auf die Probe stellen möchte, der ist bei Paris-Brest-Paris genau richtig.

Es war einfach geil!

Text: Heike Priess
Foto: privat