Wie wichtig es ist, auf den Körper zu hören und diese Wahrnehmung auch immer wieder zu schulen, erklären Profitriathlet Johannes Moldan – nach einer für ihn „unterirdischen Saison“ und seine neue Trainerin Susanne Buckenlei.
Die beiden Interviews veranschaulichen deutlich, wie Athlet und Trainer Hand in Hand „gehen“ müssen, um in Krisensituationen – sprich, wenn der Körper einfach nicht mehr mitspielen will – sinnvolle Entscheidungen zu treffen, um wieder auf die Erfolgsspur zurückzukommen.
Im Gespräch mit Profitriathlet Johannes Moldan:
Johannes, kannst du in zwei, drei kurzen Sätzen deine Saison 2015 erläutern? Was ist nach deinem ersten Ironman in Südafrika passiert und wie lautet dein Fazit?
Für mein Fazit reicht eigentlich schon ein Wort: Unterirdisch. Ich hatte im Januar ein ganz gutes Ironman-70.3-Rennen in Südafrika. Der 5. Platz und die guten Zwischenzeiten waren für die Jahreszeit in Ordnung. Mein erster Ironman war hingegen nicht ganz so gut. Ich landete mit Krämpfen auf Platz 16. Da lief leider ziemlich viel schief. Aber ich war ganz froh, überhaupt gefinisht zu haben. Danach war meine Saison eigentlich schon beendet. Ich habe noch ein paar Rennen gemacht, konnte die aber nicht einmal mehr finishen. Ich war ab März einfach nur noch müde und habe mich nicht mehr erholt. Spätestens ab Mitte des Jahres war mein Körper im Dauerstreik.
Wie lange hast du gebraucht, um zu realisieren, dass deine andauernde Müdigkeit nicht Müdigkeit, sondern Pfeiffersches Drüsenfieber (eine EBV-Infektion) war?
Das war gar nicht so einfach. Ich war zwar relativ schnell beim Arzt, um mich durchchecken zu lassen, da meine Müdigkeit zu abnormal war. Ich hatte nicht mal mehr Lust auf Radfahren und das ist bei mir ein klares Zeichen. Der erste Arzt fand allerdings nichts und meinte, ich solle einfach weniger trainieren. Es wurde dadurch aber nicht besser. Eher immer schlimmer. Auf Pfeiffersches Drüsenfieber kam ich eher zufällig im Gespräch mit meiner neuen Trainerin Susa Buckenlei. Im Anschluss an das Gespräch habe ich noch mal spezielle Bluttests bei einem anderen Arzt machen lassen. Bingo!
Hättest du früher die Signale erkennen können oder warst du einfach zu sehr auf deine nächsten Wettkämpfe fixiert?
Naja, gemerkt habe ich schon, dass etwas nicht stimmt. Aber nachdem mein Arzt gemeint hatte, ich wäre gesund, habe ich den Fehler woanders gesucht. Ich dachte, es würde reichen, das Training zu drosseln. Die Einheiten waren zum Teil auch richtig gut, aber ich konnte die Dauerleistung, die in einem Rennen verlangt wird, nicht bringen und ich musste abartig viel schlafen.
Wie schwer war es für dich, zu akzeptieren, dass die Saison gelaufen war und dass du ein komplettes Reset vornehmen musstest?
Das war natürlich nicht schön. Aber bei meinem letzten Rennen am Chiemsee bin ich bis zur Wendeboje geschwommen und war schon so blau, dass mein einziger Gedanke war, wie ich jemals wieder zurück an Land kommen sollte. Eigentlich hätte ich da schon aussteigen müssen, aber da ich beim Rennen davor schon vorzeitig ausgestiegen war, habe ich versucht, es auf dem Rad noch mal zu richten. Gerichtet war danach allerdings nur ich. Die Spitze war glaube ich schon circa 20 Minuten vor mir in der Wechselzone. Und dass, bei einem Rennen, bei dem ich im Jahr vorher noch fast 10 Minuten wegfahren konnte. Da hatte ich es quasi schriftlich, dass ich urlaubsreif war.
Wie geht`s dir jetzt und was hast du dir für 2016 vorgenommen?
Zurzeit bin ich in Südafrika und trainiere wieder normal. Das heißt, ich regeneriere wieder. Bevor ich geflogen bin, habe ich noch zwei Leistungsdiagnostiken gemacht. Eine auf dem Rad und eine beim Laufen. Die Werte waren schon viel besser als gedacht. 2016 versuche ich einiges nachzuholen, was ich in diesem Jahr verpasst und versäumt habe. Also ziemlich viel! 😉
Im Gespräch mit Susanne Buckenlei:
Susa, du hast relativ schnell geahnt, was mit Johannes los ist. Welche Symptome waren für dich entscheidend und welche Faktoren haben deine Vermutung bestätigt?
Johannes hatte mich kontaktiert, um mir ein paar Fragen bzgl. Training und Gesundheit zu stellen. Er schien zwischen den Stühlen zu sitzen: grundsätzlich sehr motiviert und bereit im Training an seiner Leistung hart zu arbeiten. Die Realität sah allerdings anders aus –
er war ständig müde, hatte keine Kraft und Spannung im Training und auch nicht im Wettkampf und immer häufiger Probleme, sich trotz der hohen Grundmotivation zum Training aufzuraffen. Dazu kam eine hohe Infektanfälligkeit und die Neigung, extrem leicht krank zu werden.
Übertraining ist ein großes Thema bei Triathleten. Bei welchen Blutwerten sollten spätestens alle Alarmglocken läuten?
Das ist leider nicht nicht so einfach, im Blut zu erkennen. Sprich, man muss nicht krank sein oder einen Mangel aufweisen, wenn man an einer tiefsitzenden Ermüdung leidet. Bei obengenannten Symptomen sind führ mich immer eine Überprüfung des roten Blutbildes, aber eben auch ein Test auf EBV (Ebsteinbar Virus) selbstvertsändlich. Hinzu kommt sicherlich auch, ob Mangelszustände im Mineralstoffhaushalt vorliegen, aber sehr häufig trifft man beim Sportler mit dem Test auf EBV schon ins Schwarze.
Wie lange muss man pausieren, damit der Körper in einer solchen Situation wieder zu Kräften kommt?
Wenn eine Infektion vorliegt, sollte nicht trainiert werden, bis der Virus inaktiv ist. Dann kann langsam wieder begonnen werden. Aber dabei ist Vorsicht und vor allem sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt. Eine goldene Regel gibt es nicht, denn jeder Athlet reagiert auf die Schwächung durch den Virus individuell.
Grundsätzlich sollte nach einem Übertraining oder dem EB-Virus mit sehr viel Vorsicht an die Erstellung des Trainingsplans herangegangen werden. Auch der Athlet sollte dabei noch mehr auf das eigene Körpergefühl und den Bauch hören. Im Gegensatz zu den Zeiten, in denen der Sportler stabil ist, ist das Befinden dann sehr variabel und kaum vorhersehbar. Sprich: Ein Tag läuft perfekt und am nächsten Tag kommt man eventuell schon nicht mehr aus dem Bett und der Gedanke an Training ist unvorstellbar. Man kann in der ersten Zeit nur kurzfristig planen und muss sehr flexibel reagieren. Missachtet man die Zeichen des Körpers, zieht man die Überlastung unnötig in die Länge.
Wie sollte man sein Training danach wieder beginnen? Was rätst du?
Ich rate dabei vor allem, sehr sensibel auf körperliche, aber auch mentale Reaktionen des Athletens einzugehen. Das macht auch dem Trainer nicht immer Spass, vor allem, wenn man mit einem so talentierten Athleten wie z.B. Johannes arbeiten darf. Das bedeutet: Einheiten werden geplant, aber oft genauso schnell wieder umgeschmissen, nämlich dann, wenn die Reaktion darauf nicht die gewünschte ist. Und der Athlet ist nach EBV-Infektion oder Übertraining erstmal eine Wundertüte, mit Reaktionen, die kaum vorherzusehen sind.
Muss man grundsätzlich, wenn man den Körper schon mal so in den „Keller geritten“ hat, künftig noch vorsichtiger bei der Trainingsplanung sein, um nicht gleich wieder im nächsten Loch zu landen?
Ja, es gehört wesentlich mehr Fingerspitzengefühl dazu, jemanden wieder aus dem Leistungsloch zu holen, als es Härte und Konsequenz benötigt, um dort zu landen. Das gilt für einen relativ langen Zeitraum nach einer Überlastung oder zum Beispiel nach einer EBV-Infektion. Unter Umständen kann es Jahre dauern, was aber nicht heißt, dass man keine Leistung bringen kann bzw. nicht wieder belastbar ist. Man muss aber sensibler und vorsichtiger sein. Im Rückblick erkennt man, dass man nie mehr so unsensibel und rabiat mit dem Körper umgehen sollte, wie vor dem Virus, einem krassen Übertraining oder auch vor einem Trainings-Burn-out, aber dennoch seine Leistung wieder weiter ausbauen kann.
Danke Susa, danke Hannes für diese sehr aufschlussreichen Interviews.
Interviews: Meike Maurer
Fotos: privat