
Gregor Buchholz hat keine einfache Saison hinter sich. Nach einem Radsturz kurz vor dem WTS-Auftakt in Abu Dhabi kam der frühere U23-Weltmeister nicht richtig in Tritt. In Chicago möchte der 29-Jährige zeigen, das er nicht nur im Training sein Leistungsvermögen abrufen kann.
Gregor, mit 710 Punkten liegst Du im aktuellen WTS-Ranking abgeschlagen auf Platz 55. Mit welchen Gefühlen und Wünschen bist Du nach Chicago gereist?
Ich muss zugeben, dass meine Stimmung nach Edmonton am Tiefpunkt war. Auf meiner „Amerika Tour“ war es mein Ziel, so viel Platze wie möglich im Ranking gutzumachen. Dies ging in Kanada ordentlich nach hinten los. In solchen Momenten kommen natürlich Zweifel auf und viel Gelegenheit, Selbstvertrauen zu tanken, hatte ich dieses Jahr nicht. Dementsprechend war die Rennanalyse eher emotional als sachlich. Hier muss ich mich bei allen bedanken, die mir in den letzten Tagen den Rücken gestärkt haben, allen voran meiner Freundin. Ich glaube, sie musste in den Ferngesprächen einiges durchmachen! Aber dank Ihr stehe ich jetzt wieder aufrecht in Chicago und bin wieder zu 100 Prozent für den kommenden Samstag motiviert.
Die Saison 2015 läuft für Dich alles andere als zufriedenstellend. Ein 16. Platz in London ist in diesem Jahr das beste Ergebnis auf internationaler Ebene. Worin liegen aus Deiner Sicht die Ursachen?
Wenn das so einfach zu beantworten wäre, müsste ich auf diese Frage keine Antwort geben. Diese Saison bin ich so ein bisschen der Trainingsweltmeister. Es fällt mir einfach sehr schwer, meine sehr guten Trainingsergebnisse im Wettkampf umzusetzen. Generell denke ich, dass ein gewisser Flow in der Saison wichtig ist. Sind die ersten Wettkämpfe des Jahres gut, dann geht es meist auch so weiter. Umgekehrt kann es natürlich auch in die Abwährtsspirale gehen. Nach meiner Gehirnerschütterung in Abu Dhabi habe ich nicht so richtig in die Saison gefunden. Und wenn sich nach einer gewissen Zeit die Erfolge nicht einstellen, geht die Unbeschwertheit verloren und man wird verkrampfter. Ohne die nötige Lockerheit und die dazugehörige Aggressivität wird es aber sehr schwer gegen die Besten der Welt zu bestehen. Im Laufe der Saison wurde natürlich die Kritik von Außenstehenden immer lauter und verstärkte den Druck auf das Herrenteam. Leistungsdruck muss von einem Profi natürlich bewältigt werden können, keine Frage, aber in diesem Fall wurde der „Rucksack“, den wir mit uns tragen, immer etwas schwerer.
Und woran musst Du – auch mit Hinblick auf die angepeilte Qualifikation für die Olympischen Spiele – noch besonders hart arbeiten?
Ich muss mir mehr Gelegenheiten erarbeiten, in denen ich mit der Spitze vom Rad steige. Von hinten rollt man heute keinen Wettkampf mehr auf. Das bedeute vor allem weiterhin konzentriertes Training im Schwimmen. Vieles habe ich mir erarbeitet, allerdings muss ich dieses noch besser im Wettkampf abrufen. Das ist jedoch nicht alles: Diese Saison konnte sich recht häufig eine circa 10-köpfige Spitzengruppe auf dem Rad absetzen. Zu einem Top-10-Schwimmer werde ich – realistisch betrachtet – nicht nicht mehr. Daher muss ich zusammen mit anderen Athleten die Verfolgung organisieren. Die Spitze ist meist sehr gut organisiert und arbeitet sehr gut zusammen. Weiter hinten im Feld geben die meisten sich zu schnell auf.
Wie schätzt Du Deine realistischen Chancen am Samstag ein? Gehst Du mit einer besonderen Taktik in das Rennen?
Ich bin eine Überraschungskiste. Das habe ich mir in der Vergangenheit schon öfters bewiesen. Auch wenn dieses Jahr die Ausrutscher eher nach unten gingen, so weiß ich um meine Qualitäten und meine Möglichkeit, ab und an den Joker zu ziehen. Am Samstag gibt es für mich keine Serie und keine Rankings. Stattdessen werde ich dieses Rennen angehen wie eine einzelne Weltmeisterschaft.
Wer sind die großen Favoriten auf den Sieg im Rennen der Herren?
Da brauche ich nur auf die letzten Ergebnislisten schauen und auf „copy & paste“ drücken: Javier Goméz!
Gregor, wir wünschen Dir, dass Du am Samstag beim Aufstehen in Deiner Überraschungskiste all das vorfindest, das Dir in den letzten Rennen gefehlt hat!
Interview: Klaus Arendt
Fotos: Petko Beier | pebe-sport.de