Ende 2009 stellte sich Daniela Ryf den Fragen von tritime-Chefredakteur Klaus Arendt.
Daniela, beim Aufruf Deiner Internet-Homepage erscheint ein Trailer Deines Hauptsponsors, in dem Du die Hauptrolle spielst. Dieser beginnt mit den Worten „Kraft, Energie und Ausdauer.“ Welche Bedeutung haben diese Begriffe für Dich ganz persönlich?
Ich brauche viel Energie für das harte Training, welches mich stärker macht und zudem meine Ausdauer verbessert. Letztere führt dazu, dass ich beim nächsten Mal mehr Kraft habe um die geforderte Leistung durchzustehen. Egal, ob es sich dabei um körpereigene Energie oder um Energie im gasförmigen Zustand handelt, man sollte sparsam damit umgehen. Denn nur wenn man sie richtig einsetzt, reichen die Vorräte bis zum Ziel. Deshalb tanke ich meinen Körper mit Energydrinks und mein Auto mit Erdgas … und damit kam ich bislang noch immer zum Ziel.
In welchen Situationen musst Du Dich im Trainingsalltag besonders überwinden oder gibt es solche Situationen gar nicht?
Ich bin nicht unbedingt eine Person, die im Morgengrauen mit Vergnügen aufsteht. Da braucht es doch schon fast täglich Überwindung, wenn um 5.00 Uhr in der Früh der Wecker läutet und das erste Training auf mich wartet.
Vom Talent zur Olympiateilnehmerin. Wie bist Du entdeckt worden?
Ich habe schon mit neun Jahren an Laufwettkämpfen teilgenommen und begann mit zehn Jahren in einem Schwimmclub zu trainieren. In der Schweiz gibt es Camps für Jugendliche, welche verschiedene Sportarten anbieten. In so einem Lager habe ich mit vierzehn Jahren meinen langjährigen Coach Claude Ammann kennengelernt. Er überredete mich, mit dem Triathlonsport zu beginnen und nahm mich im Wildcats Triathlon Team auf. Das Team ist auch heute noch das beste Nachwuchsteam der Schweiz. Alles Weitere ist Geschichte.
Junioren Europameisterin 2004 und 2005. Platz 3 Team Europameisterschaften 2007. U23 Weltmeisterin 2008. Platz 7 Olympische Sommerspiele 2008. Platz 1 Team Weltmeisterschaften 2009. Platz 4 Worldchampionship Series 2009. Eine eindrucksvolle Bilanz. Und Du stehst mit gerade 22 Jahren am Anfang Deiner Karriere. Macht Dich dies nicht unheimlich stolz?
Es freut mich sehr, dass sich meine harte Arbeit und das langjährige Training so auszahlt. Ich hatte nie das Ziel Profi zu werden, sondern nahm einfach alles, wie es kam, und packte die Chancen beim Schopf, wenn ich sie sah. Ich bin sehr dankbar, wie meine Karriere bisher verlaufen ist, und freue mich auf neue Herausforderungen in den nächsten Jahren. Stolz werde ich dann vielleicht einmal sein, wenn ich in 50 Jahren auf alles zurückblicke und meine Enkelkinder mit Triathlongeschichten langweile.
Welcher Titel beziehungsweise welche Platzierung hat für Dich bislang die größte Bedeutung?
Der Team Weltmeistertitel 2009 in Des Moines, als wir die haushohen Favoriten und Big Names aus Australien schlugen. Es war für mich und das Schweizer Team ein unglaubliches Erlebnis, zumal dieser Erfolg so überraschend kam. Alle hatten wir einen perfekten Tag und wuchsen über uns hinaus. Es ist interessant zu sehen, dass auf so kurzen Strecken nicht einmal unbedingt der Körper, sondern vielmehr der Kopf entscheidend ist. Zudem ist ein Erfolg umso schöner, wenn du ihn gemeinsam im Team feiern kannst.
Wie reagiert Dein privates Umfeld auf Deine Erfolge und Dein Leben als weltreisende Profi-Triathletin?
Sie freuen sich unheimlich für mich, dass es so gut bei mir läuft. Ansonsten hat sich eigentlich nichts verändert. Einzig, dass ich die Zeit mit Freunden und Familie umso mehr genieße, wenn ich einmal zu Hause bin.
Wie schaffst Du den Spagat zwischen dem zum Teil enthaltsamen Leben eines Profis und den für viele Jugendliche schönen Dinge des Lebens wie Partys, Discobesuche, Süßigkeiten und und und. Fällt es Dir nicht manchmal schwer, auf diese Dinge verzichten zu müssen?
Natürlich ist es manchmal schon sehr hart. Der Job „Profiathlet“ ist toll und bringt mir Spaß, doch einer der Nachteile ist, dass du nun einmal 24 Stunden am Tag ein Profiathlet bist. Wenn du also am Abend nach einem strengen Tag vom Training nach Hause kommst, musst du dich für den nächsten Trainingstag regenerieren und kannst nicht um die Häuser von Bar zu Bar ziehen, wenn dir gerade danach ist. Ansonsten hältst du das harte Trainingsvolumen einfach nicht durch. Es ist jedoch wichtig, eine Balance zu finden. Denn andauernd auf Enthaltsamkeit zu leben macht auf Dauer auch nicht glücklich. Dies habe ich gelernt, als ich vor den Olympischen Spielen in Peking über acht Monate auf Ausgang, jegliche alkoholische Getränke und Süßigkeiten verzichtet habe und keine Zeit mehr hatte, mich mit meinen Freunden zu treffen. Die abgelaufene Saison 2009 lebte ich nach dem Motto „train hard, be focused, but have fun“. Dieses stellte sich für mich als ein gutes Rezept heraus.
Sieg und Niederlage, Freude und Enttäuschung liegen oft nur einen Wimpernschlag auseinander. Wie gehst Du mit diesen beiden Extremen um?
Ich versuche immer, mein Bestes zu geben. Das ist alles, was ich tun kann. Ich kann nicht beeinflussen, was meine Konkurrentinnen machen oder wie gut sie sind. Wenn ich mich gut vorbereitet habe, zu 100 Prozent meine Leistung abrufe, wozu ich am Renntag fähig bin, die Anderen jedoch schneller sind, dann ist es so. Allerdings bin ich dann nicht traurig, sondern zufrieden mit meinem Resultat. Misslungene Rennen motivieren mich zudem, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Neid, Missgunst und Anerkennung. Olivier Marceau. Reto Hug. Ronny Schildknecht. Brigitte McMahon. Karin Thürig. Magali di Marco Messmer. Nicola Spirig. Daniela Ryf. Bei international bedeutenden Veranstaltungen sind fast immer Athleten aus der Schweiz in den vorderen Rängen zu finden. Wie ist das Verhältnis der Athleten untereinander? Trainiert Ihr zusammen, motiviert Ihr Euch gegenseitig oder trefft Ihr Euch lediglich zu Lehrgängen oder bei Wettkämpfen?
Da ich die letzten beiden Winter in Australien verbracht habe, trainiere ich selten mit den Triathleten der Schweiz, doch wir haben es alle sehr gut untereinander. Von Neid oder Missgunst ist da keine Spur. Im Gegenteil. Der Spirit bei den Rennen, auf die wir uns jeweils zusammen vorbereiten, ist super und ich freue mich jedes Mal wieder die Kameraden zu treffen. Ab diesem Winter plant Swiss Triathlon ein Trainingszentrum im Tessin, in Tenero, wo Athleten gemeinsam bei perfekten Trainingsbedingungen trainieren werden.
Chris McCormack berichtete im Gespräch mit der TRITIME (Ausgabe 03/2008), dass er zwei Wochen benötigte, um seinen Eltern zu beichten, dass er seinen sicheren Beruf als Bankkaufmann gekündigt hatte, um seine Brötchen mit dem Triathlon zu verdienen. Wie war das bei Dir?
Das war bei mir einfacher. Ich bin da irgendwie einfach so reingerutscht. Ich habe die Fachmittelschule im Bereich Gesundheit im Juni 2007 abgeschlossen und begann mit dem Profisport.
Denkst Du bereits heute an die Zeit danach oder ist das aus Motivationsgründen einfach noch viel zu weit für Dich entfernt?
Ja, ich denke oft daran. Es ist mir sehr wichtig, eine gute Ausbildung zu absolvieren. Außerdem würde ich auch gern noch studieren. Ich interessiere mich für das Lebensmitteltechnologiestudium, finde aber auch Marketing und Management spannend. Wenn man jedoch an der Weltspitze mitmischen will, muss man sich meiner Meinung nach voll auf den Sport konzentrieren, sonst holt man nicht das Beste aus sich heraus. Das Leistungsniveau ist einfach zu hoch, um im Sport und Studium langfristig erfolgreich zu sein.
London 2012. Gold, Silber oder Bronze. Dein großes Ziel, dem Du alles unterordnest?
Ja, auf jeden Fall. London 2012 ist mein großes Ziel. Diesem alles unterzuordnen, wäre jedoch übertrieben. Aber ich werde mich heftig dafür ins Zeug legen.
Daniela, herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch. Ich wünsche Dir eine kurzweilige wettkampffreie Zeit und eine erfolgreiche Saison 2010.
Text: Klaus Arendt
Fotos: Klaus Arendt | Ralf Graner
Quelle: tritime (Ausgabe 4-2009)