Thomas Hellriegel: Triathlon Legende auf Abwegen

1997 gewann Thomas Hellriegel als erster deutscher Triathlet den Ironman Hawaii. Mit einer Zeit von 8:33:01 Stunden verwies er seine Landsleute Jürgen Zäck und Lothar Leder auf die Plätze. In diesem Jahr fiebert Thomas Hellriegel nicht als Athlet dem Startschuss entgegen, sondern als Co-Moderator des Hessischen Fernsehens.

Thomas, 17 Jahre ist es nun her, dass Du als erster Deutscher in Kona die Ironman World Championship gewinnen konntest. Welcher Moment des damaligen Rennens lässt Dir heute immer noch das Adrenalin in die Adern schießen?
Beim Radfahren bin ich damals eher taktisch gefahren, und beim Laufen hat es dann doch eine knappe Stunde gedauert, bis ich alleine in Führung war. Bei Marathon-Kilometer 14 habe ich beschleunigt, um Jürgen Zäck abzuhängen. Das war aufregend, hat aber gut geklappt! Der Schlüssel zu meinem Sieg lag grundsätzlich darin, dass ich geduldig war und den richtigen Zeitpunkt abgewartet habe.

Vieles hat sich seitdem im Triathlonsport vieles geändert: Triathlon ist olympisch, Roth ist ein Challenge, viele neue Veranstaltungen, professionelle Herangehensweise vieler Age Grouper, Vermarktung, Staffeln, dichte Starterfelder, Windschatten- und Preisgeldproblematik und und und. Was sind aus Deiner Sicht die positivsten und negativsten Veränderungen?
Die positiven Veränderungen sind ganz klar, dass man viel mehr Optionen auf Starts bei hochwertigen Rennen hat. Früher gab es als deutscher Athlet zu Roth und Hawaii kaum Alternativen. Negativ sehe ich die Tendenz der letzen Jahre, dass zumindest bei den wichtigen europäischen Rennen massiv Windschatten gefahren wurde. Roth und Frankfurt waren in diesem Jahr besser, allerdings war die Leistungsdichte auch nicht ganz so hoch  wie in den Vorjahren. Hinzu kommt, dass die meisten Athleten – und da sind wir auch schon bei der zweiten, großen, negativen Problematik – durch das Kona-Punktesystem der WTC schon recht platt sind.

Solche Punktesysteme sind bei Kurz- und Mitteldistanzen gut, aber nicht auf der Langdistanz. Welche Athleten wollen die Verantwortlichen in Kona am Starten haben? Die Besten oder diejenigen, die am meisten aushalten? Darüber hinaus brauchen wir bei den Top-Rennen in Deutschland professionelle Kampfrichter! Da wird im Anti-Doping-Kampf ein Wahnsinns-Aufwand betrieben, um alle Pro-Athleten einem Bluttest zu unterziehen – was absolut super ist –, und dann wird im Wettkampf mit drei Meter Abstand rumgeradelt! Das eine ist genauso Betrug wie das andere! Kampfrichter sind gar nicht da oder sie sind da und schauen nur zu!? Und die Profis wiederum sind Vorbilder für die Agegrouper.

Im Gegensatz zu heute haben wir seinerzeit mehr Geld mit Sponsoren verdient und weniger mit den Wettkämpfen. Dadurch waren wir als Athleten wohl auch unabhängiger!

Welche Ratschläge gibst Du den Kona-Rookies?
Die meisten Teilnehmer reisen nur einige Tage vor dem Rennen an. Bitte absolviert vor Ort keine harten Einheiten mehr. Für den Körper ist die Anreise, die Zeitverschiebung und der Klimawechsel schon Stress genug. Und dann besteht da noch die Erkältungsgefahr durch sehr kalt eingestellte Klimaanlagen! Morgens im Meer schwimmen kann den Atemwegen da schon helfen (Salzwasser). Das wichtigste ist jedoch, den Wettkampf zu genießen und nicht zu viel erwarten. 20-30 Minuten mehr als in Frankfurt sind schon eine gute Leistung!

Wie hast Du Dich im Vorfeld Deiner Starts auf die Hitze vorbereitet?
Meist habe ich mich auf den Kanaren vorbereitet. Da ist es im September – auch bei bedecktem Himmel – immer um die 30 Grad Celsius warm. Und es ist windig. Die Bedingungen dort ähneln denen auf Hawaii, nur etwas milder. Auf Hawaii selbst ist es heißer und feuchter. Deshalb halte ich eine längere Vorbereitung auf Hawaii für nicht optimal. Man laugt durch das ständige, starke Schwitzen leicht aus und man wird von den doch sehr monotonen Strecken auch schnell müde im Kopf. Die zweite sinnvolle Variante – die ich allerdings nie gezogen habe – ist ein Vorbereitungscamp in Kalifornien. Dadurch hat man den größten Teil der Zeitverschiebung weg und kann sehr kurzfristig nach Kona rüberfliegen. Allerdings ist man auch sehr lange von zu Hause weg. Das Hauptproblem ist dort allerdings das Wetter: In Kalifornien ist es trocken-heiß! Und das ist etwas ganz anderes als feucht-heiß!

Wie sehr hat Dich der Jetlag belastet, und wie viele Tage benötigtest Du, bis Du richtig im normalen Tagesablauf warst?
Wenn man nach Westen reist, ist die Zeitverschiebung nicht so problematisch, es sei denn, man übernachtet an der Westküste in Los Angeles oder San Francisco. Sonst ist es nur ein ‚langer‘ Tag. Wichtig ist, dass man abends in Kona ankommt. Dann ist man sehr platt, kann aber auch gleich schlafen. Man wacht früh auf, geht gleich trainieren und ist sofort im Rhythmus! Das sollte man bis zum Wettkampf beibehalten. Über Mittag zu trainieren macht wegen der Hitze auch keinen Sinn. Abends ist man früh müde. Glücklicherweise wird es ja auch schon kurz nach 18 Uhr dunkel. 21 Uhr fühlt sich an wie Mitternacht, da es schon stundenlang dunkel ist. Man kann also gut einschlafen. Ich war meist 10 Tage vor dem Rennen in Kona. Lange genug, um sich stressfrei umzustellen und kurz genug, um nicht einen ‚Lagerkoller‘ zu bekommen.

Worauf hast Du in der Rennwoche ernährungstechnisch besonders geachtet?
Ich habe eigentlich immer eine abgeschwächte Saltin-Diät gemacht. Zudem wollte ich immer im Appartement wohnen, um selber kochen zu können. Da weiß man, was man isst! Zudem ist es in Kona vor dem Rennen sehr voll und man muss in Restaurants zum Teil lange auf das Essen warten. Schließlich ist es wichtig, direkt nach dem Training zu essen, um die Regenerationszeit kurz zu halten. Wir haben oft auf dem günstigen Wochenmarkt frisches Obst und Gemüse eingekauft. Die letzten drei Tage vor dem Rennen sollte man davon aber nicht mehr zu viel Ost und Gemüse essen: Durchfall-Gefahr.

Womit hast Du in Kona die trainingsfreie Zeit verbracht? Wie hast Du Dich entspannt?
Morgens war meist Training angesagt. Über Mittag, wenn es richtig heiß ist, gab es erst Essen, dann einen kurzen Mittagsschlaf. Abends folgte dann die zweite Einheit, Einkaufen und andere organisatorische Dinge. Sudoku und Bücher hatte ich immer mit. Unnötiges Rumlaufen, Rumstehen oder mit dem Auto fahren, kam vor dem Rennen für mich nicht in Frage.

Worauf hast Du Dich nach dem Rennen immer am meisten gefreut?
Kona war für mich immer gleichbedeutend mit dem Saisonende. Schließlich brauchten wir ja keine Punkte sammeln. Und nach der monatelangen Vorbereitung wollte ich dann mal richtig feiern! Wir haben uns dann immer auf die Zeitverschiebung zurück nach Deutschland vorbereitet: Tagsüber am Strand schlafen und nachts feiern.

Wurdest Du auf Deinen Reisen nach Hawaii von Freunden und Deiner Familie begleitet? Welche Rolle nahmen sie dort ein?
Man muss schon schauen, dass man nicht alleine ist und ein ‚angenehmes Klima‘ im Appartement hat! Wer dafür geeignet ist, muss jeder für sich entscheiden. Es sollte niemand sein, der vor dem Rennen selbst aufgeregt ist, wie beispielsweise die Eltern. Freundin fand ich immer besser.

Wer sind die großen Favoriten auf den Sieg im Rennen der Herren?
Es ist schon schwierig in diesem Jahr. Einige Männer – die halten weniger aus als die Frauen – haben aufgrund der Überlastung durch das Punktesystem im Sommer gepatzt. Die Frage ist, ob sie bis Hawaii noch einmal die Kurve bekommen. Erfreulich aus deutscher Sicht ist, dass wir mit Sebi und Frodo zwei heiße Eisen im Feuer haben. Sebi ist schon seit der 70.3-WM vor Ort. Ich hoffe, er hat die nötige Ruhe und Gelassenheit in der Vorbereitung. Bei Frodo könnte es eine Rolle spielen, wie stark der Wind am Wettkampftag ist. Er ist sehr groß und würde wohl von einem Tag mit weniger Wind profitieren. Ich denke er kann auch bei Hitze sehr stark laufen.

Und wie könnte aus Deiner Sicht das Podium bei den Damen aussehen?
Bei den Frauen gilt es Rinny zu schlagen. Punkt.

In diesem Jahr bist Du bei der Live-Übertragung des Hessischen Fernsehens  Co-Kommentator. Wie bereitest Du Dich auf diese Herausforderung vor? Hast Du bereits sämtliche Statistiken und Informationen der vergangenen Jahre zu den wichtigsten Ironman-Rennen und den Stars der Szene analysiert?
Ehrlich gesagt habe ich noch nicht viel gemacht. Ich denke, wichtig ist meine Streckenkenntnis. Wenn ich einen Radfahrer oder Läufer im Bild sehe, weiß ich nach einigen Sekunden genau, an welchem Abschnitt sich dieser befindet. Das ist sehr vorteilhaft, da wir ja meist auf das Signal (ohne Ton) der Amerikaner zurückgreifen. Wenn dann die Bilder auf dem Bildschirm kommen, kann ich sehr gut einschätzen wer vor wem ist. Interessant sind eigentlich nur Leistungen aus dieser Saison. Ältere Rennen sind unwichtig, wenn es um die Einschätzung der Leistungsstärke der Athleten geht. Aber auch hier werde ich bis zum 11.Oktober top vorbereitet sein!

10 Stichworte – 10 spontane Reaktionen
Was fällt Dir spontan zu folgenden Begriffen ein?

Ali’i Drive: Da muss ich eigentlich mehr an Freizeit als an Wettkampf denken. Hier spielt sich das triathletische Leben in der Wettkampfwoche ab.
Palani Road: Erst mal im Wettkampf mit dem Rad gut runterkommen, um kurz danach nicht zu hart hochfahren.
Energy Lab: Nach dem Wendepunkt dort geht’s zurück nach Hause, ins Ziel!
Mumuku: Vollkommen unberechenbar! Selbst am Wettkampfmorgen kann man keine gesicherte Aussage machen. Macht das Rennen jedoch interessant.
Underpants Run: Erst mal erstaunlich, dass die spröden Amis diesen lieben! Aber eigentlich klar: Sie brauchen einen Ausgleich!
Mauna Kea: Mauna Loa!
Kona Coffee: Ich trinke doch nur Tee!
Island Lava Java: Da werde ich dieses Jahr wohl ab und zu mal auftauchen.
ABC-Store: ?
LuLu’s: Da war ich bei jedem Aufenthalt nur einmal, aber dann immer bis das Licht anging und jemand mit fester Stimme sagte: This Party is over!

Fotos: Uta Stitterich (Underpants Run 2008) und Utz Brenner