Vor einigen Wochen sorgte Andi Böcherers Blogeintrag „Machst Du eigentlich noch Triathlon“ in der Szene für große „Anteilnahme“ und Gesprächsstoff. Aber auch Johannes Moldan durchlebte in den Wochen nach seinem Ausstieg bei der Ironman 70.3-EM in Wiesbaden ein gesundheitliches Wechselbad der Gefühle. Grund genug für die www.tritime-magazin.de-Redaktion, sich mit beiden Triathleten zu unterhalten.
Andi, wann war Dein letzter Termin bei einem Arzt oder Physiotherapeuten?
Zum Physio gehe ich immer einmal die Woche, entweder zur Massage oder zur Behandlung eines Zipperleins. Mein letzter Arzttermin liegt glücklicherweise schon einige Wochen zurück.
Befindest Du Dich wieder im Training? Und wann sehen wir Dich auf der Wettkampfstrecke?
Seit wenigen Wochen trainiere ich wieder moderat und fahre dabei ganz langsam die Umfänge wieder hoch. Mein Betreuerteam und ich haben analysiert, dass ich sehr sehr schnell in Form komme, jedoch mein Skelett- und Bandapparat dieses Tempo nicht mithalten kann. Deswegen werden wir die verbleibenden Monate dieses Jahres dazu nutzen, mit viel Zeit eine solide Grundlage aufzubauen, um meinen Körper langsam und ohne Risiko wieder an die normalen Intensitäten heranzuführen.
Wie gehst Du mit dieser Situation um?
Ich habe mit meinem schwierigen Jahr 2014 abgeschlossen und schaue jetzt nur noch nach vorne. Der Unfall wird jedoch immer Teil von mir bleiben, und das ist auch gut so. Ich möchte ihn nicht verdrängen, sondern verarbeiten und integrieren. Letztendlich kann man aus jeder schwierigen Erfahrung auch etwas Positives für die Zukunft mitnehmen.
Johannes, seit wenigen Wochen absolvierst auch Du die ersten, leichteren Einheiten! Hast Du „Herrn Muskelkater“ noch gekannt?
Ja klar! Wenn man schon einmal einen richtigen Muskelkater hatte, vergisst man das Gefühl nicht mehr so schnell, aber es stimmt schon, während der Saison bekommt man eigentlich keinen Muskelkater mehr, da ist die Muskulatur einiges gewohnt. Jetzt nach der Pause ist das was anderes.
Du bist mit Ambitionen zur Ironman 70.3-Europameisterschaft nach Wiesbaden gereist. Allerdings musstest Du das Rennen bereits schon nach dem Radfahren aufgeben. Was ist passiert?
Ich war für Wiesbaden eigentlich sehr optimistisch. Endlich hat auch die Laufform gepasst, was man von den Rennen der ersten Saisonhälfte ja nicht behaupten konnte. Jedoch bekam ich bereits beim Schwimmen Probleme mit der Atmung. Gleich nach der ersten Boje. Ich dachte zuerst, ich hätte nur den Verschluss meines Neos zu eng geschlossen. Beim Landgang habe ich meinen Neo auch noch einmal geöffnet und gelockert, aber es änderte sich leider nichts. Das Schwimmen beendete ich zusammen mit Bart Aernouts und Ronni Schildknecht, lag also ganz gut im Plan. Das war letztendlich auch der Grund, weshalb ich noch aufs Rad gestiegen bin. Allerdings war das an diesem Tag auch mein größter Fehler. Eigentlich hätte ich gleich nach dem Schwimmen aussteigen müssen, stattdessen fuhr ich aber immer weiter. Der Gedanke aufzugeben, kam mir erst sehr spät in den Sinn, allerdings war es mir auf der Strecke irgendwann auch einfach zu kalt. In der zweiten Wechselzone habe ich gleich das Sanizelt aufgesucht. Zuerst sah hier alles ok aus. Als ich ins Hotel gehen wollte, kippte ich um und bekam keine Luft mehr. Daraufhin folgte das große Programm: Krankenwagen und Krankenhaus, ein ziemlich uncooles Ende.
Und wie lautete die genaue Diagnose?
Das war nicht ganz einfach. Zuerst dachte man an eine Herzerkrankung, weil verschiedene Werte im Blut ziemlich erhöht waren. Eine Lungenembolie konnte glücklicherweise schneller ausgeschlossen werden. Nach zwei Tagen zur Überwachung auf der Intensivstation bekam ich dann kurz nach dem Frühstück die Diagnose Herzmuskelentzündung und ein Jahr lang kein Sport.
Bitte schildere uns Dein Wellenbad der Gefühle, als Dir die Diagnose Herzmuskelentzündung mitgeteilt wurde!
Wiesbaden war mein letztes Rennen vor der WM in Kanada. Während ich überlegte, wann ich wieder ins Training einsteigen könnte, sprachen die Ärzte um mich herum nur von Herzinfarkt und Lungenembolie. Ich wusste ja, dass ich nach jedem Schnupfen beim Arzt war und mir diesbezüglich nichts vorwerfen konnte. Als Ausdauersportler ist man da ziemlich sensibilisiert. Mein Herz und meine Lunge machten mir auch nie Probleme. Die Diagnose Herzmuskelentzündung war dann aber doch ein herber Schlag! Ich sollte ein komplettes Jahr Sportverbot bekommen. Maximal Treppen steigen. Da ist mir dann schon das Lachen vergangen. Die Ärztin war sich jedoch sehr sicher und wollte mich damit nach Hause schicken. Nachdem ich meine Sachen gepackt hatte, bin ich aber doch noch einmal zu ihr, um noch weitere Ausschlussverfahren anzufordern. Ich war mir absolut sicher, dass mein Herz ok war. So ein bisschen Körpergefühl habe ich ja auch, und wenn ich doch falsch liegen sollte, hatte ich wenigstens alles versucht. Also blieb ich eine weitere unruhige Nacht und einen Tag in der Klinik. Das Herz wurde dann auch wieder für gesund erklärt und ich nach zwei Tagen entlassen: ohne Diagnose. Aber eine Herzerkrankung wurde ausgeschlossen. Das Schlimme daran war die Ungewissheit! Ich wusste ja auch nicht, was mit mir los war. Aber das fühlte sich besser an als die Diagnose Herzmuskelentzündung.
Dann ging der Ärzte-Marathon jedoch erst richtig los. Beim HNO und Lungenfacharzt stellte man fest, dass ich übersensibel auf Chlor reagiere. Das wusste ich schon länger, habe es aber, da es sehr schleichend kam, als Normalzustand wahrgenommen. Mit dem Pollenflug und anderen Umweltbelastungen war meine Atmung dann einfach überstrapaziert. Die Belastung im Wettkampf war dann wohl der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Andi, vor knapp drei Wochen fand der Saisonhöhepunkt in Kona statt. Wo hast Du das Rennen verfolgt?
Ich war bei Triathlon Szene und habe in der Hawaii-Livesendung das Rennengeschehen kommentiert. Das hat viel Spass gemacht und verlieh meiner Zwangspause einen Sinn. Dadurch war es auch viel leichter, die verpasste Teilnahme zu ertragen.
Und Du Johannes?
Total hibbelig neben meiner Freundin auf dem Sofa. Ab dem Startschuss bekomme ich immer Gänsehaut und würde am liebsten aufs Rad steigen und selber fahren… Das ist total ungesund für mich. Ich hasse es, Rennen von außen anzuschauen. Ich kann das auch nicht mit Freunden machen. Ich muss dann zwischendurch immer mal raus …
Andi, welche Rolle spielt Deine Familie während dieser Verletzungsphase?
Meine Familie ist natürlich sehr sehr wichtig und sorgt für wunderbare Abwechslung und viel Freude. Von meiner Frau bekomme ich aber ab und zu auch mal einen Rüffel, wenn ich meinen Kopf zu tief hängen lasse. Das hat für mich einen unschätzbaren Wert.
Und wie motivierst Du Dich selber?
Das ist in meinem Fall eher die falsche Frage. Für mich ist es eher wichtig, mich im richtigen Moment zu bremsen und öfter auf Ermüdungssignale zu hören.
Wie sehen Deine Alternativeinheiten aus?
Bei vielen Laufverletzungen kann man mit Aquajoggen seine Form relativ gut erhalten beziehungsweise aufbauen. Das ist zwar eintönig, aber sehr effektiv. Es birgt natürlich auch immer das Risiko, dass die Leistungsfähigkeit der Belastbarkeit von Sehnen, Bändern und Gelenken enteilt.
Wie ist Deine weitere Planung?
Nach dem Formaufbau in Freiburg gehen dann meine Familie und ich über Silvester ins Oberwallis zum Langlaufen. Danach folgen dann mehrere Trainingslager im Süden, wahrscheinlich wieder auf dem spanischen Festland in Almeria.
Johannes, und wie sehen Deine nächsten Ziele aus?
Ich fliege für sieben Wochen nach Südafrika. Ich trainiere dort und fahre das Lord of the Chainrings mit, ein 3-Tages-Mountainbikerennen. Ich hoffe, dass ich schnell wieder zu 100 prozent fit werde. Ich bin da aber sehr zuversichtlich!
Ein wesentlicher Teil Eurer Einnahmen generiert Ihr über das Preisgeld. Habt Ihr für solch eine Phase einen Plan B?
Naja, also meine Finanzierung sieht da ein bisschen anders aus. Wenn man mal schaut, was man bei einem Rennen gewinnen kann und was nach Steuern und den Fahrt-, Flug- und Hotelkosten übrig bleibt, merkt man, dass das nicht besonders viel ist. Das nächste Problem ist dann, dass die Rennen meistens sehr gut besetzt sind und man nur begrenzt viele Rennen mit guter Form bestreiten kann. Würde ich mich nur durch Preisgeld finanzieren müssen, könnte ich vor Hunger und Finanzdruck nicht mehr schlafen.
Wie reagieren Deine Sponsoren darauf?
Sponsoren freuen sich natürlich am meisten, wenn du erfolgreich bist. Das ist ganz klar. Aber was wir da betreiben, ist auch kein Gesundheitssport. Die Wahrscheinlichkeit, sich zu verletzen, zu überzocken oder einfach krank zu werden, ist recht hoch. Das Verhältnis zu meinen Sponsoren ist sehr eng. Sie haben mir schon geschrieben und versucht mich anzurufen, als ich noch im Krankenwagen unterwegs war. Ich bekam sofort verschiedene Ärzte empfohlen und aufmunternde Worte. Es wurden Daumen gedrückt und es wurde sich gefreut, als es Entwarnung gab. Als ich die WM absagen musste, waren nicht alle glücklich darüber. Ich selbst wollte ja auch unbedingt starten. Aber für meine Entscheidung bekam ich auch Verständnis. Wir arbeiten weiter daran, dass es auch wieder besser läuft!
Du hast einem Partner von Dir auf der AMB Maschinenbau-Messe in Stuttgart unterstützt? Wie trägt sich Anzug und Krawatte?
Ich liebe Anzüge! Nicht jeden Tag, aber man ist schon sehr schick in so einem Kostüm. 😉
Andi, wie sieht es bei Deinen Sponsoren mit dem Verständnis aus?
Die meisten haben großes Verständnis, schliesslich ist es nicht meine Schuld, dass ich umgefahren wurde. Aber natürlich wird am Ende eines Jahr abgerechnet und da steht bei mir dieses Jahr eine Null. Das ist nicht gerade hilfreich, aber die meisten sind wie gesagt sehr loyal.
Denkt ein Profi in solchen Situationen nicht darüber nach, seinen jetzigen Beruf an den Nagel zu hängen und mit etwas „Bodenständigem“ seinen Lebensunterhalt zu verdienen?
Natürlich habe ich nicht nur einmal überlegt, ob es das Richtige ist, was ich hier mache. Wenn Du aber morgens um sechs Uhr in das kalte Wasser springst, um sechs Kilometer auf einer 25-Meter-Bahn abzureissen und Du merkst, dass es genau das ist, was Du machen willst, dann verfliegen sehr schnell alle Zweifel.
Johannes und Du, Ihr seid nicht nur Kollegen, sondern auch freundschaftlich verbunden. Wie sieht eine Unterstützung zwischen Euch aus?
Wir tauschen uns regelmässig telefonisch aus und trainieren auch öfter zusammen. Wir bauen uns gegenseitig auf, wenn es nicht so läuft, oder freuen uns über gute Resultate des anderen.
Johannes, wie ist Deine Sicht? Ihr seid Konkurrenten, aber auch Freunde!
Andi ist ein echt cooler Typ! Wir haben uns vor einigen Jahren im Trainingslager auf Fuerte kennengelernt. Das war ziemlich lustig. Zu Beginn hatten wir wenig miteinander zu tun. Ich habe nur über Dritte gehört, dass er ziemlich eigen und eingebildet sein soll. Ich habe mir dann gedacht: „Oh ne, mit dem fährst du besser kein Rad.“ Später stellte sich heraus, dass er dasselbe über mich gehört hatte. Irgendwann kam er aber beim Abendessen an unseren Tisch – ich war zusammen mit einem Kumpel dort. Während wir den ganzen Abend dumme Sprüche klopften, verzog Andi verzog keine Miene … bis zum Espresso-Bestellverhalten meiner Oma! Meine Oma bestellt sich immer einen Exxschpresso, mit Betonung des doppelten X! Andi musste so lachen, dass er keinen Bissen mehr essen konnte. Ab da war für mich klar, dass er gar nicht so übel sein kann! Die nächsten Wochen auf der Insel hatten wir ständig Bauchmuskelkater vom Lachen…
Was die Unterstützung angeht, das ergibt sich alles von selbst. Wir telefonieren regelmäßig. Wenn ich ihn unterstützen kann, helfe ich. Umgekehrt ist das genauso. Ich versuche mich zurzeit an eine Nasenklammer zu gewöhnen, um die Reizung der Nebenhöhlen zu minimieren. Den Tipp bekam ich zum Beispiel von Andi, der das Problem schon vor mir hatte.
Das Interview führte Utz Brenner.
Fotos: Privat