Blutwertanalysen

Blut abnehmenRegelmäßig wird der Wunsch nach einer umfangreichen Blutuntersuchung geäußert. Sind die ermittelten Werte im Normbereich, so wird dies vom Laien in aller Regel mit einem Zustand vollkommener Gesundheit gleichgesetzt, was jedoch nicht immer der Fall sein muss.

In dieser Ausarbeitung soll die Relevanz von Laborwerten, deren Aussagekraft bezüglich Bestimmung des aktuellen Fitnesszustandes und ihre Bedeutung bei einer prognostischen Risikoabschätzung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erläutert werden.

Wichtig bei der Interpretation von Laborwerten ist das Wissen um den sogenannten Normbereich. Dieser umschreibt jedoch nicht die Grenze zwischen gesund und krank! Vielmehr beschreibt dieser die durchschnittliche Verteilung eines Laborwertes in einem statistischen Kollektiv, sprich in einer ausgewählten Gruppe. So liegt aufgrund der Unterschiedlichkeit der Ernährung der durchschnittliche Wert von HDL-Cholesterin (dem guten Cholesterin) bei den indigenen Volksgruppen im arktischen Kanada und Grönland deutlich höher (bei den Inuit aufgrund des Fischreichtums) als in Mitteleuropa. Es ist also wichtig, sich bei der Interpretation von Laborwerten auf das eigene Kollektiv zu beziehen, was auch der Fall ist, da ja die Kontrollen meistens im eigenen Land durchgeführt werden. Der Normbereich umschreibt nichts weiter als den Durchschnitt plus/minus der doppelten Standardabweichung. Kurz gesagt: Laborwerte können durchaus außerhalb des Normbereiches sein, ohne dass der jeweilige Mensch krank sein muss. Erschwerend kommt noch hinzu, dass in der Statistik angenommen wird, dass pro zehn Messungen ein Wert falsch ist. Es macht also überhaupt keinen Sinn, per „Schrotschusstechnik“ die Laborkarte hoch- und wieder herunterbestimmen zu lassen. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass Laborwerte vielmehr gezielt bestimmt und im Gesamtbild des Patienten interpretiert werden sollten.

Grundlagen Laborwerte
Aber was bestimmen wir eigentlich im Blut? Zum einen sind da die Parameter des roten und weißen Blutbildes. Wichtig für den Athleten ist neben dem gesamten HB (Hämoglobin= roter Blutfarbstoff) der Hämatokrit, der uns eine Aussage zum Hydratationszustand gibt. In vielen Spitzenverbänden werden in Trainingslagern morgens diese Werte bestimmt, um dem Sportler sagen zu können, inwieweit die Flüssigkeitsaufnahme in Ordnung ist. Daneben gibt es weitere Werte, die die Färbung und Größe der roten Blutkörperchen beschreiben. Die Leukozyten sind die weißen Blutkörperchen. Sind diese erhöht, macht eine weitere Unterdifferenzierung Sinn, was man dann als „Großes Blutbild“ bezeichnet. Eine Erhöhung kommt bei Entzündungen, nach Stress sowie bei bösartigen Bluterkrankungen vor. Diese restlichen Werte bezeichnet man schlicht als klinische Chemie. Hier werden zum einen Werte des Nieren- und Eiweißstoffwechsels bestimmt. Der Harnstoff kann zum Beispiel nach intensiven Belastungen erhöht sein, was dann für einen erhöhten Eiweißumsatz spricht. Der Kreatininwert gibt grob die Nierenfunktion an. Ist dieser zu hoch, sollte eine genaue Bestimmung der Nierenfiltrationsrate mittels der 24-Stunden-Urinausscheidung erfolgen. Das Kreatinin ist oftmals auch nach unkritischem Einsatz von Kreatin-Präparaten zu finden. Zum anderen gehören zur klinischen Chemie auch alle Elektrolyte und Mineralstoffe. Zu beachten ist, dass viele dieser Substanzen ihre Hauptwirkung in der Zelle entfachen, die Blutbestimmungen aber im Plasma – also außerhalb der Zelle – erfolgen. An erster Stelle ist hier das oftmals bestimmte Magnesium zu nennen, dessen Konzentration im Blut für den Organismus unwichtig ist. Hier existiert eine Möglichkeit der massenspektographischen Bestimmung aus Zellen der Mundschleimhaut. Gamma-GT, GOT, GPT sind Enzyme vor allem des Leberstoffwechsels. Sind diese erhöht, sollte eine weitere Untersuchung der Leber, Gallenblase und eventuell auch der Bauchspeicheldrüse erfolgen. Zur Bestimmung der Risikoabschätzung für kardiovaskuläre Erkrankungen ist die Untersuchung der Blutfette, des Cholesterins und deren Teilfraktionen bedeutend, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen können auch den Sportler treffen. Bitte denken Sie immer daran: Der Sportler ist auch nur ein Mensch. Wenn man sich die Ursachenstatistik des plötzlichen Herztodes betrachtet, wird dies deutlich: Bei den über 35-jährigen Patienten dominiert eine Verkalkung der Herzkranzgefäße als Ursache für den Herztod beim Sport. Bei den Jüngeren sind es entzündliche Prozesse, Verdickungen der Herzwände, Ionenkanalstörungen sowie angeborene Anomalien. Neben diesen Blutwerten können zusätzlich gezielte Analysen aus praktisch allen Themenbereichen erfolgen: Beispielhaft sind hier Entzündungswerte, Antikörper nach abgelaufenen Erkrankungen sowie einige Tumormarker zu nennen.

Blutwertanalyse am Beispiel Klaus Arendt
Die genauen Werte des Athleten Klaus Arendt und die jeweiligen Referenzbereiche sind der Tabelle zu entnehmen. Die Parameter des roten Blutbildes sowie die Thrombozyten und Leukozyten sind allesamt im Normbereich. Ebenso die Differenzierung der Leukozyten zeigt sich unauffällig. Ein akuter Infekt, eine bösartige Bluterkrankung sowie eine Blutarmut lassen sich somit ausschließen. Die letzte sportliche Belastung sollte auch schon mindestens zwölf Stunden zurückliegen. Der Hämatokrit von 40 Prozent zeigt einen guten Hydratationszustand. Interessant wäre noch, die gesamte Hämoglobinmenge zu kennen. Dies ist leider nur durch spezielle Rückatmungsmethoden unter wissenschaftlichen Bedingungen zu beantworten. Diese Methode wurde von Nicole Prommer und Mitarbeitern in Bayreuth entwickelt und wird im Kampf gegen Doping eingesetzt. Die Kreatinkinase (CK) steigt an, wenn ein erhöhter Muskelumsatz vorliegt. In diesem Fall sollte Herrn Arendt dazu geraten werden, das Training zu intensivieren. Der TSH-Wert zeigt als Schilddrüsen stimulierendes Hormon, inwieweit der Organismus mit der Stoffwechsellage zufrieden ist. Im Übertrainingsbereich kann dieser erniedrigt sein (siehe auch TRITIME 2/2010, Seite 106 ff.). Der Ferritinwert gibt einen Hinweis auf den Eisenspeicher. Mit 277 ng/ml ist dieser gut gefüllt. Eine Bestimmung des Serumeisens macht weniger Sinn, weil Eisen auch zwischen den Zellen abgelagert werden kann. Eine Erniedrigung hätte dann fälschlicherweise einen Verdacht auf Eisenmangel zum Ergebnis. Eine Erhöhung kann bei chronischen Entzündungen gefunden werden, was einen falsch hohen Eisenspeicher vermuten ließe. Beim nächsten Arztbesuch sollten Sie lieber nach dem Ferritinwert fragen.

Außerhalb des Normbereiches befinden sich bei Klaus Arendt die Cholesterinfraktionen, insbesondere das LDL („schlechtes“ Cholesterin) und das Homocystein. Beide können neben anderen Parametern helfen, das Risiko, Herzkreislauferkrankung zu bekommen, besser abschätzen zu können. Hierzu sind einige Studien durchgeführt worden. Eine bedeutende ist die PROCAM-Studie (Prospective Cardiovascular Münster Studie). Sie erfüllt eine oben erwähnte wichtige Voraussetzung: Neben den Blutfetten gehen noch Alter, Blutdruck, Angaben zum Rauchen sowie eigene und familiäre Vorgeschichte mit ein. Auch Klaus Arendt wurde einer solchen Risikoanalyse unterzogen. Das Ergebnis ist trotz der erhöhten Cholesterinwerte in einem sehr guten Bereich. Dies wohl dank der guten triathletischen Lebensweise. Herr Arendt kommt auf ein Risiko von 7,9 Prozent. Das bedeutet positiv ausgedrückt, dass sein Wahrscheinlichkeit bei 92,1 Prozent liegt, in den nächsten fünf bis zehn Jahren gesund zu bleiben. Der Haken liegt allerdings in der Statistik selbst: Eine Statistik analysiert ein Kollektiv. Die Aussage für den Einzelnen bleibt hypothetisch.

Normwert Klaus Arendt
Leukozyten 4,0-10,0 Tsd/μl 5,4 Tsd/μl
Basophile bis 1,00% 0,70%
Monozyten bis 13,00% 9,70%
Hämoglobin 13,5-17,5 g/dl 13,7 g/dl
MCH (mittleres corpuskuläres Hämoglobin) 26,0-32,0 pg 30,0 pg
MCV (mittleres corpuskuläres Volumen) 78,0-98,0 fl 87 fl
Hämatokrit 39,0-50,0 % 40,00%
Ferritin 30,0-400,0ng/ml 277,0 ng/ml
TSH basal (Thyreotropin) 0,27-4,20μU/ml 0,98μU/ml
CK gesamt bis 190,4 U/l 93 U/l
Cholesterin bis 200 mg/dl 240,0 mg/dl
HDL Cholesterin 40,0-150,0 mg/dl 41,7 mg/dl
LDL Cholesterin bis 160,0 mg/dl 168 mg/dl
Triglyceride bis 175 mg/dl 131,0 mg/dl
GOT bis 50,4 U/l 21,0 U/l
GPT bis 50,4 U/l 18,0 U/l
Gamma-GT bis 60,4 U/l 25,0 U/l
Glucose 60-125 mg/dl 102,0 mg/dl
Homocystein bis 12 μmol/l 22,2μmol/l
Cholesterin/HDL-Chol. bis 5,04 kA 5,80 kA

Dr. med. Christoph Simsch, niedergelassener Arzt in einer allgemeinmedizischen Praxis mit sportmedizinischem Schwerpunkt in Stimpfach bei Crailsheim/Baden-Württemberg ist Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin. Der aktive Triathlet Dr. Simsch, der auch zum Anti-Dopingbeauftragten des Baden-Württembergischen Triathlonverbandes berufen wurde, betreibt seit über 30 Jahren Leistungssport. Seinen ersten Triathlon finishte der Mediziner 1985. Der vielfache Langdistanz-Finisher mit einer Bestzeit von 9:03 Stunden nahm dreimal bei den Ironman-Weltmeisterschaften auf Hawaii teil. Dr. Simsch ist Mitinhaber von SMC, einem Institut zur mobilen Leistungsdiagnostik.