
Der Finisher-Rucksack vom Ironman Hawaii 2014 ist ihr täglicher Begleiter auf dem Weg in die Klinik: Katrin Esefeld ist Altersklassenathletin und Ärztin in einem. Beides übt die 32-jährige Wahl-Münchnerin sehr erfolgreich aus. Im vergangenen Jahr stürzte sich die Frau mit den langen blonden Haaren bereits zum vierten Mal am Kailua-Pier ins Meer.
Die Reise nach Kona hatte sich für die Athletin gelohnt: Nach weniger als zehn Stunden wurde Esefeld Weltmeisterin in der Altersklasse 30.
Altöttingerin wird Altersklassen-Weltmeisterin
Katrin Esefeld wusste genau, worauf sie sich am 11. Oktober 2014, um 7 Uhr in den Wellen des Pazifischen Ozeans einließ. Bereits zum vierten Mal in Folge hatte sich die 32-jährige Triathletin in ihrer Altersklasse für die Ironman-Weltmeisterschaft (WM) in Kona qualifiziert. Mit ihrer befreundeten Betreuerin Cornelia Löffel im Gepäck flog Esefeld bereits eine Woche vor dem Rennen von München auf Big Island, um ihren Körper an die Klimazone der hawaiischen Inselgruppe zu gewöhnen. „Für den Renntag waren extreme Bedingungen vorhergesagt, mit starkem Wind und großer Hitze“, erinnert sich Esefeld. Die Wettervorhersage sollte Recht behalten, was ganz im Sinne der Athletin aus Altötting war: „Ich liebe harte Bedingungen beim Rennen!“ Am Ende des Tages sollte es tatsächlich der Wettkampf der 32-jährigen Frau mit den langen blonden Haaren werden: Nach 9:53:23 Stunden erreichte Katrin Esefeld persönliche Hawaii-Bestzeit und setzte sich – nach ihrem WM-Titel im Jahr 2011 – zum zweiten Mal in ihrer Altersklasse die Krone von Kona auf. „Fassen kann ich das ja immer noch nicht ganz“, teilte Esefeld ihren Fans und Freunden ein paar Tage später auf ihrer Internetseite mit, „es war einfach ein perfekter Tag und ein perfektes Rennen“.
1:12:10 Stunden brauchte sie für die 3,8 Kilometer lange Wendestrecke im Pazifik. „Das Schwimmen war wegen der Wellen sehr schwierig“, erinnert sich Esefeld an die erste Disziplin des Tages. Daher sei ihre Schwimmzeit so schlecht gewesen „wie nie“. Erst auf der 180 Kilometer langen Radstrecke fand sie zu alter Stärke zurück – trotz Gegen- und Seitenwinds auf den offenen Lava-Feldern: „Ich versuchte, das Tempo weiter hoch zu halten und überholte und überholte.“ Mit einem Rad-Split von 5:15:28 Stunden wechselte die Athletin als erste ihrer Altersklasse in die Laufschuhe. „Das Laufen fühlte sich von Anfang an super an“, berichtet Esefeld. Nach 3:20:55 Stunden finishte sie den Marathon und lief mit erhobenen Armen ins Ziel auf dem Ali’i Drive.
Hawaii-Finish 2013 mit Folgen
Die Trophäe, eine Schale aus Akazien-Holz, hat nicht zuletzt wegen der schlechten Erinnerungen an das Rennen 2013 einen besonderen Platz in ihrem Münchner Apartment gefunden: „Nach dem Pech im letzten Jahr wollte ich in erster Linie glücklich und heil über die Ziel-Linie laufen.“ Mit „Pech“ meint Esefeld nicht etwa eine verlorene Trinkflasche oder einen geplatzten Reifen, sondern vielmehr einen schweren Radunfall: Die 32-Jährige wurde am Verpflegungsstand so unglücklich von einem amerikanischen Kontrahenten mit einer Flasche beworfen, dass es sie aus dem Sattel hob und sie zunächst zehn Minuten regungslos auf dem Asphalt liegen blieb. „Ich hatte ein Schädel-Hirn-Trauma und war bewusstlos“, sollten ihr später Streckenposten, die den Vorfall beobachtet haben, berichten. Die Athletin selbst stand kurze Zeit später auf, setzte sich wieder auf ihr beschädigtes Zeitfahrrad und schleppte sich mit „einer Delle im Oberschenkel“ ins Ziel auf dem Ali’i Drive. „Ich bin mit meiner Gesundheit fahrlässig umgegangen“, gesteht Esefeld, die das Rennen vor zwei Jahren unbedingt finishen wollte.
Mannschaftssportler statt Einzelkämpfer
Trotz Hüftproblemen suchte die Athletin damals weder einen Arzt noch ein Krankenhaus jenseits der Finish-Line auf – und das, obwohl gerade sie es hätte besser wissen müssen: Esefeld ist selbst Ärztin, hat in Sport-Medizin promoviert und berät an einer Münchner Klinik mitunter Sportler zu Ernährungsfragen. Die junge Medizinerin sieht sich jedoch nicht als Autorität in Weiß, sondern vielmehr als Teil eines Teams. Mit Esefeld einen Interview-Termin auszumachen, erweist sich als schwierig – nicht wegen ihrer Arbeitszeiten, sondern „weil ich die Kollegen nicht im Stich lassen möchte“, wie die 32-Jährige betont. Der Dreikampf unter Ärzten ist zwar als individuelle Leistungssportart weit verbreitet, jedoch für Esefeld nichts, womit sie ihre Kollegen beeindrucken möchte – im Gegenteil: „Ich würde nie meinen Beruf hintenanstellen.“ Lieber lässt die Triathletin eine Trainingseinheit ausfallen, um Patienten in einer Ernährungsstudie zu betreuen. Eigene Betreuung braucht Esefeld dagegen nicht, vielmehr steuert die Ärztin ihr tägliches Sport-Programm größtenteils selbst: Mit Ferncoach Marc Pschebizin trifft sie lediglich „Absprachen“ und holt sich „Feedback“, ihre Trainingspläne schreibt sie indes selbst. „Ich will niemandem beim Intervall-Training mein Tempo aufdrücken“, sagt Esefeld, auch im Hinblick auf fehlende Trainingspartner auf dem Rad. Nur beim Schwimmen bevorzugt sie die Motivation durch die Gruppe im Münchner Olympiabad.
Sport liegt in der Familie
In den Dienst der Mannschaft stellte sich Esefeld bereits im Bundesliga-Team für den SC Riederau, bis sie erkannte: „Meine Stärke liegt nicht im Tempo, sondern im Ausdauerbereich.“ Daraufhin baute sie ihre Kondition langfristig für die Langstrecke aus, nachdem sie im Jahr 2001 den Dreikampf aus Schwimmen, Rad und Laufen bei einer Volksdistanz für sich entdeckt hatte. Zehn Jahre später absolvierte die Triathletin ihre erste Langdistanz beim Ironman Regensburg, blieb auf Anhieb unter 10 Stunden und qualifizierte sich damit direkt für Hawaii. Esefelds sportliches Talent kommt nicht von ungefähr, sondern wurde ihr vom Elternhaus mitgegeben: Bruder Bastian schwimmt in seiner Freizeit, der Vater spielte früher Handball auf Leistungsebene. Die Unterstützung der Familie ist Tochter Kati sicher, besonders bei Durststrecken. Eine solche Zwangspause hat Esefeld erst kürzlich hinter sich gebracht, nachdem sie beim Silvesterlauf 2014 im Münchner Olympiapark umgeknickt war. „Ich hatte die Wahl zwischen Eis und Schnee“, scherzt die Sportlerin. Die Schuld auf die schlechten Streckenbedingungen zu schieben, kommt Esefeld nicht in den Sinn, das Wort „Fehler“ nimmt sie ebenfalls nicht in den Mund. „Es ist einfach passiert“, erklärt sie, als hätte sie gerade ihren Cappuccino auf dem Tisch verschüttet. Statt der verschütteten Milch nachzutrauern blickt die junge Frau lieber nach vorne: Nach ihrer Fußverletzung stieg die amtierende Deutsche Meisterin auf der Duathlon-Langdistanz bei der Zweikampf-Europameisterschaft im niederländischen Horst in die neue Saison ein, wo sie den siebten Rang belegte. Außerdem will Esefeld in diesem Jahr beim Challenge Roth an den Start gehen und sich wieder für die Ironman-WM auf Hawaii qualifizieren.
Dabei hätte die Triathletin durchaus Grund, mit einer Portion Wut im Bauch auf das verkorkste Rennen von Kona 2013 zurückzublicken: Esefeld hatte sich damals die Startnummer des Flaschenwerfers gemerkt, den Amerikaner in der Teilnehmer-Liste ausfindig gemacht und somit die Möglichkeit, mit einer Anzeige den Triathleten nachträglich zu disqualifizieren. Warum sie es bis heute nicht gemacht hat? „Ich will nicht, dass andere Probleme außerhalb des Rennens bekommen“, sagt Katrin Esefeld, schnallt ihren Finisher-Rucksack fest und geht in die Klinik.
Text: Nora Reim
Foto: BKK Mobil Oil Lauftreff