Timo Bracht: Hinter vielen Namen steht ein Fragezeichen!

Seit einer gefühlten Ewigkeit greift Timo Bracht in diesem Jahr beim für die Triathlon-Szene wichtigsten Wettkampf des Jahres nicht aktiv in das Renngeschehen ein. 2014 lag sein Fokus ganz auf dem Challenge Roth, den er eindrucksvoll für sich entscheiden konnte. Im www.tritime-magazin.de-Interview äußerte sich der Eberbacher zu den Chancen der Deutschen.

Timo, wie verfolgst Du am 11.10. das Rennen? Live im Internet und Fernsehen oder lässt Du Dich am anderen Morgen davon überraschen, wer gewonnen hat?
Ich werde das Rennen schon in der Nacht verfolgen, selbstverständlich. Ich bin ja auch ein großer Fan des Langstreckentriathlons, selbst wenn ich nicht dabei bin. Wobei ich beim Ironman Hawaii zuletzt im Jahr 2000 nicht am Start war, da hatte ich noch eine ISDN-Verbindung. Wobei ich glaube, die Qualität von ironmanlive hat sich seitdem nur marginal entwickelt. Zum Glück haben wir den Enthusiasmus der HR-Crew um Ralf Scholt, und die bringen unseren Sport immer wieder zurück ins öffentlich-rechtliche Programm.

Im Vorfeld der Berichterstattung in den deutschen Medien fallen immer wieder die Namen Sebastian Kienle und Jan Frodeno. Welche Chancen haben sie im Wettstreit um die Triathlonkrone, und welche internationale Konkurrenz müssen sie am meisten fürchten?
Sebastian hat auf Hawaii schon Erfahrung. Ihm liegt der Radkurs, und er hat noch kein Negativerlebnis auf der Insel. Er ist der große Favorit, sollte sich aber im Vorfeld nicht zu sehr verrückt machen und seine individuelle Leistung abrufen. Trotzdem wird es nach dem harten und sehr erfolgreichen Rennen in Frankfurt sehr schwer für ihn, wieder 100 Prozent in Kona abzuliefern. Das weiß ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. Jan Frodeno ist physisch eine Ausnahmeathlet. Da er auch noch mental ein Könner ist, die Hitze verträgt und auch den Killerinstinkt besitzt, ist es eine Frage der Zeit, bis er in Kona ganz vorne mit dabei ist. Die Krux für ihn könnte seine Muskulatur werden. Seine Krämpfe beim Ironman in Frankfurt sind kein gutes Omen für den Ironman Hawaii. Hop oder top glaube ich. Ansonsten ist das Feld – auch durch meine Abwesenheit – irgendwie nicht ganz so gut besetzt. Hinter vielen Namen steht ein Fragezeichen. International sind Van Lierde, Rana, und vor allem O´Donnel sehr stark.

Mit Nils Frommhold steht ein Rookie an der Startlinie, der in den vergangenen beiden Jahren durch hervorragende Ergebnisse immer wieder auf sich aufmerksam machte. In Roth konntest Du den lange Zeit in Führung liegenden Freiburger erst auf der Laufstrecke überholen, und mit seinem fünften Platz bei der 70.3-WM in Mt. Tremblant sorgte er für ein weiteres Ausrufezeichen. Wie wird Nils Deiner Meinung nach bei seiner Premiere in Kona abschneiden? Welchen Ratschlag gibst Du ihm mit auf den Weg?
Nils wird ein stabiles und gutes Rennen in Kona zeigen. Er schwimmt ausgezeichnet, hat mittlerweile Erfahrung über 180 Kilometer Radfahren und kann stabil laufen, ohne Druck. Ich denke, er ist ein sicherer Top-10-Kandidat. Es ist seit Ironman Cozumel im November letzten Jahres allerdings schon seine vierte Langdistanz in knapp zwölf Monaten. Auf lange Sicht ist dies nicht gut.

Und Andreas Raelert?
Andi ist mittlerweile ein langjähriger Weggefährte von mir. Ihm wünsche ich ein top Rennen, mit dem er seinen Kritikern Lügen straft, die nach den letzten schwächeren Auftritten auf einmal alle schnell zu hören waren, wie damals all diejenigen, die ihn in den Himmel gehoben haben. Wie schnell man als Topathlet auch wieder abgeschoben wird, fand ich bei Andi schon hart, und dies hat er auch so nicht verdient gehabt. Wenngleich er es sich auch durch den harten Qualifikationsmodus sicherlich nicht einfach gemacht hat in Topform am Renntag anzutreten.

Welche drei Profis werden Deiner Meinung nach am Ende die Nase vorn haben?
Van Lierde, O´Donnel und Kienle.

Und bei den Damen? Mit dem Shootingstar der Saison, Daniela Ryf, der amtierenden Weltmeisterin Mirinda Carfrae, Caroline Steffen, Rachel Joyce und Yvonne van Vlerken stehen gleich fünf Athleten ganz oben auf der Favoritenliste. Welche Athletinnen werden Deiner Meinung nach letztendlich auf dem Podium stehen? Und welche Rolle spielen in diesem Jahr die deutschen Starterinnen, allen voran Julia Gajer?
Ich glaube Daniela Ryf wird von Mirinda Carfrae noch knapp abgefangen. Aber für die nächsten Jahre kann sich mit Daniela Ryf eine ähnliche Dominanz wie bei Chrissie Wellington entwickeln. Julia Gayer wird, wenn sie stabil durchkommt, im Rennen mental nicht zu früh aufgibt und einen Gang rausnimmt, auf jeden Fall in die Top-10 kommen. Das sollte ihr Ziel und Anspruch sein.

Ist nach Deinem 10. Platz beim Ironman Mallorca Dein Blick bereits auf den bevorstehenden Kona-Qualifikationszyklus für 2015 ausgerichtet?
In den nächsten Wochen mache ich nur „just for fun-Sport“, hole vieles nach, was ich die letzten Monate versäumt habe. Ab dem 01.11. beginnt der Aufbau für die nächsten beiden Jahre. Es wird spannend bleiben, auch was meine Rennplanung angeht! Dazu aber in ein paar Wochen mehr.

tritime-Portrait Timo Bracht (Ausgabe 6|2012)

Fotos: Klaus Arendt und Power Horse Triathlon Team