4.325 Punkte benötigte Christian Kramer, um sich Ende Juli bereits im ersten Draft für die Ironman World Championship in Kona zu qualifizieren. Kurz vor seiner Abreise in die Südsee stellte sich der gebürtige Merseburger den Fragen der www.tritime-magazin.de-Redaktion.
Christian, welches Rennen im Rahmen Deiner Qualifikation lässt Dir im Vorfeld auf die World Championship noch einmal das Adrenalin in die Adern schießen?
Da muss ich ganz klar den Ironman Austria nennen, bei dem ich mit einer zeit von 7:54 Stunden Platz zwei belegt habe. Es gibt wahrscheinliche wenige Rennen, in denen man mit solch einer Zeit Zweiter wird, aber an diesem Tag war eben einer noch stärker. Das Rennen lief nahezu optimal, wobei ich beim Laufen ab der Hälfte nicht mehr auf die Uhr geschaut habe, weil ich mich nicht so wohl gefühlt habe und zuallererst die Sicherung des zweiten Platzes im Kopf hatte. Erst als ich in den Zielkanal einbog, habe ich die Zeit gesehen und war super happy.
Wie bereitest Du Dich auf die Hitze vor?
Auf die Hitze bereite ich mich nicht direkt vor. Ich reise elf Tage vor dem Rennen an. Im letzten Jahr waren es zwölf Tage und bin mit der Klimaanpassung gut hingekommen. Allerdings absolvierte ich bisher meine gesamten Radeinheiten auf der Rolle und konnte somit das Schwitzen ganz gut trainieren. Ansonsten habe ich bisher wenig Probleme mit der Hitzegehabt und mache mir von daher auch keine Sorgen, warum es dieses Mal anders sein sollte.
Und wie sehr belastet Dich der Jetlag?
Mit dem Jetlag muss ich schauen, da zum ersten Mal meine Familie mit den Kindern mitkommt und ich vielleicht auf den Flügen nicht so gut schlafen kann, wie es eigentlich nötig wäre. Schließlich habe ich ja auch eine Verantwortung gegenüber Frau und Kindern und möchte sie nicht allein im Regen stehen lassen. Wenn ich dann auf der Insel bin, versuche ich einfach zu schlafen, wenn es dunkel ist und zu trainieren, wenn es hell ist. Ich versuche einfach die Müdigkeit zu überbrücken.
Wohnst Du in einem Appartement/Haus mit Küche oder im Hotel?
Wir wohnen ganz am Ende des Ali’i Drives in einem Appartement mit Selbstverpflegung. So ist man sein eigener Herr und kann bestimmen, was wann auf den Tisch kommt und muss sich nicht ständig Gedanken machen „wo gehe ich heute essen“! Außerdem ist es mit den beiden Kids entspannter, da sie genügend Platz zum Spielen haben.
Ist Dein Trainer mit vor Ort?
Leider sind meine beiden Rad- und Laufcoaches nicht vor Ort. Das steckte aufgrund der Logistik und der dann doch beschränkten finanziellen Mittel bisher noch nicht drin. Was aber der Leistung bisher zum Glück auch nicht geschadet hat, wie ich meine. Durch die heutigen Möglichkeiten mit Videotelefonie können wir gegebenenfalls noch die eine oder andere Feinabstimmung kurzfristig vornehmen und uns auch so noch einmal kurz vor dem Rennen austauschen.
Wer begleitet Dich – neben Deiner Frau und den Kindern – noch auf Deiner Reise nach Hawaii und welche Rolle nehmen sie dort ein?
Meine Schwiegereltern begleiten uns, sodass wir schon eine größere Reisegruppe sind, wobei meine Frau 2010 schon einmal mit auf Big Island war und mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut ist. Außerdem kommt noch mein Manager und Freund Ronny Winkler mit, der mit mir letztes Jahr ein Duo gebildet hat. Sie alle werden mir am Renntag – wenn nötig – in den Hintern treten und mich so weit wie möglich vor und während des Rennens unterstützen.
Wie viele Tage vor dem Rennen hast Du mit dem Tapering begonnen beziehungsweise Die Umfänge und Intensitäten reduziert?
Die vorletzte Woche vor dem Rennen ist meist die entspannteste. In der Rennwoche wird es dann sogar wieder etwas „mehr“, was Umfang und Intensität angeht. Dies hat sich bei mir bisher immer bewährt und ich werde auch dieses Mal das System beibehalten. Einen direkten Zeitpunkt wie zum Beispiel zehn oder zwölf Tage vor dem Rennen habe ich nicht. Das wird dann in Abstimmung mit den Trainern intuitiv entschieden.
Wie sehen Deine letzten Einheiten vor dem Wettkampf aus und wann machst Du die?
Donnerstag vor dem Rennen ist normaler Weise komplett frei – wobei ich noch auf den genauen Plan warte. Am Vorwettkampftag wird dann meist noch einmal 500-600 Meter geschwommen, eine Stunde Rad gefahren und 6-8 Kilometer gelaufen. Alles um den Motor kurz an die bevorstehende Aufgabe zu erinnern. Ich versuche damit auch so zeitig wie möglich fertig zu sein, um den restlichen Tag noch frei zu haben und etwas die Seele baumeln lassen zu können.
Wie schätzt Du Deine realistischen Chancen ein?
Wie immer die Frage der Frage, mit der die Medien die Athleten festnageln möchten. Ich bin im letzten Jahr mit einer nicht zufriedenstellenden Radleistung Vierzehnter geworden. Danach fing auch die Zusammenarbeit mit Ben Reszel als Radcoach an. Die ersten Früchte konnte ich in Klagenfurt ernten. Im Moment sind die Trainingsleistungen besser als vor Klagenfurt, wobei ich mir dafür am Renntag auch nichts kaufen kann, wenn es nicht läuft. Jedenfalls habe ich letztes Jahr schon gesagt, dass ich mich verbessern möchte, aber nicht für Platz 13 hinfliegen will. Deshalb habe ich mir die Top Ten als Ziel gesetzt. Alles andere wäre Zugabe.
Wer sind die großen Favoriten auf den Sieg im Rennen der Herren?
Ivan Rana: im letzten Jahr Platz 6 mit der meines Wissens zweitschnellsten Laufzeit und dieses Jahr stark verbessert im Radfahren. Außerdem kann er sehr gut schwimmen und muss nicht aufholen und Kraft verpulvern. Hitzebeständig ist er auch, denn er hat bei seinem ersten Rennen über diese Distanz den Ironman Cozumel souverän gewonnen. Auf Tim O´ Donnell bin ich auch gespannt, denn er hat sehr wenige Rennen bestritten und war letztes Jahr Fünfter, außerdem der Titelverteidiger Van Lierde.
Und wie könnte aus Deiner Sicht das Podium bei den Herren und Damen aussehen?
Rana, Van Lierde und O´ Donnell bei den Herren sowie Carfrae, Cave und Joyce bei den Frauen.
Worauf wirst Du in der Rennwoche ernährungstechnisch besonders achten?
Viel Trinken und viele Elektrolyte zu mir nehmen! Ansonsten natürlich ausgewogen und gesund ernähren, aber ohne spezielle Diät.
Womit verbringst Du in Kona die trainingsfreie Zeit?
Je nach dem, was der Familie so einfällt und bei dem der Aufwand sich in Grenzen hält, denn ich bin nicht zum Urlaub auf Hawaii. Ich werde mich auf das Rennen konzentrieren. Hinterher haben wir noch ein paar Tage, um die Insel gemeinsam unsicher machen zu können.
Auf was musstest Du in den letzten Wochen am meisten verzichten?
Im Grunde nichts. Klar wäre ich gerne auch mal draußen Rad gefahren, aber ich fand es einfacher, die Programme drinnen zu absolvieren. Außerdem habe ich mich bewusst gegen ein Trainingslager in den USA oder Europa entschieden, da ich letztes Jahr auch gut mit der Entscheidung gefahren bin und mir die gemeinsame Zeit mit der Familie wichtig war. Außerdem habe ich zu Hause auch das passende Umfeld. Das ist gerade in den USA immer auch ein wenig schwieriger, wenn man sich nicht auskennt. Und auf ein Abenteuer hatte ich im Vorfeld keine Lust.
Worauf freust Du Dich nach dem Rennen am meisten?
Mit meiner Familie und meinen Freunden ein gutes Ergebnis feiern zu können.
Wie verbringst du die Zeit nach dem Rennen? Saisonpause und Urlaub oder steht noch ein später Wettkampf im Jahr an, um frühzeitig Punkte für 2015 zu sammeln?
Diese Entscheidung treffe ich am Tag nach dem Rennen. Je nachdem wie es gelaufen ist werde ich mir überlegen, was noch kommt oder ob ich die Beine hoch lege. Ich plane bis zum 11.10. und danach wird weiter gedacht.
10 Stichworte – 10 spontane Reaktionen
Was fällt Dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Ali’i Drive: Posing statt Shoppingmeile.
Palani Road: Der erste Gradmesser beim Laufen.
Energy Lab: Auch nur eine Straße! Caroline Steffen hat es gut beschrieben, wie ich finde.
Mumuku: Freund oder Feind des Triathleten.
Underpants Run: Ich werde nur zuschauen.
Mauna Kea: Traumhafter Sonnenaufgang.
Kona Coffee: Werde ich mit nach Hause nehmen.
Island Lava Java: Leider oft sehr voll, aber anstellen lohnt sich.
ABC-Store: Wie in allen Läden: akute Erkältungsgefahr!
LuLu’s: Kenne ich nur von Erzählungen.
Foto: Getty Images (Klagenfurt) und Sebastian Kuhn | drehmomente.de