Chronobiologie: Was hat die Tageszeit eigentlich mit der Verwertung von Nahrung zu tun?

Sportler interessieren sich meist des-wegen für bestimmte ernährungs-technische Interventionen, um ihre Leistung zu steigern. Sei es durch hohe Fett-, Kohlenhydrat- oder Protein- zufuhr. Doch was mit den Stoffen im Körper passiert, hängt entscheidend auch von der Chronobiologie ab.

Chronobiologie ist eine Wissenschaft, die sich mit den Auswirkungen der „Zeit“ auf die Körperfunktionen beschäftigt. Zeitverschiebung hat einen großen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme, auf die Gesundheit aber auch auf die Leistungsfähigkeit von Athleten. Werden mehrere Zeitzonen überschritten, dann kann es von Vorteil im Wettkampf sein, dass die Anpassung des Körpers an die neue Zeit gut durchdacht und mit dem Training vor Ort synchronisiert wird. Diese Strategie hat sich bei verschiedenen Olympiaden und Weltmeisterschaften bei vielen der von uns betreuten Athleten bewährt. Ein weltweit führender Chronobiologe unterstützt mich dabei mehr als tatkräftig. Er war es auch, der mich im übrigen auch für dieses spannende und wichtige Thema „time shift“ sensibilisiert hat und natürlich mit hochkarätigem Material versorgt.

Chronobiologie und Ernährung
Es gibt einen klaren Rhythmus der Nahrungszufuhr, der hauptsächlich von Gewohnheiten und dem individuellen Lebensstil eines Menschen abhängig ist. Diese Muster der Nahrungsaufnahme spiegeln sich dann in der Funktion des Darms und im Stoffwechsel des verdauten „Materials“ wieder. Obwohl viele dieser Rhythmen in der Nahrungszufuhr stark durch exogene Komponenten beeinflusst werden, wie beispielsweise die Wachzeiten mit ihrer damit verbundenen körperlichen Aktivität, so gibt es doch einige wissenschaftliche Belege dafür, dass auch einige Faktoren, die in unserem Körper selbst liegen (endogen), unsere Nahrungsaufnahme beeinflussen. So reduzieren sich zum Beispiel beim Überschreiten von mehreren Zeitzonen der Appetit und der Genuss am Essen vorübergehend merklich. Diese Auswirkungen einer Zeitverschiebung können sehr gut auch bei Nachtarbeitern beobachtet werden: meist werden mehrere kleine Snacks statt einem vollen „Mittagessen“ mitten in der Nacht gegessen. Der Grund dafür ist möglicherweise, dass die Nahrung ganz einfach zur falschen biologischen Uhrzeit angeboten wird.

Blicken wir einmal in unseren Körper während eines Tages, was passiert dort eigentlich grob?
Im Laufe eine Tages verändert sich die Empfindlichkeit verschiedener Gewebe auf verschiedene Hormone. So ist zum Beispiel die Insulinempfindlichkeit am Morgen hoch. Im Tagesverlauf und während der Nacht ist unsere innere Uhr nicht mehr in der Lage so gut mit einer Kohlenhydratlast umzugehen. Das bedeutet, sie verändert sich. Die Tatsache dass der Körper im früheren Teil des Tages insulinempfindlicher ist und dass für gewöhnlich auch am Tag am meisten gegessen wird, lässt den Schluss zu, dass die Hauptenergie für einen Tag aus den Kohlenhydratenstoffwechsel kommt. Überschüssige Energie wird in der Muskulatur in der Leber als Glykogen gespeichert. Insulin wirkt außerdem fettaufbauend und Fettpölsterchen werden angelegt.

In der Nacht verändert sich diese Sensitivität massiv: Jetzt werden vermehrt Fette abgebaut. Bevor wir langsam wach werden, verändern sich wiederum sowohl die hormonellen Verhältnisse als auch die Empfindlichkeiten der verschiedenen Gewebe: Alles ohne irgendeine Nährstoffzufuhr von außen, die Veränderungen folgen ganz automatisch einer inneren Uhr. Verändert sich nun der Schlaf-Wach-Zyklus eines Menschen, verschieben sich auch ganz individuell unterschiedlich die hormonellen Rhythmen. Untersuchungen dieser Verschiebungen des Schlaf-Wach-Zyklus in wissenschaftlichen Labors haben gezeigt, dass gesundheitliche Probleme daraus resultieren können: die erhöhte Sterblichkeit von Nachtarbeitern auf Grund von Herzkreislauferkrankungen stehen möglicherweise damit in Zusammenhang.

Für den Sportler sind diese Tatsachen natürlich auch von großer Bedeutung:
Körperliche Belastung verändert sowohl die Ausschüttung von Cortisol und Wachstumshormonen. Die hormonellen Verhältnisse verändern sich auch hier wie man sieht. Eine Aussage, welche Schlussfolgerungen nun aus dieser Tatsache gezogen werden können, wird dadurch komplizierter, dass die Dauer und der Umfang dieser Verschiebungen sehr stark von der Belastung an sich abhängt. Wieviel an Kohlenhydraten, Aminosäuren, Fetten nun im Plasma nach einer Mahlzeit auftauchen, hängt von vielen äußeren und inneren Faktoren ab.

Fazit
Will ein Sportler durch ernährungstechnische Interventionen seine Leistungsfähigkeit verbessern, dann haben wissenschaftliche, chronobiologische Ausführungen gezeigt, dass dies ein nicht ganz einfaches, vorhersehbares Vorhaben ist. Bei den meisten Studien, die zum Thema „Leistungssteigerung durch Ernährung“ durchgeführt werden, finden die Tests morgens oder nach nächtlichem Fasten statt. Zu verschiedenen, anderen Zeitpunkten werden sie nicht wiederholt. Rufen wir uns nun in Erinnerung, welche metabolischen Konsequenzen diese Interventionen nun haben, und dass der Tagesablauf einen großen Einfluss auf die Verstoffwechslung der im Darm aufgenommenen Nahrung hat, dann ist es theoretisch möglich, dass der Zeitpunkt, wann eben diese Intervention durchgeführt wird, einen großen Einfluss hat.

Es bleibt sehr spannend, was uns die Wissenschaft auf diesem, und natürlich auch auf vielen anderen Gebieten in Zukunft  bringen wird!

Caroline Rauscher ist studierte Pharmazeutin mit Ernährungsweiterbildung. Sie besitzt fundierte Kenntnisse im Bereich der Leistungsphysiologie. Ihre Kontakte zu weltweit führenden Forschern nutzt sie u.a. für eine optimale und individuelle  Konzeption von Sportgetränken, für die Herstellung von Mikronährstoffen je nach Bedarf eines Sportlers sowie für die Ernährungsberatung von Profis und Amateuren. Sie betreut international erfolgreicher Winter- und Sommersportler. Darunter bekannte Namen wie  Julia Gajer, Andi Böcherer, Daniela Sämmler, Stefan Schmid und Paratriathlon-Weltmeister Thomas Frühwirth. Mehr Infos