
Bewegungsmangel ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Umgekehrt führt regelmäßige körperliche Aktivität zu einer signifikanten Senkung der Sterblichkeit und Erkrankungswahrscheinlichkeit. Neben sozialen Aspekten gehört in meiner ärztlichen Praxis bei jedem Patientenkontakt die Beratung zu körperlicher Aktivität und regelmäßigem Training für gesunde und kranke Personen in jeder Altersgruppe zum Standard. Denn gerade der Sport spielt in der Primär- und Sekundärprävention eine bedeutsame Rolle. Eine qualitativ gute sportmedizinische und gegebenenfalls sportkardiologische Vorsorgeuntersuchung wird von allen medizinischen Fachverbänden empfohlen, insbesondere für die über 35-Jährigen und bei allen Personen mit einem oder mehreren Herz-Kreislauf-Risikofaktoren. Aber auch bei anderen Erkrankungen wie Stoffwechselleiden (zum Beispiel Diabetes mellitus), orthopädischen Erkrankungen und Tumorleiden nimmt Sport einen hohen Stellenwert ein. Daher empfehlen medizinische Fachgesellschaften übereinstimmend regelmäßige körperliche Aktivität als wichtigen Bestandteil der Lebensstilintervention zur Prävention zahlreicher Krankheiten. Neuere Untersuchungen zeigten wiederholt, dass durch eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung das kardiale Risiko, insbesondere für den plötzlichen Tod im Sport, gesenkt werden kann.
Ziele der sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung
Die sportärztliche Vorsorgeuntersuchung im Sinne einer Gesundheitsuntersuchung dient der Erkennung latenter vorhandener, aber noch nicht bekannter oder bereits manifester Krankheiten, die eine Gefährdung darstellen können. Die Vorsorgeuntersuchung soll gesundheitliche Risiken mindern und vermeiden helfen sowie eine optimale Ausübung von Sport und körperlicher Aktivität für jeden Sporttreibenden ermöglichen. Bei unauffälligem Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung ist das gesundheitliche Risiko vermindert, wenngleich eine absolute Sicherheit nicht gegeben sein kann. Auf Grundlage der vorhandenen Risikofaktoren ist eine weitere Risikoabschätzung mittels diverser Scores möglich (siehe auch Dr. med. Simsch, Artikel Blutwertanalyse). Bei Sporttreibenden besteht vor allem bei Neu- und Wiedereinsteigern sowie älteren Personen ein erhöhtes Risiko im Bereich Herz, Kreislauf und Bewegungsapparat. Bei Personen mit nicht erkannten Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems ist die Möglichkeit für einen kardialen Zwischenfall bei intensiver sportlicher Betätigung erhöht. Dies gilt insbesondere zu Beginn eines intensiven körperlichen Trainings.
Der zu untersuchende Personenkreis in unserer täglichen Praxis ist breit gefächert: Neu- oder Wiedereinsteiger im Bereich Freizeitsport jeden Alters – vom Kind bis zu Senioren über 80 Jahren – ambitionierte Freizeitsportler wie auch Leistungssportler. Allerdings gelten für Kaderathleten und ambitionierte Wettkampfsportler gesonderte Empfehlungen. Als Richtschnur für das Untersuchungsprogramm dienen uns in der täglichen Praxis die Leitlinien der „Deutschen Gesellschaft für Sport- und Präventivmedizin“:
- Anamnese
- körperliche Untersuchung
- apparative Untersuchungen
Die Indikation zur Durchführung apparativer Untersuchungen richtet sich nach dem Alter, der Anamnese, der Beschwerdesymptomatik und dem Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren (siehe oben) sowie nach der jeweiligen Fragestellung.
Ruhe-EKG
Ein Ruhe-EKG mit 12 Ableitungen sollte bei jeder sportmedizinischen Untersuchung obligat sein. Dabei liegt der Patient entspannt auf einer Liege. Insgesamt werden zehn Messelektroden auf die Haut gesetzt und mit dem EKG-Gerät zur Bestimmung der elektrischen Herzaktivität verbunden. Diese Punkte befinden sich an sechs genau definierten Stellen der vorderen Brustwand und an den vier Extremitäten.
Belastungsergometrie
Die Durchführung einer Belastungsuntersuchung mit einem Belastungs-EKG (Rad- oder Laufband-Ergometrie) kann ein wichtiger Bestandteil der sportmedizinischen Untersuchung sein. Während der körperlichen Belastung kommt es zu vielfältigen Anpassungserscheinungen von Herz-, Kreislauf- und Lungenfunktion. Beim Belastungs-EKG wird fortlaufend die Herzfrequenz gemessen, die entsprechend der Belastungsintensität ansteigt. Parallel zur Herzfrequenz steigt üblicherweise auch der Blutdruck an, der ebenso fortlaufend registriert wird. Die Belastungsuntersuchung dient der (Früh-)Erkennung von koronaren Durchblutungs- und Rhythmusstörungen. Weiterhin kann eine Beurteilung des Blutdrucks unter Belastung erfolgen. Aus den ergometrischen Daten lassen sich zudem gezielte, sportartspezifische Trainingsempfehlungen ableiten.
Echokardiografie
Die Echokardiografie kann ein weiterer wichtiger Bestandteil der sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung sein. Die transthorakale Echokardiografie ist das wichtigste und am häufigsten verwendete nicht invasive Untersuchungsverfahren in der kardiologischen Diagnostik. Mit ihr ist eine genaue Beurteilung und Funktionsanalyse der Herzwände, Vorhöfe, Herzkammern und -klappen sowie der herznahen Gefäße möglich. Die Echokardiografie funktioniert ohne Strahlung und ist beliebig reproduzierbar. Der Untersuchungsablauf erfolgt nach einem standardisierten Schema mit Bilddokumentation. Eine Echokardiografie ist immer bei Verdacht oder bei Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung indiziert, wie zum Beispiel Herzmuskelerkrankungen oder Herzklappenfehlern. In meiner Praxis werden alle Neupatienten echokardiografiert und je nach Befund verlaufskontrolliert. Sie kann auch und gerade dann zum Einsatz kommen, wenn ein Patient mit dem Ausdauersport beginnen oder höher gesteckte sportliche Ziele erreichen möchte.
Lungenfunktion (Spirometrie)
Die Durchführung einer Spirometrie ist im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung sinnvoll, da die Funktion der Lunge eine der Determinanten der kardiopulmonalen Belastbarkeit darstellt. Bei Verdacht auf ein Belastungs-Asthma muss die Spirometrie (gegebenenfalls Ganzkörperplethysmografie) nach entsprechender Provokation erfolgen: bei Kälte oder Laufbelastung im Freien. Bei Rauchern gilt die Spirometrie zur Früherkennung als sinnvoll und geeignet.
Spiroergometrie
Die Spiroergometrie als klassische sportmedizinische Untersuchungsmethode ermöglicht durch die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (V02max) die Beurteilung der aeroben Kapazität und der maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit. Sie stellt keine obligate Untersuchung dar. Bei entsprechender Symptomatik wie Kurzatmigkeit (Dyspnoe) oder Leistungsminderung ist diese Untersuchung zur Abklärung hilfreich. Sie kann exakte Hinweise zur Trainingsberatung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit liefern. Die Spiroergometrie wird bei entsprechender Symptomatik oder gezielten Fragestellungen eingesetzt. Sie ist kein obligater Bestandteil einer sportmedizinischen Untersuchung.
Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane
Derzeit liegen keine Untersuchungen vor, wonach es Indikationen für eine routinemäßige Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane gibt. Bei anamnestischen Angaben (Husten, Auswurf, Luftnot, langjähriger Nikotinabusus) und klinisch verdächtigen Befunden wird ergänzend eine Bildgebung durchgeführt.
Ergebnisse
Von jedem Patienten wird ein ausführlicher Befundbericht erstellt, der alle Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen dokumentiert und gegebenenfalls entsprechende Therapieempfehlungen beinhaltet. Die Ergebnisse einer sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung können lauten:
Sportgesund ohne Einschränkung
Sportgesund mit Einschränkung: weitere fachärztliche Abklärung mit Angabe des Gebietes beziehungsweise sportgesund nur für bestimmte Sportarten
Nicht sportgesund: weitere Abklärung erforderlich.
Fotos: Ralf Graner | ralfgraner.de
Dr. med. Kurt Johannes Schmieg ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und mit Schwerpunkt Sportkardiologie.Der in Freiburg im Breisgau niedergelassene Facharzt und ambitionierte Triathlet ist Autor umfangreicher Fachpublikationen und ein gefragter Interviewpartner.