Münster in Westfalen. 21. April 1990. Im Supermarkt um die Ecke stieß ich auf eine Isostar-Werbung mit der Botschaft: „Wichtig für den Elektrolytausgleich.“ Das dazugehörige Bild und die im Sonderpreis inbegriffene Flasche überzeugten mich sofort. Das ist genau das, was ich für meine Joggingrunden brauche, und schon war das Pulver im Einkaufswagen. Vor dem nächsten Lauf, der wie immer am Aasee stattfand, nahm ich einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Da es sich um ein isotonisches und nicht um ein normales Getränk handelte, fühlte ich mich von der normalen Läufermasse abgehoben, auf einer höheren Ebene sozusagen. Nach 50 Metern schließlich merkte ich, dass man trotzdem selbst laufen muss und nicht alle in der Werbung angepriesenen Hilfsmittel sofort helfen. Ehrlich gesagt, wusste ich zum damaligen Zeitpunkt auch gar nicht, warum und wann man isotonische Getränke zu sich nehmen sollte. Aber das Product-Placement im Supermarkt hatte seinen Erfolg, und weil das „gesunde“ Getränk obendrein auch noch schmeckte, wurde es mein ständiger Begleiter.
Erkennen Sie sich wieder? Ähnlich wie beim Kauf des ersten Paars Laufschuhe, welches einen zusätzlichen Trainingsanreiz verschafft und dem Sportler auf den ersten Metern Flügel verleiht, verhält es sich mit Sportgetränken. Gerade Anfänger, denen die Wirkungs- und Anwendungsweise der Getränke vollkommen unbekannt ist, glauben, sich durch den Verzehr des Zaubertrankes in den Kreis der „elitären Ausdauersportler“ emporzutrinken. Schließlich trinken die Stars der Szene auch das „bunte Zuckerwasser“. Und was denen schnelle Beine macht, wird für einen selbst gerade gut genug sein. War Isostar in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren in unseren Breitengraden <k>das<p> Sportgetränk schlechthin, nahmen danach andere Hersteller wie Gatorade, PowerBar und Squeezy das Zepter in die Hand. Mittlerweile boomt der Wirtschaftszweig der Sporternährungshersteller. Ähnlich wie bei den Energiegels werden Sportgetränke nicht nur online im Internet, auf Triathlonmessen und in nahezu jedem Sportfachgeschäft angeboten, der potenzielle Käufer hat auch die Qual der Wahl. Über ein Dutzend Hersteller buhlen um die Gunst der Ausdauerathleten. So schön dieser Zustand auch sein mag, desto schwieriger ist es gerade für Neukunden, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. In den Werbebotschaften ist von Competition, Starter und Refresher die Rede, manch einer verweist auf zusätzlich verarbeitete hochwertige Proteine und Aminosäuren, andere stellen das Herstellungsland in den Vordergrund.
Flüssigkeitshaushalt
Wasser ist nach Sauerstoff direkt das wichtigste Element für den Menschen. Kann ein Mensch ohne Essen mehrere Wochen überleben, so gelingt ihm dies ohne Wasser etwa nur drei Tage. Der Wasseranteil des Körpers eines Erwachsenen liegt zwischen 60 und 70 Prozent, bei einem Körpergewicht von 70 Kilogramm sind das immerhin 40 bis 50 Liter. Der Mensch benötigt das Wasser auch zur Aufrechterhaltung unterschiedlichster Körperfunktionen. Im Körper regelt das Wasser zunächst den Wärmehaushalt und wirkt als Lösungsmittel, denn der Nahrungsbrei im Verdauungstrakt wird verflüssigt und feste Bestandteile wie Zucker und Salze werden gelöst. Wasser ist auch Transportmittel, denn Blut und Lymphe tragen gelöste Nährstoffe, Regulatorstoffe und die Zellen des Immunsystems zu ihren Wirkungsorten. Ebenso werden wasserlösliche Stoffwechselendprodukte über die Niere ausgeschieden, und das Wassermolekül als solches ist Reaktionspartner bei vielen Stoffwechselvorgängen. Außerdem funktioniert Wasser gleichzeitig noch als Baustein für die Elastizität der Knorpel, der Menisken und der Bandscheiben. Die Flüssigkeitszufuhr für den Normalbürger liegt bei etwa zwei bis drei Litern pro Tag. Mehrere Faktoren führen zu einem erhöhten Wasserbedarf, und dies muss nicht einzig ein Klima mit hoher Temperatur oder Luftfeuchtigkeit sein. So verlangt der Verzehr von Proteinen mit nachfolgendem Anstieg des Harnstoffs und seiner Ausscheidung eine vermehrte Wasserzufuhr, Ballaststoffe hingegen binden Wasser und fordern gleichermaßen ein Mehr an Flüssigkeit. Krankheiten mit Fieber oder eine Medikamenteneinnahme zwingen natürlich ebenso zu einer erhöhten Ausscheidung durch mehr Flüssigkeit. Zentral für den Wasserbedarf ist in jedem Fall das Maß an körperlicher Aktivität, die Schweiß zur Abkühlung benötigt, und einen akuten Flüssigkeitsmangel gilt es immer zu vermeiden. Wird dem Körper eine größere Menge an Flüssigkeit entzogen, reagiert dieser immer mit einer Leistungsminderung. Dies bereits bei einem Verlust von zwei Prozent des Körpergewichts, bei einer Person von 75 Kilogramm also schon nach 1,5 Litern, und in diesen Größenordnungen ist meistens noch nicht einmal ein Durstgefühl signalisiert! Es ist von einer durchschnittlichen Schweißrate von 0,5 bis 1,0 Litern pro Stunde auszugehen. So kann es auch bei Belastungen von nur ein bis zwei Stunden schon zu erheblichen Leistungseinbußen durch Flüssigkeitsmangel kommen. Im Falle von sportlicher Aktivität führt dieser auch zu einer Verringerung des Blutvolumens mit entsprechender Eindickung. Die daraus resultierenden Zirkulationsstörungen verschlechtern die Durchblutung der Muskulatur und stören den Nährstoff- und Sauerstofftransport zu den Zellen. Zudem ist der Abbau von Stoffwechselprodukten der Muskulatur beeinträchtigt und die Ableitung der Wärme gehindert. Als Resultat erlebt der Sportler einen Leistungsabfall, eine Muskelschwäche oder Krämpfe sowie im schwersten Fall einen Hitzestau mit eventuell einhergehendem Kollaps. Ein inaktiver Mensch kann etwa einen Liter Schweiß pro Stunde verlieren, ein Hochleistungssportler bis zu maximal 2,5 Liter pro Stunde! Dies allerdings mit weniger Elektrolytverlust als der Sportanfänger! Insbesondere zur Aufrechterhaltung der körperlichen Leistung ist eine Flüssigkeitszufuhr unbedingt notwendig. Mit 200 Milliliter alle fünfzehn Minuten ist der Sportler auf der sicheren Seite. Grundsätzlich dient schon natürliches Mineralwasser mit 50 bis 100 Milligramm (mg) Magnesium und weniger als 200 mg Kochsalz (NaCl) als Sportgetränk. Zwei Teile Mineralwasser und ein Teil Fruchtsaft gemischt ergeben ein isotonisches Getränk, das gleich viel gelöste Teilchen wie im Blut aufweist und etwa 50 bis 80 Gramm (g) Kohlenhydrate pro Liter enthält. Schon eine Apfelsaftschorle bringt das Mehr an Kalium, das einem Sportler durch den Schweiß verloren geht. Der Fruchtzucker gibt zusätzliche Energie und spart körpereigene Reserven. Energydrinks oder auch Colagetränke hingegen gehören zur Gruppe der hypertonen Getränke mit deutlich mehr gelösten Teilchen als das Blut. Der Kohlenhydratanteil liegt bei 10 bis 14 Prozent und eine Aufnahme im Darm findet nur verzögert statt, da erst eine Verdünnung erfolgen muss, ähnlich wie bei der Einnahme von Kohlenhydrat-Gel. Diese Verdünnung im Darm kann daher zu Durchfall und Blähungen führen und machen den belebenden Ersteffekt der Inhaltstoffe Taurin und Koffein schnell zunichte.
Zucker
Ein Blick auf die Nährwertangaben der Hersteller zeigt, dass ein Sportgetränk bis zu 95 Prozent aus Kohlenhydraten besteht. Bei der weiteren Aufschlüsselung dieses Anteils steht bei den meisten schlicht und einfach Zucker. Ein zweiter Blick auf die Verpackung macht es deutlich. Neben Fruktose wird Glukose, Laktose und Maltose verarbeitet. Klein(st)e Mengen an künstlichen Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffen, Säuerungsmittel und sonstige Zutaten runden bei vielen Produkten die Inhaltsstoffe eines Getränks ab. Vor dem Hintergrund der Zunahme an Unverträglichkeiten in unserer Gesellschaft lohnt es sich allemal, das Kleingedruckte zu lesen. Was aber verbirgt sich hinter den verschiedenen Zuckerarten, bei denen man zunächst zwischen Einfach- (Monosaccharid), Zweifach- (Disaccharid) und Mehrfachzucker unterscheidet. Welche Bedeutung haben sie für den Sport und wie reagieren sie im menschlichen Körper?
Glukose/Traubenzucker/Dextrose (Monosaccharid): biologisch bedeutsamster und in der Natur meistverbreiteter Zucker. Glukose ist ein wichtiges Zwischenprodukt im Stoffwechsel der Kohlenhydrate.
Fruktose/Fruchtzucker (Monosaccharid): das zum Beispiel in Früchten und Honig vorkommt.
Laktose/Milchzucker (Disaccharid): aus den Bausteinen Glukose und Galaktose; das wichtigste Kohlenhydrat in der Milch aller Säugetiere.
Maltose/Malzzucker (Disaccharid, zwei Moleküle D-Glukose): das durch den Abbau von Stärke entsteht, in Gersten- und Kartoffelkeimen vorkommt sowie Bestandteil von Glukosesirup ist.
Saccharose (Disaccharid, je ein Molekül Glukose und Fruktose): Haushalts-/Kristallzucker, der aus Zuckerrüben und Zuckerrohr gewonnen wird.
Stärke und Glykogen (Mehrfachzucker): der unter anderem in Kartoffeln, Reis, Mais und Getreide vorkommt (wobei man Stärke zu den pflanzlichen und Glykogen zu den tierischen Zuckern zählt).
Um überhaupt aufgenommen und verstoffwechselt werden zu können, müssen die Zucker in ihre Grundbausteine, die Einfachzucker, aufgespalten werden. Dies geschieht mittels Enzymen zum Teil schon im Mund. Menschen, denen zum Beispiel das Enzym Laktase fehlt, können die Laktose nicht zerlegen (Laktoseintoleranz). Aufgenommen werden die Einfachzucker dann über die relativ neu entdeckten Zuckertransporter (Gluc4 für Glukose, Gluc5 für Galaktose). Glukose kann direkt absorbiert werden, bewirkt aber eine sofortige Gegenregulation des Hormons Insulin. Dies gilt nicht für die Fruktose: Die Einnahme dieses Einfachzuckers beeinflusst den Insulinspiegel nicht. Theoretisch toll, aber in der Praxis kann Fruktose auch zu Magen-/Darmbeschwerden respektive Durchfall führen. Ein Versuch, die Glukose im Malzbier gegen Fruktose zu tauschen und damit für Sportler geeigneter werden zu lassen, musste aus diesem Grund wieder abgebrochen werden. Insulin ist quasi der Schlüssel, um Glukose in die Zelle zu bringen. Es ist ein stark anaboles Hormon und steht deswegen auch auf der Dopingliste.
Studieren, probieren, analysieren, auswählen.
Zahlreiche Gespräche mit ehemaligen und aktiven Athleten haben gezeigt, dass bis vor einiger Zeit die persönliche Kaufentscheidung neben dem Geschmack meistens davon abhing, welche Produkte beim jeweiligen Saisonhöhepunkt auf den Verpflegungstischen lagen. Vielen Erfahrungsberichten ist zu entnehmen, dass manch einer bereits nach 70 oder 90 Kilometern auf der Radstrecke einer Langdistanz seinen Traum von einer neuen Bestzeit aufgrund quälender Magenprobleme platzen lassen musste. Die Ursachen hierfür mögen sicherlich von Athlet zu Athlet verschieden und ohne Weiteres auch nicht zu verallgemeinern sein, aber in fast allen uns bekannten Fällen haben sich die betroffenen Sportler im Vorfeld ihres Saisonhöhepunktes nicht intensiv genug mit der Wettkampfverpflegung auseinandergesetzt, ganz zu schweigen von den Ernährungsgewohnheiten während des Trainings. Aus diesem Grund wurden die Produkte auch nicht von einem Lebensmittelchemiker, Oecotrophologen oder durch ein anerkanntes Ernährungsinstitut wissenschaftlich untersucht, sondern durch Sportler, die auf allen Distanzen langjährige Erfahrungen gesammelt haben. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen an Lebensmittelallergien und unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden, können Sie anhand der „Nutrition Facts“ erkennen, welche Nährstoffe mit welcher Gewichtung in den jeweiligen Getränken enthalten sind. Scheuen Sie nicht den Gang zu einem anerkannten Institut, Arzt oder Ernährungsexperten, um mögliche Intoleranzen bestimmen zu lassen und somit den Verzehr bestimmter Produkte kategorisch auszuschließen. Jeder Organismus reagiert anders auf körperliche und psychische Belastung. Testen Sie aus diesem Grund verschiedene Produkte im Training und Vorbereitungswettkämpfen aus, um festzustellen, welches Getränk für Sie persönlich am besten verträglich ist und mit dem Sie Ihre optimale Leistung abrufen können. Nichts ist schlimmer, als sich mit einem ungeeigneten Produkt zu verpflegen und mit leeren Speichern oder einem Hungergefühl sportliche Höchstleistungen zu erzielen. Auch wenn ein Sprichwort besagt, dass die Liebe durch den Magen geht, so sollte aus den vorgenannten Gründen letztendlich nicht die Geschmacksrichtung die Wahl des idealen Energiespenders beeinflussen.
Kölner Liste
Interessanterweise wurden lediglich die Produkte der Firmen Kräuterhaus Sanct Bernhard (Aktiv3), Carboo4U und Vitargo in der Kölner Liste geführt. Dabei handelt es sich um eine Aufstellung des Olympiastützpunktes Rheinland (OSP) von Sporternährungsprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln mit minimiertem Dopingrisiko. Eine Aufnahme in die Kölner Liste bedeutet jedoch nicht, dass die dort geführten Produkte grundsätzlich frei von Prohormonen, Anabolika oder Stimulantien sind. Im Gespräch mit der TRITIME wies der OSP explizit darauf hin, dass das vorrangige Interesse dieser Dienstleistung im Bereich der Aufklärung liegt und nicht in der Empfehlung, bestimmte Produkte zu benutzen. Die Liste bietet auch keine Garantie, ein zu 100 Prozent dopingfreies Produkt zu sich zu nehmen, selbst wenn jede Charge eines Produktes auf verbotene Substanzen untersucht wird. (siehe auch TRITIME 2-2008, Seite 40 sowie www.koelnerliste.com)
Produkttest 2011: Sportgetränke
aktiv3, AMSPORT und Cadion
Carboo4U, Dextro Energy und Energy System
High5, Penco und PowerBar
Sponser, Squeezy und Ultra Sport
Vitargo und Xenofit
Text: Klaus Arendt (mit wissenschaftlicher Unterstützung von Dr. Christoph Simsch)
Foto: Ralf Graner | ralfgraner.de
Quelle: tritime (Ausgabe 2-2011)