U-23-Bundestrainer Dan Lorang:
Dem Athleten verpflichtet

Einfühlsam, überlegt, strukturiert, geduldig, feinfühlig, gewissenhaft, stets erreichbar, bescheiden, aufmerksam, motivierend und kommunikativ, jedoch auch sehr fordernd und konsequent sind die Eigenschaften, mit denen einige DTU-Kaderathleten ihren U23-Bundestrainer Dan Lorang umschreiben. tritime-Chefredakteur Klaus Arendt traf sich mit dem gebürtigen Luxemburger am Olympiastützpunkt in Saarbrücken.

Leidenschaft für den Trainerberuf
„Ursprünglich wollte ich Bauingenieur werden“, beginnt Dan Lorang die Unterhaltung in seinem Büro, in dem eine kleine Küchenzeile im Eingangsbereich darauf hinweist, dass es sich eigentlich um ein Appartement für Athleten diverser Sportverbände handelt. Aber das stört den zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Portraits gerade 34 Jahre alt gewordenen U23-Bundestrainer überhaupt nicht. Dan Lorang lebt seine Passion, seinen Traum, Bundestrainer eines Sportverbandes zu sein. Statussymbole spielen bei ihm eine untergeordnete Rolle: Das zum Schwimmbad hin ausgerichtete Zimmer ist zweckmäßig eingerichtet. „Als ich während meines Bauingenieurstudiums an der TU München bei einem Praktikum erlebte, mit welcher Freude mein damaliger Chef sogar bis abends um 22 Uhr über Konstruktionszeichnungen tüftelte, wurde mir klar: Mit einer solchen Leidenschaft seinen Beruf ausüben, möchte ich zukünftig auch. Aber nicht als Bauingenieur!“, setzte Lorang den angefangenen Satz fort. Seine aufkommenden Zweifel vertraute er seinem Chef an, der ihn darin motivierte, das zu tun, wozu er Lust und Spaß habe, alles andere sei einfach nur Zeitverschwendung. Dieses Gespräch veränderte die ursprüngliche Lebensplanung: Dan „schmiss“ das begonnene Studium, wechselte mit Unterstützung seiner Eltern die Fronten und schrieb sich – vieler Aussagen zum Trotz, in seinem zukünftigen Berufsleben eventuell auf viel Geld verzichten zu müssen – bei den Sportwissenschaftlern ein. „Geld spielt für mich eine untergeordnete Rolle im Leben. Was habe ich letztendlich von einem möglichen höheren Einkommen, wenn ich jeden morgen lustlos und mit Magenschmerzen zur Arbeit fahren muß. Diejenigen, die eine Tätigkeit ohne Passion ausüben, können und werden auch nur suboptimale Arbeitsergebnisse abliefern“, beendet Dan Lorang die Hintergrundinformation für seine Berufswahl.

Warum eigentlich Triathlon?
Zum Triathlon kam der passionierte Radsportler über Umwege. Während seines Sportstudiums nahm Dan Lorang mehrere Jahre lang als Amateur und Mitglied in einem semi-professionellen Münchner GS3-Team an Radrennen teil. Sehr schnell wurde ihm jedoch klar, dass er Trainer werden wolle. Die Einblicke, die er während dieser Zeit in die Welt eines unter professionellen Bedingungen lebenden Athleten erfahren durfte, sind ihm heute eine große Hilfe: Lagerkoller im Trainingslager, körperliche und psychische Belastungen im Trainings- und Wettkampfalltag sind für Dan Lorang keine unbeschriebenen Blätter. Bevor er sich jedoch schwerpunktmäßig mit dem Ausdauerdreikampf beschäftigte, war Dan Lorang nach seinem Abschluss zum Diplom Sportwissenschaftler (2008) bis Oktober 2010 für die Trainingssteuerung des Cervélo-Profiradteams in der Schweiz verantwortlich. Im November 2010 wurde er bei der LG Stadtwerke München als verantwortlicher Trainer mit dem Aufbau des Langstreckenbereichs beauftragt. Bei beiden Tätigkeiten traf er regelmäßig auf Triathleten, die gemeinsam mit den Spezialisten trainierten. „Immer wieder stellte ich mir die Frage, warum in aller Welt tun die sich das an? Ich selbst war der felsenfesten Überzeugung, dass das nicht gut gehen kann“, schaut Dan Lorang auf diese Begegnungen mit Triathleten zurück. Mit dem Thema „Triathlon“ wurde er indes schon während seines Studiums konfrontiert, da eine gewisse Anne Haug Kommilitonin des heutigen Bundestrainers war und beide schnell merkten, auf einer Wellenlänge zu funken. „Anne kämpfte damals mit einer Reihe von Verletzungen, was ich angesichts der Belastung für Triathleten auch erst einmal gar nicht so außergewöhnlich fand“, erinnert sie Lorang. Als passionierter Trainer fühlte er sich schnell herausgefordert, neben den beruflichen Verpflichtungen seine Erfahrungen und die Trainingskonzepte der Spezialisten für den Triathlon unter einen Hut zu bekommen. „Damals lag genau darin der besondere Reiz meines Interesses am Triathlonsport. Und Anne war die erste Athletin, die ich trainiert habe und mit der ich neue Trainingswege gegangen bin“, blickt Dan Lorang gerne auf seine Anfänge zurück.

Herausforderung Triathlontrainer!
Mit der Zeit stellten sich bei Anne Haug erste Erfolge ein. Diese Leistungsentwicklung blieb auch Thomas Möller vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig nicht verborgen. Obwohl Dan Lorang kein Trainer in einem Triathlonverein war und auch – abgesehen von seinem Diplom – keinerlei Trainerlizenzen im Triathlon vorweisen konnte, wurde er zu diversen Aus- und Fortbildungen eingeladen. Der Erwerb der Trainer B- und A-Lizenz war für den zielorientierten Dan Lorang der nächste Schritt, die Berufung zum Landestrainer des Baden-Württembergischen Triathlonverbandes (BWTV) die logische Folge seines Einsatzes. Mit dem Wechsel an den Olympiastützpunkt nach Saarbrücken schließt sich der Kreis: Dan Lorang darf als verantwortlicher U23-Bundestrainer den zum 01. Oktober vergangenen Jahres eingeschlagenen Neuanfang mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro mitgestalten. Eine Aufgabe, die der jetzige Wahl-Saarbrücker mit großem Engagement wahrnimmt.

Die größte Herausforderung als Trainer auf der Kurzdistanz sieht Dan Lorang in der Gestaltung des Lauftrainings. „Reichten vor einigen Jahren bei der Abschlußdisziplin Zeiten von knapp über 30 Minuten, um ein Rennen zu entscheiden, sind 29er-Laufsplits heute keine Seltenheit mehr“, stellt Lorang die zunehmende Bedeutung der letzten zehn Kilometer in den Vordergrund der Trainingsplanung, wohl wissend, dass ein kompletter Triathlet auch auf höchstem Niveau achwimmen und Rad fahren muss.

Dan Lorang ist für alle Athleten zu jeder Tages-(und Nacht)zeit erreichbar, das persönliche Gespräch, die Kommunikation in der Gruppe ist für ihn geradezu essenziell. „Sobald ich das Gefühl bekomme, irgendetwas stimmt nicht, sei es bei einem Sportler oder innerhalb des Teams im zwischenmenschlichen Bereich, muss ich als verantwortlicher Trainer eingreifen und eine Lösung finden“, deutet Lorang an, dass er auch bereit ist, ein Machtwort zu sprechen, wenn Dinge nicht so laufen wie verabredet. Letzteres ist auch wichtig, bietet die DTU den Kaderathleten nicht nur am Olympiastützpunkt in Saarbrücken und durch zahlreiche Trainingslager ideale Rahmenbedingungen, sondern auch genügend Freiräume, um Sport und Studium miteinander zu vereinbaren. Aus diesem Grund ist die Abstimmung von Zielvereinbarungen zwischen Athlet und Verband eine logische und zwingende Voraussetzung für das Miteinander „beider Parteien“. „Wichtig ist, dass jeder Athlet weiß, was von ihm bis zu welchem Zeitpunkt erwartet wird und er sein Handeln darauf ausrichten kann. Nichts wäre schlimmer, als einen Athleten aus dem Nichts heraus damit zu konfrontieren, dass er nicht mehr zum Kader gehört“, weiß Lorang um die Bedeutung der Zielabsprachen. „Natürlich fällt es auch mir nicht leicht, der Überbringer einer unerfreulichen Nachricht zu sein. Auch wenn dies dem Athleten zunächst den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint oder ein Lebenstraum zerplatzt, aber so etwas gehört auch zum Leben eines Profisportlers dazu. Und außerdem geschieht so eine Entscheidung bekanntlich nicht aus heiterem Himmel. So etwas bahnt sich über mehrere Wochen an“, weiß Dan Lorang auch über schwierige Personalentscheidungen des Trainerstabes zu berichten.

Stützpunktarbeit
An seinem Dienstsitz in Saarbrücken ist Dan Lorang nur bei circa 30 Prozent der Trainingsmaßnahmen persönlich anwesend. Die verbleibende Zeit ist er damit beschäftigt, die in Abstimmung mit dem Cheftrainer Ralf Ebli festgelegte Planung für jeden seiner Schützlinge individuell umzusetzen. Dann sitzt er am Schreibtisch und schreibt Trainingspläne, wertet Leistungsdaten aus, korrigiert und passt an. Die Planung von Trainingslagern, Analyse der nächsten Wettkampfstrecken, die persönliche Fortbildung sowie allgemeine Verwaltungstätigkeiten gehören ebenfalls zum Tagesablauf des stets freundlichen und zuvorkommenden Bundestrainers. In den Trainingslagern selbst ist Dan Lorang jedoch bei jeder Einheit – sei es am Beckenrand, im Auto oder als Aktiver – mit von der Partie, um alle Veränderungen an seinen Athleten „hautnah“ festzustellen. Dabei spielen auch auf den ersten Blick belanglose Kleinigkeiten eine wichtige Rolle, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Sportlers auswirken können.

Einen sehr hohen Stellenwert nimmt ebenfalls der Austausch mit den Disziplin- und Heimtrainern der Athleten ein, die nicht in Saarbrücken leben. Auch auf diesem Gebiet setzen die Verantwortlichen auf Dialog und Miteinander. Allen ist bewusst, dass ein Sportler nur dann gute Leistung abrufen kann, wenn er in einem Umfeld lebt und trainiert, in dem er sich wohlfühlt, vorausgesetzt natürlich, er hält sich an die Vorgaben. „War in den vergangenen Jahren eher der Trend, nicht an den OSP Saarbrücken zu wechseln, reden die meisten nicht am Stützpunkt trainierenden Sportler nun wieder positiv über Saarbrücken“, freut sich Dan Lorang über die zunehmende Popularität des Olympiastützpunktes. „Wir zwingen niemanden, nach Saarbrücken zu kommen. Viel wichtiger ist, dass die Athleten sagen ‚ich will dort trainieren‘ und nicht ‚ich muss‘.“

Vorbilder
Dan Lorang liest und sieht gerne Interviews und Berichte über bekannte Trainer, ganz egal, in welcher Sportart diese ihren Beruf ausüben. Dabei interessiert ihn insbesondere deren Trainingsphilosophie, ihre Persönlichkeit und wie sie mit ihren Athleten umgehen. Auch wenn es sich hierbei meist um mit dem Triathlon wenig verwandte Sportarten handelt, lässt sich Dan Lorang dadurch inspirieren, auch einmal und in Absprache mit einem Athleten gänzlich neue Wege zu gehen. Recherchen nach wissenschaftlichen Ausarbeitungen beispielsweise über Höhentraining, Periodisierung und Intensitäten, Ernährung und Körperfettindizes runden seinen Wissensdrang nach neuesten Entwicklungen ab, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten. Aber auch durch den regelmäßigen Austausch mit den Heim- und Disziplintrainern lernt Dan Lorang immer wieder neue Facetten für seine Trainerarbeit kennen, um sich im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter zu entwickeln.

Intaktes Umfeld
Harmonie spielt für den Vater seines mittlerweile sieben Monate alten Sohnes Henry nicht nur in seinem sportlichen Verantwortungsbereich eine wichtige Rolle, auch privat legt Dan Lorang großen Wert auf ein intaktes Umfeld und Miteinander. Seine Familie ist sein größter Halt. Nicht umsonst bezeichnet Dan Lorang seine Frau Angela als seinen allergrößten Förderer. Ihr vertraut er sich an und spricht über die alltäglichen Herausforderungen seiner Arbeit, teilt mit ihr Freud und Leid, Erfolge und Misserfolge seiner Athleten. Dan Lorang hat noch nicht nachgezählt, wie viele Tage und Wochen er seit seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres nicht zu Hause war. Viel wichtiger ist ihm, die Zeit daheim im Kreise der jungen Familie sinnvoll zu gestalten, bei der Sohn Henry im Mittelpunkt steht.

Erwähnenswert finde ich das Buch, das Dan Lorang aktuell liest: „Shaolin – Du musst nicht kämpfen, um zu siegen! Mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke.“ Hier schließt sich der Kreis zur Einleitung meines Portraits, in dem einige Kaderathleten Dan Lorang als einfühlsam, überlegt, strukturiert, geduldig, feinfühlig, gewissenhaft, stets erreichbar, bescheiden, aufmerksam, motivierend und kommunikativ, jedoch auch sehr fordernd und konsequent bezeichnen.

Ich bin davon überzeugt, die Kombination aus all diesen Eigenschaften werden der Grundstein für seinen Erfolg sein, Erfolg der auf Kompetenz, Miteinander, Ruhe und Besonnenheit basiert und nicht auf Druck und Angst vor Versagen und Niederlagen aufgebaut ist.

Text: Klaus Arendt
Fotos: Klaus Arendt | Armin Schirmaier

Quelle: tritime (Ausgabe 5|2013)